Sauerstoffminimumzonen weiten sich aus

Zwei Forschungsschiffe, zwei Ozeane und sechs Expeditionen – zwischen Oktober 2012 und März 2013 untersuchte der Kieler Sonderforschungsbereich 754 mit großem Einsatz offene Fragen rund um die Sauerstoffminimumzonen in den tropischen Meeren.

In dieser Woche treffen sich die beteiligten Wissenschaftler in Kiel, um erste Resultate auszutauschen und weitere Analysen und Messkampagnen zu planen. Alle vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Zonen weiter ausbreiten.

Das Phänomen ist eigentlich natürlich. Seine aktuellen Veränderungen sind es möglicherweise nicht. In allen tropischen Ozeanen erstrecken sich Zonen, in denen Sauerstoff Mangelware ist oder sogar ganz fehlt. Messungen der vergangenen Jahre deuten darauf hin, dass sich diese Zonen ausweiten. Zu den offensichtlichsten Folgen gehört, dass sich der Lebensraum bestimmter Fischarten verkleinert. Doch sind diese Veränderungen Teil einer natürlichen Schwankung? Oder sind sie Folge des von Menschen verursachten globalen Wandels? Und wie weit werden sich diese sauerstoffarmen Zonen noch ausweiten?

Mit all diesen Fragen beschäftigt sich der Sonderforschungsbereich (SFB) 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Universität Kiel und am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gefördert wird. Zusammen mit Partner-Projekten führte er zwischen Oktober 2012 und März 2013 vier Expeditionen mit dem Forschungsschiff METEOR im tropischen Pazifik durch.

Zwei weitere Expeditionen mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN liefen parallel im tropischen Atlantik. In dieser Woche treffen sich 90 Wissenschaftler des SFB in Kiel zu einem gemeinsamen Workshop, bei dem unter anderem die vorläufigen Ergebnisse der Expeditionen ausgetauscht werden. „Alle Teams haben mit sehr unterschiedlichen Methoden spannende Daten im jeweiligen Seegebiet sammeln können. Die Analysen laufen natürlich noch, aber vieles deutet darauf hin, dass sich die Sauerstoffminimumzonen weiter ausbreiten“, sagt Dr. Lothar Stramma, Ozeanograph am GEOMAR und Expeditions-Koordinator des SFB.

An den Expeditionen waren Forscher ganz unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt. Denn die Prozesse innerhalb und am Rande der Sauerstoffminimumzonen sind komplex. Nährstoffe sorgen für ein gutes Wachstum von pflanzlichem Plankton, das durch Photosynthese Sauerstoff produziert. Sterben die Planktonorganismen ab, werden sie von Bakterien zersetzt, die wiederum Sauerstoff verbrauchen. Einige setzen dabei unter anderem Stickstoff frei, das als Gas den Ozean verlässt und dann als Nährstoff im Wasser fehlt.

All diese Prozesse werden zusätzlich beeinflusst von Wasser- und Lufttemperaturen, Meeresströmungen, Winden, Sonneneinstrahlung, von der Artenzusammensetzung in einem bestimmten Seegebiet und vielen weiteren Faktoren. „Deshalb können wir die Entwicklung der Sauerstoffminimumzonen nur verstehen, wenn Ozeanographen, Biologen, Biogeochemiker, Meereschemiker, Physiker und Atmosphärenforscher eng zusammenarbeiten“, erklärt Dr. Stramma.

Die geballte Sammlung von Daten, die jetzt vorliegt, soll helfen, das für die Dynamik der Sauerstoffminimumzonen wichtige Zusammenspiel von physikalischen und biologischen Prozessen besser zu verstehen. „Damit können wir auch unsere Computermodelle genauer eichen, um zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren“, sagt SFB-Sprecher Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR. Die Auswertung aller Expeditionsdaten wird noch Monate dauern und wahrscheinlich auch weitere Fragen aufwerfen. „Es gibt viele Details in den Sauerstoffminimumzonen, die wir nicht verstanden haben. Doch schon jetzt ist deutlich, dass sich Prozesse im Ozean abspielen, die man nicht sehen und nicht fühlen kann, die aber große Auswirkungen haben können – letztendlich auch auf uns Menschen“, betont auch der stellvertretende SFB-Sprecher Professor Dr. Ralph Schneider vom Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Gespannt warten die Wissenschaftler auch auf die Ergebnisse weiterer Messkampagnen. So haben Kieler Wissenschaftler im Dezember 2012 vor der Küste Westafrikas einen ungiftigen, aber lange im Wasser nachweisbaren Spurenstoff ausgebracht. Dank eines Spezialgeräts, des Ocean Tracer Injection Systems (OTIS), lässt er sich sehr präzise in bestimmte Wasserschichten einbringen. „Der Stoff verteilt sich mit dem Wasser. Wenn wir ihn bei zukünftigen Fahrten wieder aufspüren, können wir nachvollziehen, wie sich bestimmte Wassermassen in der Sauerstoffminimumzone oder darum herum verteilen“, erklärt Professor Oschlies. Eine erste Untersuchung dieser Art ist bereits für kommenden Mai geplant. „Dann können wir dem noch unvollständigen Gesamtbild hoffentlich ein weiteres Puzzlestück hinzufügen“, sagt der SFB-Sprecher.

Media Contact

Andreas Villwock idw

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