TFB macht unsichtbares Licht sichtbar

In Sn[B₂O₃F₂] (TFB) verbinden sich Tetraeder aus Bor, Sauerstoff (rot) und Fluor (grün) zu unendlichen Schichten; die grau gezeichneten Zinnatome sorgen für die perfekte Ausrichtung der Schichten. @ Universität Augsburg/IfP

In der renommierten Fachzeitschrift „Advanced Optical Materials“ haben Festkörperchemiker der Universität Augsburg gemeinsam mit Kollegen aus Frankfurt/M. und Houston (Texas) den Stoff TFB vorgestellt – ein völlig neues Material, das aus unsichtbarem Licht sichtbares macht und noch mehr kann.

TFB steht für Zinnfluorooxoborat bzw. Sn[B₂O₃F₂]. Die Herstellung dieses neuen Materials gelang einem von dem Augsburger Chemiker Prof. Dr. Henning Höppe geleiteten Forscherteam durch die geschickte Reaktion zweier großtechnisch verfügbarer Chemikalien: Boroxid und Zinnfluorid.

Höppes Festkörperchemie-Arbeitsgruppe erforscht am Institut für Physik der Universität Augsburg Fluorooxoborate. Das sind Verbindungen, die strukturell den zu Tausenden natürlich vorkommenden Silicaten ähneln. Silicate – das sind Steine wie Quarz oder Glimmer – nehmen einen Anteil von über 90 Prozent an der Erdrinde ein und kommen in vielfältigen Strukturen vor.

Chemisch unterscheiden sich die in Augsburg untersuchten Verbindungen allerding deutlich von den strukturell ähnlichen Silicaten: Während letztere allesamt u. a. Silicium und Sauerstoff enthalten, enthalten Fluorooxoborate Fluor, Sauerstoff und Bor.

„Die wissenschaftliche Bedeutung der aktuellen Ergebnisse unserer Forschung zu Fluorooxoboraten liegt in der völlig außergewöhnlichen Kristallstruktur des von uns gezielt hergestellten TFB“, erläutert Höppe. TFB enthält – wie gängige Silicate – ausschließlich Tetraeder als zu ebenen Schichten verbundene Baueinheiten, wobei alle Tetraederspitzen genau in dieselbe Richtung zeigen.

„Diese ausgesprochen ästhetische Kristallstruktur ist sehr ungewöhnlich. Wir ahnten, dass solch perfekte Schichten herstellbar sein müssten. Und wir dachten“, so Höppe, „mit Zinn könnte es funktionieren – und es hat funktioniert!“

Die Kristallstrukturen von Fluorooxoboraten, deren Bildung dank reiner Grundlagenforschung jetzt also verstanden werden kann, sind unter Anwendungsgesichtspunkten hochrelevant. Sie verfügen nämlich über besondere nicht-linear optische Eigenschaften, zu denen u. a. die Frequenzverdopplung zählt – will heißen: Wird ein solches Material mit hoher Intensität bestrahlt, entsteht Strahlung mit verdoppelter Frequenz und dementsprechend halbierter Wellenlänge. Unsichtbare Infrarotstrahlung wird so zu grünem Licht, wie man es z. B. vom Laserpointer kennt.

„Unser TFB kann aber noch mehr“, betont Höppe: „Denn mit diesem gezielt herstellbaren Material lässt sich auch hochenergetisches UV-Licht für spezielle optische Anwendungen erzeugen – z. B. für die Fotolithografie in der Halbleitertechnik, für ein derzeit weltweit hochaktuelles Arbeitsgebiet also.“

Originalbeitrag:
S. G. Jantz, M. Dialer, L. Bayarjargal, B. Winkler, L. van Wüllen, F. Pielnhofer, J. Brgoch, R. Weihrich und H. A. Höppe, Sn[B₂O₃F₂] — The First Tin Fluorooxoborate as Possible NLO Material, Adv. Optical Mater. (2018) 1800497 (https://doi.org/10.1002/adom.201800497).

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Henning Höppe
Institut für Physik der Universität Augsburg
D-86135 Augsburg
Telefon +49(0)821-598-3033
henning.hoeppe@physik.uni-augsburg.de

https://doi.org/10.1002/adom.201800497

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Klaus P. Prem idw - Informationsdienst Wissenschaft

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