„Pinien-Aroma“ gegen Käferinvasion

Pinien und rote Ameisen haben etwas gemeinsam: Beide sondern Alkaloide ab, die Feinde vertreiben. Diese Biowirkstoffe werden in der Industrie ob ihrer Umweltfreundlichkeit und Unbedenklichkeit immer gefragter.

Das Problem ist, dass sie in natürlicher Form nur in winzigen Mengen vorhanden sind. Die chemische Synthese wiederum ist kompliziert und aufwändig. ForscherInnen im Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und an der Universität Graz um Prof. Wolfgang Kroutil haben nun eine neue Schlüsseltechnologie entwickelt, eine viel versprechende Alkaloid-Sorte viel einfacher herzustellen.

So auffällig der fast eineinhalb Zentimeter große Fichtenrüsselkäfer ist, so schädlich kann er sein. Die Insekten, die sich bei der geringsten Erschütterung sicherheitshalber tot stellen, ernähren sich am liebsten von jungen Fichten oder Kiefern, in deren Stämme sie ihre Eier platzieren. Treten sie in großer Zahl auf, können die Krabbeltiere großen Schaden anrichten, weil die befallenen Bäume durchwegs zum Tod verurteilt sind. „In Nordeuropa ist das durchaus ein echtes Problem“, sagt Prof. Kroutil von der Universität Graz.
Ein Gegenmittel sind natürliche Alkaloide, mit denen sich der Käfer auf biologische Art vertreiben lässt. Die Funktion ähnelt der Markierung von Raubtierrevieren: Stößt ein Neuling auf einen Markierungsduft, weiß er, dass da schon jemand ist und man besser einen großen Bogen macht. Eines dieser Alkaloide heißt „Dihydropinidin“ und gehört zur Substanzklasse der 2,6-Dialkylpiperidine. Die Substanz hat einen großen Nachteil: In natürlicher Form ist sie nur in winzigen Mengen in Piniengewächsen vorhanden. Und in größeren Mengen war die Herstellung bis jetzt so gut wie nicht möglich, weil dafür bis zu 14 sehr aufwändige, chemische Syntheseschritte notwendig sind.

Eine acib-Forschungsgruppe um Prof. Kroutil hat an der Universität Graz einen neuen Zugang zu dieser Substanzklasse gefunden. „Das Problem bei vielen Synthesen ist, dass man bestimmte Stellen des Ausgangsmoleküls schützen muss, damit die gewünschte Reaktion nur an einer bestimmten Position erfolgt“, erklärt der Forscher. Macht man das nicht, ist das Ergebnis eine unbrauchbare Verbindung. Für ChemikerInnen heißt das: Schutzgruppe anhängen, Reaktion durchführen, Schutzgruppe entfernen, neue Schutzgruppe an anderer Position anhängen, Reaktion durchführen und Schutzgruppe abspalten und so weiter – bis die gewünschte Substanz letztendlich synthetisiert ist.

Die acib-ForscherInnen haben ein Enzym gefunden, welches den Syntheseweg von bis zu 14 Schritten auf nur drei Reaktionsschritte verkürzt. Der erste und letzte Syntheseschritt bleibt „chemisch“, der zentrale wird von einer hoch spezifischen „Omega-Transaminase“ vollzogen. Das Enzym stellt das gewünschte Produkt ohne der beim chemischen Weg auftretenden Nebenprodukte her. Das erspart Energie und Zeit und verringert den Einsatz wenig umweltfreundlicher organsicher Lösungsmittel. Damit gibt es nicht nur einen Fortschritt im Kampf gegen den Käfer, es eröffnen sich neue Möglichkeiten bei der Herstellung von biologisch hoch wirksamen Alkaloiden.

Mit Hilfe der neuen Synthesetechnik kann die chemische Industrie weitere, der Natur abgeschaute, umweltfreundliche Mittel gegen Schädlinge auf Basis von Dialkylpiperidin synthetisieren, erklärt der Forscher.

azu gehören „Anti-Fraßmittel“ wie jenes gegen den Fichtenrüsselkäfer ebenso wie solche gegen Bakterien (Bakterizide) oder Pilze (Fungizide), die nun in kommerziellem Maßstab erzeugt werden können. Eben erst wurde das Verfahren zum Herstellen von „Isosolenopsin“ angepasst. Die Substanz ist ein Alkaloid, das von roten Ameisen zum Schutz abgesondert wird. Für die Anwendung ist sie interessant, weil sie antibakterielle Eigenschaften hat. Darüber hinaus wirkt sie anti-hämolytisch (verhindert die Zerstörung von roten Blutkörperchen) oder anti-nekrotisch (hilft gegen das Absterben von Gewebe).

Wie wichtig das neue, im acib-Verbund entwickelte Synthesekonzept ist, zeigt die Veröffentlichung in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Angewandte Chemie“. Entwickelt wurde es in einem Forschungsprojekt mit Sandoz.

Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma). Als Österreichs Kompetenzzentrum für industrielle Biotechnologie mit Standorten in Graz, Innsbruck, Tulln und Wien und verstehen wir uns als Partnerschaft von 10+ Universitäten und 30+ Unternehmen, darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, F. Hoffmann-LaRoche, Novartis, VTU Technology oder Sigma Aldrich. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research.

Beim acib forschen und arbeiten rund 170 Beschäftigte an mehr als 40 Forschungsprojekten. Das Budget bis 31.12. 2014 macht ca. 60 Mio. Euro aus. Öffentliche Fördermittel (58% des Budgets) bekommt das acib von der Forschungsförderungsgesellschaft der Republik Österreich (FFG), der Standortagentur Tirol, der Steirischen Wirtschaftsförderung (SFG) und der Technologieagentur der Stadt Wien (ZIT).

Das Kompetenzzentrum acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology – wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFJ sowie die Länder Steiermark, Wien und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.

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Thomas Stanzer idw

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