Sedimentgestein „Chert“ zeichnet Abkühlung der Erde über Milliarden-Jahre auf

Der berechnete Effekt des Wärmeflusses für Sauerstoffisotope in Cherts bedeutet, dass die leichten Archaischen Cherts für ein gemäßigtes bis warmes Klima auf der frühen Erde sprechen – heiße Archaische Ozeane scheinen sehr unwahrscheinlich.
(c) Michael Tatzel

Vor Millionen von Jahren waren die Ozeane auf der Erde wohl doch nicht heiß, wie oft angenommen, sondern eher gemäßigt bis warm.

Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam der Universität Göttingen und des Geoforschungszentrums Potsdam. Die Wissenschaftler analysierten rund 550 Millionen Jahre alte chemische Sedimentgesteine, sogenannte Cherts, die sich aus Meerwasser und Resten von Siliciumdioxid-abscheidenden Organismen bilden. Anhand dieser „Zeitkapseln“ zeigte das Team, dass die Sauerstoff-Isotopenverhältnisse durch das Erkalten der festen Erde bestimmt werden und weniger von den Temperaturen des Meerwassers abhängen.

Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PNAS erschienen.

Die Wissenschaftler analysierten rund 550 Millionen Jahre alte chemische Sedimentgesteine, sogenannte Cherts, die sich aus Meerwasser und Resten von Siliciumdioxid-abscheidenden Organismen bilden.
(c) Michael Tatzel

Wie kann es sein, dass Archaische Cherts – zwischen 3,85 und 2,5 Milliarden Jahre alt – am leichten Sauerstoffisotop (16O) stark angereichert sind? Welche Informationen zeichnen diese wertvollen Zeitkapseln über die Geschichte unserer Erde überhaupt auf? Um diesem Jahrzehnte-alten Rätsel der Geowissenschaften nachzugehen, untersuchte das Forschungsteam Gesteinsproben aus Südost-China, die dokumentieren, dass nach der Ablagerung von Sedimentschlamm die amorphen Vorstufen von Chert in hunderten Metern Tiefe unter der Erdoberfläche nochmals umkristallisieren und dabei die Temperaturen in der Tiefe aufgezeichnet werden. Diese Erkenntnis brachte das Team auf die Idee, dass Sauerstoff-Isotopenverhältnisse vom Wärmefluss aus dem Erdinneren abhängen könnten – ein ganz neuer Blickwinkel auf das alte Rätsel.

„Unsere Berechnungen zeigen, dass bei höherem Wärmefluss die Isotopenverhältnisse kleiner werden, weil die Rekristallisation dann bei höheren Temperaturen stattfindet“, sagt Juniorprofessor Dr. Michael Tatzel vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. Gleichzeitig wird Meerwasser unter diesen Bedingungen an 16O angereichert. Das Rätsel um isotopisch leichte Archaische Cherts löst sich somit durch den etwa doppelt so hohen Wärmefluss auf der frühen Erde. „Cherts sind offenbar keine guten Archive für Meerwassertemperaturen in der Vergangenheit. Unsere Erkenntnisse bedeuten, dass wir Sauerstoffisotope in Cherts ganz neu denken müssen“, so Tatzel.

Co-autor Patrick Frings vom GFZ Potsdam fügt hinzu: „Ich denke, diese Arbeit wird in den kommenden Jahren die Tür zu einigen aufregenden neuen Entwicklungen öffnen, denn unsere Erkenntnis über den Wärmefluss-Effekt ermöglicht akkurate Rekonstruktionen von Meerwassertemperaturen in tiefer geologischer Zeit. Darüber hinaus werden wir die thermische Struktur und tektonische Geschichte alter Sedimentbecken entschlüsseln können.“ Der berechnete Effekt des Wärmeflusses für Sauerstoffisotope in Cherts bedeutet auch, dass die leichten Archaischen Cherts für ein gemäßigtes bis warmes Klima auf der frühen Erde sprechen – heiße Archaische Ozeane scheinen sehr unwahrscheinlich. Diese Schlussfolgerung ist zentral für das Verständnis über die Entwicklung von Leben auf der jungen Erde.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Tatzel
Georg-August-Universität Göttingen
Geowissenschaftliches Zentrum
Abteilung Sedimentologie und Umweltgeologie
Goldschmidtstraße 1, 37077 Göttingen
Telefon: (0551) 39-21791
E-Mail: michael.tatzel@uni-goettingen.de
Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/633807.html

Originalpublikation:

Michael Tatzel et al. Chert oxygen isotope ratios are driven by Earth’s thermal evolution. PNAS 2022. http://www.pnas.org/doi/epdf/10.1073/pnas.2213076119.

http://www.uni-goettingen.de/

Media Contact

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

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