Proteinimport in Peroxisomen: Bochumer und Osnabrücker Forscher entdecken molekulares Scheunentor

Wenn bekannte Proteintransportkanäle die Eingangstür in Zellorganellen sind, dann verfügen Peroxisomen über ein wahrhaftes Scheunentor. Eine solche Riesenpore, durch die gefaltete, mehrteilige Proteine eingelassen werden können, hatten Prof. Dr. Ralf Erdmann und Dr. Wolfgang Schliebs (Medizinische Fakultät der RUB) schon vor fünf Jahren postuliert.

Jetzt konnten sie sie in Zusammenarbeit mit Biophysikern aus Osnabrück nachweisen. „Wenn man von der Pore des Zellkerns absieht, handelt es sich um die größte jemals beobachtete Proteinimport-Pore“, verdeutlicht Prof. Erdmann.

Dass dieses Tor der Superlative trotzdem jahrzehntelang unentdeckt bliebt, führen die Forscher auf seine rasante Dynamik zurück: Es wird nur ganz kurz geöffnet und schließt sich sofort wieder. Die Forscher berichten in der aktuellen Ausgabe von Nature Cell Biology.

Ein Rätsel: Wie werden Riesenproteine importiert?

Peroxisomen sind Organellen, die in fast allen Zellen vorkommen, und deren Schädigungen fast immer tödlich sind. Sie sind nicht nur von medizinischem Interesse, sondern aufgrund ihrer Fähigkeit, Proteine im gefalteten, sogar oligomerisierten (mehrteiligen) Zustand zu importieren, auch von großem Interesse für die molekulare Zellbiologie. Wie Peroxisomen diese riesigen Proteine importieren, war bislang ein Rätsel. „Besonders rätselhaft war, dass peroxisomale Proteine auf ihrem Weg eine Membran durchqueren, die als undurchlässig auch für die kleinsten chemischen Bausteine gilt“, erklärt Prof. Erdmann.

Nur ein „Scheunentor“ kann Proteinknäuel durchlassen

Proteine müssen vom Entstehungsort bis hin zu ihrem Zielort oftmals Membranen überqueren. Die zugrunde liegenden Mechanismen vieler dieser Transportwege sind weitestgehend bekannt, nicht aber für peroxisomale Proteine. Für den Import in Organellen wie zum Beispiel Mitochondrien werden die Proteine entfaltet und dann schnurartig durch die Membran gefädelt. Erst auf der anderen Seite werden sie dann in ihre fertige, räumliche Struktur gebracht (Abb. 1A). Die Transportkanäle für entfaltete Proteine sind entsprechend klein, als Durchmesser reichen bereits 1 bis 2 Nanometer (nm, entspricht 1/100.000 bis 1/50.000 mm). Die Proteine für Peroxisomen sind um ein Vielfaches größer, da sie nicht entfaltet werden und oftmals aus mehreren Einheiten bestehen. Es konnte gezeigt werden, dass selbst 9 nm große Goldpartikel über die peroxisomale Membran gelangen, ohne diese zu beschädigen. „Würde man die bekannten Transportkanäle als 'Eingangstüren' in ihre Organellen bezeichnen, so würde man für die Peroxisomen eine Pore mit den Dimensionen eines 'Scheunentores' erwarten“, so Prof. Erdmann. Die Bochumer suchten also nach diesem peroxisomalen Scheunentor von Pore. „Dass diese Pore über Jahrzehnte hinweg unentdeckt blieb, liegt wahrscheinlich an der ausgesprochenen Dynamik der ausgeklügelten Importmaschinerie von Peroxisomen, die dazu führt, dass der Eingang nur für kurze Zeit geöffnet und sofort wieder geschlossen wird“, erklärt Prof. Erdmann.

Rezeptor wird Bestandteil des Kanals

Neu hergestellte peroxisomale Proteine werden von Importrezeptoren in der Zellflüssigkeit erkannt und an die peroxisomale Membran dirigiert, wo die Proteine auf bislang unbekannte Weise über die Membran transportiert werden. Der peroxisomale Importrezeptor Pex5p kommt in allen Zellen in zwei Zustandsformen vor: In löslicher Form in der Zellflüssigkeit und in einer integralen membran-gebundenen Form in Peroxisomen. Die Bochumer Gruppe verfolgte die Idee, dass der membrangebundene Rezeptor selbst integrativer Bestandteil eines kurzlebigen Kanals ist, durch den dann das mitgeführte peroxisomale Protein die Membran passieren kann.

Tor in künstlicher Membran öffnet sich weit

Jetzt ist es der Bochumer Arbeitsgruppe gelungen, einen Membranproteinkomplex, der hauptsächlich aus Rezeptor und seinem Dockingprotein besteht, aus peroxisomalen Membranen der Bäckerhefe zu isolieren und in künstliche Membranen (Proteoliposomen) einzubauen. Mit diesen Liposomen wurde am biophysikalischen Institut der Universität Osnabrück unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Richard Wagner die Existenz eines dynamischen wassergefüllten Kanals nachgewiesen. Dieser war allerdings nicht groß genug, um Proteine zu transportieren. Es bedurfte eines Tricks, um die Pore weit zu öffnen: Dazu mussten die Proteoliposomen mit gereinigten löslichen Rezeptorkomplexen aus der Zellflüssigkeit vorinkubiert werden. Dabei zeigte sich, dass der Kanal in Abhängigkeit von der Größe der Rezeptor-Cargo Komplexe sehr schnell seine Öffnungszustände ändern kann (Abbildung 1B). Die größten Öffnungszustände wurden mit über 9 nm Porendurchmesser gemessen.

Titelaufnahme

Michael Meinecke, Christian Cizmowski, Wolfgang Schliebs, Vivien Krüger, Sabrian Beck, Richard Wagner and Ralf Erdmann: The peroxisomal importomer constitutes a large and highly dynamic pore. In: Nat Cell Biol. (2010) 12, 273 – 277. doi:10.1038/ncb2027

Begleitkommentar von Fred D. Mast, Andrei Fagarasanu & Richard Rachubinski : The peroxisomal protein importomer: a bunch of transients with expanding waistlines. In „News and Views“, Nat Cell Biol. (2010) 12, 203 – 205.

Postulat der Riesenpore von 2005: (Nat Rev Mol Cell Biol. 2005 Sep;6(9):738-42)

Weitere Informationen

Prof. Dr. Ralf Erdmann, Abteilung für Systembiochemie, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24943

ralf.erdmann@rub.de

Redaktion: Meike Drießen

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

KI-basierte Software in der Mammographie

Eine neue Software unterstützt Medizinerinnen und Mediziner, Brustkrebs im frühen Stadium zu entdecken. // Die KI-basierte Mammographie steht allen Patientinnen zur Verfügung und erhöht ihre Überlebenschance. Am Universitätsklinikum Carl Gustav…

Mit integriertem Licht zu den Computern der Zukunft

Während Computerchips Jahr für Jahr kleiner und schneller werden, bleibt bisher eine Herausforderung ungelöst: Das Zusammenbringen von Elektronik und Photonik auf einem einzigen Chip. Zwar gibt es Bauteile wie MikroLEDs…

Antibiotika: Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung

Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und…

Partner & Förderer