Pre-POINT-Studie: Insulin-Impfung gegen <br>Diabetes Typ 1

Mehr als 500 Kilometer sind Katharina M. und ihre beiden Kinder Amelie (sechs Jahre) und Nick (vier Jahre) gefahren, um zum Arzt zu gehen – und das, obwohl sie keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung haben. Als Teilnehmer der Pre-POINT-Studie fahren sie einmal im Vierteljahr mit dem Zug von ihrem Heimatort in Nordrhein-Westfalen ins Studienzentrum der Forschergruppe Diabetes nach München.

Die beiden Kinder sind gesund, jedoch haben sie ein hohes Risiko, wie ihr Vater und ihre achtjährige Schwester Leoni einmal an Typ 1 Diabetes zu erkranken. Das wollen die Studienärzte des Helmholtz Zentrums in München nach Möglichkeit verhindern: Sie testen seit drei Jahren bei 16 Kindern aus ganz Deutschland ein Insulin als Impfstoff gegen die Typ 1 Diabetes. Voruntersuchungen in den USA belegen bereits, dass Insulin, als Pulver über den Darm aufgenommen, die Entwicklung dieser Autoimmunerkrankung verzögern, möglicherweise sogar verhindern kann. Das Insulin wirkt hier als Impfstoff, der – anders als beim Spritzen von Insulin – nicht den Blutzuckerspiegel beeinflusst, sondern nur das Immunsystem trainiert. Weltweit soll nun die optimale Dosis und Darreichungsform mit Hilfe von zwei Studien ermittelt werden: Während in der INIT II Studie der Impfstoff über die Nase als Spray inhaliert wird, nehmen die Studienteilnehmer der Pre-POINT-Studie ihn mit der Nahrung auf.

Mit dem Fortschreiten der Pre-POINT-Studie wird die Dosierung des Insulinpulvers gesteigert. Die Forscher analysieren an Hand von Blutproben, ob eine Wirkung eintritt beziehungsweise bei welcher Dosis sich die optimale Wirkung zeigt. Nach einem anfänglichen Screening, bei dem mittels Blutanalyse Risikogene für Diabetes ermittelt werden, werden bei den vierteljährlichen – später halbjährlichen – Nachuntersuchungen Diabetes-Autoantikörper im Blut gemessen. So kann das individuelle Erkrankungsrisiko bei den kleinen Studienteilnehmern bestimmt werden. Je mehr mit Typ 1 Diabetes assoziierte Antikörper im Blut nachweisbar sind, desto größer ist das Risiko zu erkranken. Eine Rolle spielen aber auch die Art der Antikörper, die gebildet werden, sowie bestimmte Gene, die entweder einen Schutz oder ein Risiko für die Stoffwechselerkrankung darstellen können, wie die verschiedenen Ausprägungen des HLA-Genotyps (Human Leukocyte Antigen). Weitere Umweltfaktoren, die einen Einfluss auf die Entstehung von Typ 1 Diabetes haben könnten, sind Hormone, die Gewichtsentwicklung oder die Ernährungsweise.

„Vorher war es so nebulös – jetzt ist es eben sicher“

Wie gehen die Eltern mit der Gewissheit um? „Es ist nicht so, dass ich mir permanent darüber Gedanken mache, ob meine anderen Kinder auch krank werden“, sagt Katharina M. „Aber es gibt Momente, wenn ein Kind gerade mal außergewöhnlich durstig ist, dass man denkt: Ist da was?“ Nach kurzem Nachdenken fügt sie hinzu „Es war schon komisch, schwarz auf weiß zu lesen, dass meine beiden jüngeren Kinder zu der Hochrisikogruppe gehören“, sagt Katharina M. „Vorher war es so nebulös, jetzt ist es eben sicher. Und wir wissen jetzt, dass das Risiko nicht allein zu der Erkrankung führt. Es müssen mehrere Faktoren zusammenkommen.“

Familie M. ist nun gewappnet, so dass mit Hilfe der engmaschigen Untersuchungen für die Studie eine mögliche Entstehung von Typ 1 Diabetes frühzeitig, also noch vor Auftreten der ersten klinischen Symptome, erkannt und rechtzeitig therapiert werden könnte. So können lebensgefährliche Stoffwechselentgleisungen wie die Ketoazidose eher verhindert und Langzeitschäden, die mit einem schlecht eingestellten Blutzuckerspiegel einhergehen, weitgehend vermieden werden. Auswertungen anderer Diabetes-Studien des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum in München belegen dies. Sie haben außerdem ergeben, dass diejenigen Kinder, die an den Studien teilnahmen, beim Ausbruch der Erkrankung eine kürzere Zeit im Krankenhaus verbringen mussten, als Kinder, bei denen das Erkrankungsrisiko vorher nicht getestet worden war.

Bei der ältesten Tochter Leoni hatte die Familie zwar bereits mit einer möglichen Erkrankung gerechnet, da Vater Eckhard Typ 1 Diabetiker ist, aber die ersten Symptome kamen bei Leoni im Alter von drei Jahren dann doch überraschend: „Im Urlaub kurz vor Weihnachten ist mir aufgefallen, dass Leoni an einem Abend in einem Zug einen ganzen Becher weggetrunken hat“, erinnert sich die Mutter. „Das war sehr untypisch für sie. Erst dachte ich, sie hat jetzt verstanden, dass sie mehr trinken muss. Ich habe irgendwie gespürt, dass etwas nicht stimmt, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Wir haben den Blutzucker dann doch mal kontrolliert – und er war nicht mehr messbar – die Geräte gehen ja nur bis 500 – da denkt man: Messfehler! Am nächsten Morgen nach dem Frühstück haben wir wieder gemessen: Der Wert war wieder nicht messbar. Also haben wir unseren Urlaub abgebrochen und haben Weihnachten und Silvester in der Kinderklinik verbracht.“

Nun möchte die Familie besser vorbereitet sein. Die weite Anfahrt zum Studienzentrum nimmt sie gerne in Kauf: „Nick fragt schon immer, 'Mama, wann fahr’n wir wieder ICE?‘“, sagt Mutter Katharina. Nach ihrer Motivation befragt, antwortet sie. „Mit relativ geringem Aufwand hoffen wir, die Forschung weiterbringen zu können. Es ist für die Kinder minimalinvasiv, und wenn man damit ihnen und letztendlich anderen Kindern helfen kann, dann ist es uns das wert.“

Die Pre-POINT-Studie läuft seit dem Jahr 2009. Bislang ist keiner der Studienteilnehmer erkrankt. Nebenwirkungen traten keine auf. Die Teilnahme ist kostenlos, Fahrtkosten werden ersetzt.

Es werden zurzeit noch weitere Teilnehmer aufgenommen. Teilnehmen können Kinder zwischen 18 Monaten und sieben Jahren, die ein Geschwisterkind oder zwei enge Verwandte (Vater, Mutter oder Geschwister) mit Typ 1 Diabetes haben.

Interessenten wenden sich bitte unverbindlich an:

Forschergruppe Diabetes der TU München
Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler
Kölner Platz 1
80804 München
Tel.: 0800 8 28 48 68 (kostenlose Hotline)
E-Mail: prevent.diabetes@lrz.uni-muenchen.de

Pressekontakt:
Claudia Pecher
Tel.: 089/3187-2547
claudia.pecher@helmholtz-muenchen.de

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Cordula Falk idw

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