Plötzlicher Herztod in Deutschland erstmals systematisch untersucht

Die große Mehrzahl der vom plötzlichen Herztod Betroffenen verstirbt ohne klar erkennbare Warnhinweise. Scheinbar ohne Anlass hört das Herz auf zu schlagen. In 80 Prozent der Fälle sind Herzrhythmusstörungen im Rahmen eines unvorhersehbaren Herzinfarktes der Grund.

Andere Ursachen sind Herzrhythmusstörungen im Rahmen von Herzmuskelerkrankungen und angeborene Herzkrankheiten. In nur ca. 13 Prozent sind echte Risikopatienten betroffen, also Menschen, die bereits einen Herzinfarkt hatten, der zu einer deutlichen Herzmuskelschwäche geführt hat oder die eine andere bekannte Herzerkrankung haben, die somit nach den aktuellen Leitlinien prophylaktisch mit einem implantierbaren Defibrillator versorgt werden sollten.

Ein Drittel ist jünger als 65

Für Deutschland gab es bislang nur Schätzungen, wie viele Menschen am plötzlichen Herztod sterben. Die DZHK-Forscher konnten mit ihrer Untersuchung in Niedersachsen über einen Beobachtungszeitraum von 8 Jahren nun eine gesicherte Zahl von 81 Todesfällen pro 100.000 Einwohner und Jahr ermitteln. Auf ganz Deutschland bezogen sind das etwa 65.000 Fälle und damit etwa 20 Prozent aller Herz-Kreislauf-Toten. Bemerkenswert ist das Auftreten des plötzlichen Herztodes im Alter bis 65 Jahre. 34 Prozent der Todesfälle traten in dieser Altersklasse auf.

„Der plötzliche Herztod verursacht viel Leid und ist leider kein seltenes Ereignis. Wir können ihm bislang aber kaum vorbeugen, weil wir nicht wissen, wen es treffen wird“, sagt Prof. Stefan Kääb, Kardiologe am Universitätsklinikum München und Mitarbeiter am DZHK. Um vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln, muss man zunächst wissen, wer betroffen ist, wie die Todesumstände waren und welche familiären Belastungen vorlagen. Genau hier liegt das Problem: Etwas systematisch zu erfassen, das unerwartet auftritt, ist naturgemäß schwierig, wenn nicht unmöglich.

Kääb und seine Kollegen wählten deshalb einen rückblickenden Ansatz. Hierbei kam ihnen das Notfallmedizinsystem einer Gegend in Niedersachsen zu Hilfe. Die Region rund um die Kleinstadt Aurich hat eine zentrale Rettungsleitstelle und zwei Krankenhäuer, in die kardiologische Notfallpatienten routinemäßig eingeliefert werden. So lagen den Forschern einheitliche Daten von rund 230.000 Patienteneinsätzen aus acht Jahren vor.

Um eine hohe Diagnose-Genauigkeit zu erzielen, werteten die DZHK-Wissenschaftler nur jene Fälle aus, bei denen der todbringende Herzstillstand innerhalb von einer Stunde nach dem Auftreten von Symptomen eintrat und zuvor Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt worden waren. Betroffene, die bereits vor Eintreffen des Notarztes starben, wurde nicht einbezogen. Die tatsächliche Zahl der Menschen mit plötzlichem Herztod liegt daher in jedem Fall etwas höher.

Routine-Kontrollen beim Hausarzt empfehlenswert

Die Zahl der so ermittelten Todesfälle blieb über die acht Jahre annähernd konstant. Dies unterstreiche vor allem die Schwierigkeit, präsymptomatische Risikopatienten zu erkennen und so dem plötzlichen Herztod vorzubeugen, so Kääb. Denn die Behandlung von akutem Herzinfarkt und kardiovaskulären Erkrankungen im Allgemeinen habe sich in diesem Zeitraum verbessert. „Patienten“ mit plötzlichem Herztod könnten davon jedoch nicht profitieren, weil sie nicht als Risikopatienten erkannt würden.

„Wenn man bedenkt, dass die häufigste Ursache des plötzlichen Herztodes der Herzinfarkt ist, muss man die Bevölkerung sensibilisieren. Auch wer nicht erkennbar krank ist, sollte sich regelmäßig untersuchen lassen und alles tun, um Risikofaktoren klein zu halten“, sagt der Kardiologe. Die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselerkrankung, Rauchen sowie das familiäre Risiko. Letzteres kann vor allem für Herzinfarkt mit Folge des plötzlichen Herztodes bestehen.

Die Verringerung von kardiovaskulären Risikofaktoren könne also aus epidemiologischer Sicht am effektivsten die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes reduzieren, so Kääb. Zusätzlich seien zahlreiche Forscher dabei, weitere Untersuchungsmethoden zu etablieren, die z. B. mit spezifischen EKG-Signalen helfen können, zusätzliche Risikopatienten zuverlässig zu erkennen.

Originalarbeit: Europace (2014) doi: 10.1093/europace/euu153

Kontakt:
Prof. Dr. med. Stefan Kääb, Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik I, Ziemssenstr. 1, 80336 München
Tel. 49 89 4400 52381; stefan.kaab@med.uni-muenchen.de

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Christine Vollgraf idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.dzhk.de

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