Perpetuum mobile im Meer – Wie sich der Ozean im Zeitalter der Kreide selbst düngte

Anhand von 90 Millionen Jahre alten Ablagerungen aus dem tropischen Atlantik, die während einer Expedition im Rahmen des Ozeanbohr-Programms ODP gewonnen wurden, konnten sie ein perpetuum mobile im Meer nachweisen: Dabei fungiert sauerstofffreies, schwefelwasserstoffhaltiges Meerwasser als Motor für einen Prozess, bei dem die lebenswichtigen Nährstoffe Phosphor und Eisen recycelt werden.

Die von einer Forschergruppe um Christian März untersuchten Meeresablagerungen wurden im Rahmen des Ozean-Bohrprogramms ODP in 1.900 Metern Wassertiefe erbohrt und stammen aus der Kreidezeit. Es handelt sich um 90 Millionen Jahre alte Schwarzschiefer, die viel organisches Material, d.h. Pflanzen- und Tierreste enthalten. Zu jener Zeit lag die Bohrlokation in der Nähe des Äquators im damals noch fast vollständig von Landmassen umschlossenen Atlantik.

Im Rahmen ihrer Publikation nahmen die Forscher vor allem die Wechselwirkungen zwischen den Elementen Phosphor und Eisen unter die Lupe. Dabei interessierten sie sich insbesondere für die Dynamik geochemischer Umwandlungsprozesse im kreidezeitlichen Meer, die sie mit großer zeitlicher Genauigkeit nachzeichnen konnten: In ihrem Artikel beschreibt die Autorengruppe einen mehrphasigen geochemischen Prozess, der sich während der Kreidezeit in diesem Teil des tropischen Atlantiks abspielte:

Phase 1: In der Untersuchungsregion sinken große Mengen abgestorbener Tier- und Pflanzenteile aus oberen Meeresschichten zum Ozeanboden. Sie werden von Mikroorganismen zersetzt. Dabei wird Sauerstoff verbraucht. Die Folge: Der Sauerstoffgehalt im unteren Stockwerk des Ozeanbeckens geht auf Null zurück. Da die Untersuchungsregion zudem ein weitgehend abgeschottetes Meeresbecken ist und kaum Nachschub an frischem Meerwasser erhält, reichert sich das unterste Stockwerk des vorzeitlichen Meeresbeckens mit giftigem Schwefelwasserstoff an.

Phase 2: Weil das Meerwasser sauerstofffrei und mit Schwefelwasserstoff angereichert ist, werden große Mengen des wichtigen Nährstoffes Phosphor aus den oberen Sedimentschichten freigesetzt und gelangen zurück ins Meerwasser – auch in die oberen, lichtdurchfluteten Ozeanstockwerke. Dort stehen sie erneut Organismen zur Verfügung, die wiederum die Ablagerung organischer Substanz verstärken – eine positive Rückkopplung also.

Phase 3: In Abständen von etwa 120.000 Jahren strömt frisches, sauerstoffhaltiges Oberflächenwasser aus dem Südatlantik in das Ozeanbecken ein. Ursache dafür sind möglicherweise zyklische Veränderungen in der Erdumlaufbahn. Durch den Wasserzustrom werden die schwefelwasserstoffreichen Bedingungen am Meeresboden beendet. Zudem werden Eisenoxid-Minerale ausgefällt, an denen sich Phosphor bevorzugt anlagert. Die „Eisen-Phosphor“-Partikel sinken zum Ozeangrund ab und werden in das Sediment eingebettet.

Phase 4:. Wenn der Wasserzustrom aus dem Südatlantik abreißt, gewinnt der Schwefelwasserstoff in den tieferen Wasserschichten wieder die Oberhand: Der Kreislauf der Elemente geht in eine neue Runde und das „Recycling“ von Phosphor aus dem Meeresboden setzt nach etwa 120.000 Jahren von neuem ein.

Der Kreislauf, den die Forscher um Christian März aus den Millionen Jahre alten Schwarzschiefern herauslesen konnten, ist auch für den heutigen Ozean von Belang. „Es ist erwiesen, dass sich infolge des globalen Klimawandels in vielen Teilen der Weltmeere sauerstofffreie Bereiche ausweiten, die dem kreidezeitlichen Atlantik ähneln“, bilanziert Christian März: „Möglicherweise liegt einer der Schlüssel zum Verständnis zukünftiger Prozesse also in den uralten Meeresablagerungen verborgen.“

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Albert Gerdes
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