Riesenatome eingesperrt in Mikroglaszellen

Gegenüber „normalen“ Atomen, die kleiner sind als ein zehntel Nanometer, sind sie über 100 Nanometer groß. Ihre Empfindlichkeit macht sie besonders interessant für quantenlogische Operationen, denn sie können sich über viele Mikrometer hinweg „spüren“ und eignen sich deshalb als Schaltelemente für Quantenzustände.

Andererseits scheint die Miniaturisierung solcher Quantenbauelemente durch die hohe Empfindlichkeit erschwert zu werden, denn Riesenatome reagieren auch sehr stark auf die sie umgebenden Wände. Nun haben Forscher am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart gezeigt, dass Riesenatome unter bestimmten Umständen dennoch ohne große Störung in kleinsten Mikroglaszellen eingesperrt und beobachtet werden können.

Hierzu befüllten die Stuttgarter Physiker Mikroglaszellen mit „normalen“ Atomen in der Dampfphase, die dann durch Laseranregung in ein Riesenatom verwandelt werden. Über die Arbeit berichtet die Fachzeitschrift „Nature Photonics“ in ihrer Ausgabe vom 10. Januar.*) Nun sind Riesenatome in Mikroglaszellen „heiße Kandidaten“ für miniaturisierte Quantenbauelemente.

Am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart wird schon seit einigen Jahren mit Riesenatomen experimentiert, um zum Beispiel die Wechselwirkung zwischen den Riesenatomen und einem neuartigen Molekültyp zu untersuchen. Diese Experimente wurden an ultrakalten Atomen durchgeführt. Zur Erzeugung von ultrakalten Atomen sind aufwändige Vakuumapparaturen notwendig, um die Atome von jeglichem Kontakt mit der Außenwelt abzuschirmen. Die Atome werden dann mit Laserstrahlen und starken Magnetfeldern festgehalten und sehr nahe an den absoluten Nullpunkt gekühlt. Diese komplexen Aufbauten sind jedoch schwer anwendbar. Gesucht sind daher kompakte, leicht handhabbare Systeme, die leicht zu skalieren sind und mit den aktuellen Techniken in Serie produziert werden können.

Bewährte Technik neu genutzt
Die Technik zur Mikrostrukturierung von Glas ist inzwischen weit fortgeschritten und wird zum Beispiel zur Fertigung von Flachbildschirmen eingesetzt. Um sie nutzen zu können, muss aber erst das Verhalten von Rydbergatomen in der Nähe von Glasoberflächen untersucht werden. Würden die empfindlichen Riesenatome durch das Glas in der Nähe stark gestört werden, wäre keine Informationsverarbeitung mehr möglich. Der Arbeitsgruppe am 5. Physikalischen Institut der Uni Stuttgart ist es nun gelungen, die Wechselwirkung von Rydbergatomen mit Glaswänden zu untersuchen. Sie schlossen Atome des Alkalimetalls Rubidium zwischen zwei Glaswänden im Abstand von weniger als einem Mikrometer ein und bestimmten die Energieverschiebungen mit einem kohärenten Verfahren, das sehr empfindlich auf Informationsverlust reagiert. Sie stellten fest, dass verschiedene Zustände unterschiedlich stark in Wechselwirkung mit den Wänden stehen und identifizierten sogar einen bestimmten Zustand, der nahezu unbeeinflusst von den Wänden blieb. Es ist also prinzipiell möglich, Rydbergatome mit Strukturen aus Glas für die Quanteninformationsverarbeitung zu kombinieren.
*) Originalveröffentlichung: Harald Kübler, James P. Shaffer, Thomas Baluktsian, Robert Löw, Tilman Pfau: Coherent excitation of Rydberg atoms in micrometre-sized atomic vapour cells, Preprint-Version: http://arXiv.org/abs/0908.0275. Die Arbeit wurde von der Landesstiftung Baden-Württemberg sowie der Alexander von Humboldt Stiftung unterstützt.
Weitere Informationen bei Prof. Tilman Pfau, 5. Physikalisches Institut, Tel. 0711/685-68025, e-mail: t.pfau@physik.uni-stuttgart.de,

http://www.pi5.uni-stuttgart.de

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Ursula Zitzler idw

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