Tunnelbau für Highspeed-Züge funktioniert wie eine kleine Fabrik unter der Erde

Leyla Paksoy vor der Northolt Tunnel East Tunnelbohrmaschine, die ab Januar 2024 im Einsatz sein wird. Zu sehen ist der Front Shield ohne den Schneidekopf, der zur Erdabtragung im Schacht zusammengebaut wird.
© privat

Bauingenieur-Studentin Leyla Paksoy absolviert berufspraktisches Semester in London bei Europas größtem Infrastrukturprojekt HS2.

Der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke High Speed 2 (HS2) in Großbritannien gilt als Europas größtes Infrastrukturvorhaben. Als Bauingenieur*in an diesem Mega-Projekt beteiligt zu sein, gehört sicherlich zu den eindrücklichsten Berufserfahrungen.

Dies kann Leyla Paksoy bestätigen. Die 23-Jährige studiert an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) Bauingenieurwesen im 7. Semester und ist kürzlich zurückgekehrt aus London, wo sie auf der HS2-Tunnelbaustelle ein berufspraktisches Semester (BPS) absolviert hat. Über die vorwiegend unterirdisch geplante Strecke von der Londoner Euston Station nach Birmingham sollen einmal Züge mit bis zu 360 Stundenkilometern entlangbrausen.

Bereits im April war die Studentin umgezogen nach London, um die Stadt zu entdecken und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, im Mai startete das Praktikum, das sie als Mitarbeiterin der STRABAG UK Ltd für die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Skanska, Costain, STRABAG absolvierte. Einsatzort war in London auf der Victoria Road Crossover Box (VRCB), wo die Züge zukünftig unterirdisch das Gleis wechseln. „Wir bauten die Tunnelbohrmaschine zusammen für den Northolt Tunnel East, die dann von VRCB zum Greenpark Way Shaft bohrt“, berichtet Leyla Paksoy.

„Meine Aufgabe war es, den Baustellenbericht vom Zusammenbau der Tunnelbohrmaschine zu machen.“ Beim maschinellen Tunnelbau entsteht zwischen Tunnelschale und Erdreich ein Spalt, der mit Mörtel verpresst wird. „Ich hatte außerdem die Aufgabe, alle Informationen darüber zusammenzutragen, welchen Hersteller mit welchem Mischverhältnis die ARGE nun eindeutig nimmt und darüber eine Hausarbeit zu erstellen.“ Daneben war sie in allgemeine Arbeitsaufträge des Teams eingebunden.

Für Leyla Paksoy stand schon früh fest, dass sie Bauingenieurin werden will. „Vor meinem Studium habe ich ein Praktikum im Ingenieurbüro für Struktur+Festigkeit bei Conrad Hansen in meiner Heimatstadt Kiel gemacht. Durch das Praktikum hat mich Bauingenieurwesen zum ersten Mal fasziniert. Mir war ab dem Moment klar, dass ich mich in dem Bereich sehe“, erzählt sie.

Dass sie nun ihr berufspraktisches Semester im Ausland gemacht hat, war eine besondere Erfahrung. „Frankfurt ist Sitz von großen Bauunternehmen und hat reichlich Baustellen“, sagt sie, „da ist die Auswahl für Studierende im BPS groß.“ Dies nicht zuletzt auch wegen guter Kontakte vieler Professor*innen der Lehreinheit Bauingenieurwesen der Frankfurt UAS, die aus der Praxis kommen. So auch Prof. Dr.-Ing. Steffen Leppla, Professor für Geotechnik an der Frankfurt UAS, der Leyla Paksoy während ihres Studiums betreut.

Zurück aus London mit klarem Ziel: Leyla Paksoy wird zum Abschluss ihres Bauingenieurwesen-Studiums ihre Bachelorthesis über das HS2-Projekt schreiben.
Zurück aus London mit klarem Ziel: Leyla Paksoy wird zum Abschluss ihres Bauingenieurwesen-Studiums ihre Bachelorthesis über das HS2-Projekt schreiben. Foto: B. Bieber/Frankfurt UAS

Dass ein Praktikum im Ausland aufwendiger ist, hat die angehende Bauingenieurin keineswegs abgeschreckt. „Ich war bereits fast zwei Jahre Werkstudentin beim Bauunternehmen Züblin. Durch meine Arbeit dort habe ich den Kontakt zu STRABAG UK bekommen können. Dorthin habe ich meine Bewerbung weitergeleitet und wurde angenommen.“ Dass seine Studentin vor Ort gut ins Team eingebunden wird, davon verschaffte sich Prof. Leppla persönlich einen Eindruck: „Bei einem Baustellentermin in London konnte ich mich davon überzeugen, dass Frau Paksoy wirklich tolle Arbeit bei einem außergewöhnlichen Projekt leistet.“

Ihr Einsatz in der britischen Hauptstadt hat bei der Studentin nachhaltig Eindruck hinterlassen. Als eine von 103 Frauen in einem Team von 1.123 Mitarbeitenden hat sie die positive Erfahrung gemacht, dass einzig das Know-how zählt. „Das war das erste Mal, dass ich im Tunnelbau tätig war – und dann noch in dieser Dimension. Ich habe ein komplett neues Feld des Bauingenieurwesens kennenlernen dürfen mit sehr kompetenten Kolleginnen und Kollegen, die sich immer die Zeit genommen haben, mir den Tunnelbau genauer zu erklären“, berichtet Paksoy. „Mein für mich persönlich größtes Erlebnis war, als ich auf die Tunnelbohrmaschine (TBM) in West Ruislip, Northolt Tunnel East durfte. Zu sehen, dass die TBM wie eine kleine Fabrik unter der Erde funktioniert, ist sehr faszinierend. Und zu realisieren, dass einmal hier die schnellsten Züge der Welt fahren werden, hat mich sehr beeindruckt!“

HS2 wird zukünftig auf einer Länge von 225 Kilometern London und Birmingham verbinden. Die Nachricht, dass die britische Regierung für den zweiten Teilabschnitt von Birmingham nach Manchester jüngst aus Kostengründen einen Baustopp verkündet hat, trübt die großartige Praxiserfahrung nicht. Zurück in Deutschland setzt Leyla Paksoy ihr Studium an der Frankfurt UAS fort und macht in voraussichtlich drei Semestern ihren Bachelor-Abschluss. „Ich habe die Möglichkeit, meine Bachelorthesis mit dem HS2-Projekt zu machen. Nach Abschluss der letzten Module kann ich anschließend wieder mit STRABAG UK zusammenarbeiten.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 1: Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik, Prof. Dr.-Ing. Steffen Leppla, Telefon: +49 69 1533-3648, E-Mail: steffen.leppla@fb1.fra-uas.de

Weitere Informationen:

https://www.frankfurt-university.de/?id=11479 (Informationen zur Lehreinheit Bauingenieurwesen)
https://www.hs2.org.uk/

http://www.frankfurt-university.de/

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