Stimulator lindert Ohrgeräusche durch gezielte akustische Reize

Seit Ende Februar ist ein neues Gerät zur Behandlung von chronischem Tinnitus auf dem europäischen Markt zugelassen: der Tinnitus-Neurostimulator T30CR. Er bekämpft das Klingeln im Ohr durch gezielte akustische Reize.

Eine klinische Studie lieferte erste positive Ergebnisse, eine Auswahl von HNO-Fachärzten wird derzeit für die Anwendung geschult. Der Stimulator basiert auf Forschungsergebnissen aus dem Forschungszentrum Jülich. Entwickelt hat ihn die Jülicher Firma Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM).

Prof. Sebastian Schmidt, Vorstandsmitglied des Forschungszentrums Jülich, freut sich über die Erteilung der CE-Marke: „Über zehn Jahre systematischer wissenschaftlicher Arbeit im Forschungszentrum münden nun in Hilfe für Patienten, und dies bei einer Volkskrankheit, von der sehr viele Menschen betroffen sind.“

Das bestätigen erste Ergebnisse einer Studie, die Prof. Peter Tass, Direktor des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin im Forschungszentrum Jülich und Erfinder der Therapie, auf einem Fachkongress Ende Januar in Italien präsentierte: Die Lautstärke der Ohrgeräusche und die empfundene Belästigung durch den Tinnitus nahmen kontinuierlich ab – nach zwölf Behandlungswochen bereits um 40 und 33 Prozent -, in der Placebogruppe hingegen nur um

9 und 8 Prozent. Die Tinnitus-Frequenz wurde zudem tiefer und damit angenehmer. Tass ergänzt: „Bei einigen Patienten ist ein Tinnitus-Ton, der schon über viele Jahre bestand, bereits komplett verschwunden.“ Die bisherigen Ergebnisse basieren auf dem Zwischenstand einer klinischen Studie an 45 Patienten.

Eingesetzt wird der Stimulator derzeit für die Behandlung von chronischem, subjektivem, tonalen Tinnitus. Dabei verursachen Fehlsteuerungen im Gehirn das permanente Ohrgeräusch: Statt gezielt und nacheinander feuern Nervenzellen übermäßig und gleichzeitig Signale ab. Diesen Gleichtakt unterbricht der Neurostimulator. Durch gezielte akustische Reize stört er die krankhaft überaktiven, hochsynchronen Nervenzellverbände und führt sie so in ein „gesundes Chaos“ zurück. Basis der Therapie ist die sogenannte Coordinated Reset (CR) Technologie, die der Mediziner, Physiker und Mathematiker Tass am Forschungszentrum Jülich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. CR steht für einen mathematisch-physikalischen Stimulationsalgorithmus, der schwache Impulse, individuell angepasst, zu verschiedenen Zeiten an die synchronen Nervenzellverbände schickt und sie so „aus dem Takt“ bringt. „Das Besondere an dem Verfahren ist: Durch diese Stimulation bauen sich die Nervennetzwerke im Hirn wieder um. Deshalb erreichen wir mit unserem Stimulator auch nicht nur eine maskierende Wirkung, sondern eine dauerhafte Linderung der Krankheit“, sagt Tass. „Die ehemals betroffenen Nervenzellverbände verlernen den krankhaften Gleichtakt.“

In der Praxis erfolgt die Therapie bei einem HNO-Facharzt, der bei einer ausführlichen Anamnese erst das individuelle akustische Tinnitus-Profil des Patienten aufnimmt. Dann programmiert er den streichholzschachtelgroßen Neurostimulator entsprechend mit einer koordinierten Tonfolge, deren Lautstärke knapp über der Hörschwelle liegt. Der Patient trägt den Neurostimulator mit seinen medizinischen Kopfhörern für mehrere Stunden pro Tag über einen Zeitraum von mehreren Monaten und danach nur noch nach Bedarf. Die Anwendung erfolgt zu Hause. Da der Tinnitus im Laufe der Therapie tiefer und leiser wird, ist eine mehrmalige Nachjustierung des Stimulators in der HNO-Praxis notwendig.

„Derzeit schulen wir erste HNO-Fachärzte spezifisch auf die Anwendung der neuen Therapie“, sagt Dr. Claus Martini, Geschäftsführer von ANM. „Patienten können sich über eine Liste auf unseren Internetseiten informieren, welche Fachärzte aktuell die Therapie anbieten – zunächst als Privatleistung. Die Kosten liegen bei rund 2500 Euro plus etwa 500 Euro Behandlungskosten durch den Arzt. Der Patient erhält dabei ein Rückgaberecht für den Neurostimulator für den Fall, dass die Therapie nicht anspricht.“

Weitere Informationen:

Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM):
http://www.anm-medical.com/
Liste der bereits geschulten Ärzte:
http://www.anm-medical.com/presse/therapieanbieter/anm-therapieanbieter.pdf
Kontakt für Patienten und Mediziner:
Firma Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM), Tel. 02461 – 690350,
E-Mail: tinnitus@anm-medical.com
Pressekontakt:
Bitte beachten Sie: Wir können keine Patientenanfragen beantworten. Benutzen Sie hierfür bitte die Hotline der Firma ANM.

Dr. Barbara Schunk, Tel. 02461 61-8031, E-Mail: b.schunk@fz-juelich.de Erhard Lachmann, Tel. 02461 61-1841, E-Mail: e.lachmann@fz-juelich.de

Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM)…
… entwickelt und vermarktet Medizinprodukte für die Neuromodulation. Erste Anwendungen sind die Therapie von Tinnitus und Parkinson.
Das Forschungszentrum Jülich…
… betreibt interdisziplinäre Spitzenforschung zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Energie und Umwelt sowie Informationstechnologie. Kombiniert mit den beiden Schlüsselkompetenzen Physik und Supercomputing werden in Jülich sowohl langfristige, grundlagenorientierte und fächerübergreifende Beiträge zu Naturwissenschaften und Technik erarbeitet als auch konkrete technologische Anwendungen. Mit rund 4 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehört Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, zu den größten Forschungszentren Europas.

Media Contact

Dr. Barbara Schunk Forschungszentrum Juelich GmbH

Weitere Informationen:

http://www.fz-juelich.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizintechnik

Kennzeichnend für die Entwicklung medizintechnischer Geräte, Produkte und technischer Verfahren ist ein hoher Forschungsaufwand innerhalb einer Vielzahl von medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin.

Der innovations-report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Bildgebende Verfahren, Zell- und Gewebetechnik, Optische Techniken in der Medizin, Implantate, Orthopädische Hilfen, Geräte für Kliniken und Praxen, Dialysegeräte, Röntgen- und Strahlentherapiegeräte, Endoskopie, Ultraschall, Chirurgische Technik, und zahnärztliche Materialien.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Mit integriertem Licht zu den Computern der Zukunft

Während Computerchips Jahr für Jahr kleiner und schneller werden, bleibt bisher eine Herausforderung ungelöst: Das Zusammenbringen von Elektronik und Photonik auf einem einzigen Chip. Zwar gibt es Bauteile wie MikroLEDs…

Antibiotika: Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung

Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und…

Partner & Förderer