Transregio 30: Mathematische Bruchmechanik will zur Klärung der Rissausbreitung in gradierten Materialien beitragen

Die Arbeit der Kasseler Mathematiker ist eingebettet in den Sonderforschungsbereich „Transregio 30″, der 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtet und jetzt für weitere vier Jahre verlängert wurde.

In einer Kooperation von 18 Lehrstühlen der Universitäten Kassel, Dortmund und Paderborn soll die Basis für die Herstellung von Materialien aus Stahl, Aluminium und Kunststoffen geschaffen werden, die sich unter anderem besonders für den Automobil- und den Flugzeugbau eignen. Die Forschungsarbeiten sind auf insgesamt zwölf Jahre angelegt.

Schon relativ neue Flugzeuge wiesen kleinste Risse auf, die man mit dem Auge allerdings nicht wahrnehmen könne und die keinen Einfluss auf die Betriebssicherheit hätten, sagt Dr. Maria Specovius-Neugebauer, Professorin für Analysis an der Universität Kassel. Entscheidend sei, wie sich solche Risse beispielsweise unter der Einwirkung von Zugkräften, Druck und Vibrationen ausbreiten und wann sie den kritischen Punkt erreichen, an dem das Material bricht.

Seit 1920 versuchen Mathematiker Gesetzmäßigkeiten bei der Ausbreitung von Rissen auf rechnerischem Weg herauszufinden. Besonders schwierig sei das bei Rissen, die sich dreidimensional ausbreiten, sagt Professor Specovius-Neugebauer. Ihre mathematischen Modelle auf der Grundlage partieller Differentialgleichungen beschreiben das physikalische Wechselspiel der Energiepotentiale, das für die Art der Rissausbreitung wesentlich ist. Die lokale Beanspruchung aufgrund äußerer Krafteinwirkung, das Bestreben eines Materials, nach Druckeinwirkung seine ursprüngliche Form wiederzugewinnen, Spannungen und der Energieverbrauch im Material, wenn beim Reißen Moleküle oder Atomverbände getrennt werden: All das spielt für die mathematische Beschreibung der Rissausbreitung eine Rolle.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Die Kasseler Mathematiker stellen ihre Berechnungen nicht für homogene, sondern für so genannte gradierte Materialien an. Diese Materialien zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihre Eigenschaften – gezielt einstellbar- ortsabhängig ändern können. So kann beispielsweise an einer Stelle eines Bauteils das Material härter sein als an anderen. Das kompliziert die mathematischen Prognosen über die Rissausbreitung. Professor Specovius-Neugebauer bremst daher überzogene Erwartungen an Ergebnisse. „Das ist noch ein harter mathematischer Weg“, sagt sie.

Die Kasseler Mathematiker arbeiten im Sonderforschungsbereich eng mit den Ingenieuren der Fachgruppe Angewandte Mechanik der Universität Paderborn zusammen. Die Berechnungen der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Specovius-Neugebauer bilden die Grundlage für numerische Simulationen, die in Paderborn erfolgen. Von den Kollegen dort erhält die Professorin auch die – in Laborexperimenten und Versuchen ermittelten – Parameter, die sie für die Ausarbeitung ihrer mathematischen Modelle benötigt. Die Forscher in Paderborn überprüfen durch Experimente, ob die theoretischen Berechnungen zutreffen. Die in Kassel errechneten Modelle seien eine Voraussetzung dafür, dass in Zukunft von der Industrie für bestimmte Zwecke „maßgeschneiderte“ Materialien in einem kürzeren Herstellungsprozess als bisher gefertigt werden können, sagt Dr. Markus Fulland, Ingenieur der Fachgruppe Angewandte Mechanik der Universität Paderborn. Darüber hinaus seien die Modelle der Kasseler Mathematiker ein wichtiger Baustein bei der Optimierung der Auslegung von Bauteilen, da zunehmend teure Experimente durch numerische Simulationen ersetzt werden können.

Info
Prof. Dr. Maria Specovius-Neugebauer
tel (0561) 804 4421
e-mail maria.specovius@uni-kassel.de
Universität Kassel
Fachbereich Mathematik
Dr.-Ing. Markus Fulland
tel (05251) 60 5326
e-mail fulland@fam.upb.de
Universität Paderborn
Fachgruppe Angewandte Mechanik
Fakultät für Maschinenbau

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Christine Mandel idw

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