Perlmutt, aufgemotzt

Perlmutt "plus": Synthetische Nanoplättchen mit zusätzlich eingebauten Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Polymermolekülen bergen vielfältige Einsatzmöglichkeiten. (c) Wiley-VCH

Perlmutt hat hochinteressante optische und mechanische Eigenschaften, ist aber für die industrielle Herstellung von Materialien ungeeignet. Nanokomposite mit Perlmuttstruktur kann man herstellen, aber es ist sehr schwierig, die gewünschten Eigenschaften einzustellen.

Wissenschaftler in Aachen stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie synthetische Nanokomposite vor, die wie Perlmutt aus angeordneten Nanoplättchen mit umgebender weicher Polymerphase bestehen, aber durch zusätzliche eingebaute Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Polymermolekülen ungeahnte Fähigkeiten einschließlich der Möglichkeit zur Selbstheilung erhalten.

Natürliches Perlmutt hat eine hochgeordnete Struktur aus Nanoplättchen, die in einer Matrix aus verschiedenen Biopolymeren eingebettet sind. Die regelmäßige Anordnung der Lagen sorgt für das typische, seit jeher für Schmuckzwecke genutzte Schimmern und ebenfalls für gute mechanische Eigenschaften, die aber noch keine größere technische Anwendung finden.

Andreas Walther und sein Team am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien, in Kooperation mit dem KIT in Karlsruhe, entwickeln Nanokomposite mit Perlmuttstruktur, deren laminierende Polymerphase aus einem Polymer mit niedrigem Molekulargewicht und geringer Glasübergangstemperatur besteht. Durch molekulares Engineering polymerisieren sie ein zusätzliches supramolekulares Bindungsmotiv ein. Kombiniert mit synthetischen Schichtsilikaten kann dieses Material durch Selbstassemblierung einen hochtransparenten, steifen, aber auch sehr bruchfesten Film ausbilden.

Das Motiv der supramolekularen Bindungen besteht aus einer Ureidopyrimidinon-Einheit (UPy). Diese Motive bilden, ähnlich wie die Nukleobasen in der DNA, über Wasserstoffbrückenbindungen Dimere und erhöhen somit durch die Verbrückung verschiedener Polymermoleküle die Festigkeit des Verbunds. „Durch die Art und Anzahl der Wasserstoffbrücken können wir erstmals festlegen, wie der Übergang zwischen elastischer und plastischer Deformation abläuft“, erklärt Walther, Korrespondenzautor der Studie.

„Anders als bei den kovalenten Bindungen stabilisieren die supramolekularen Bindungen zunächst gegen Deformation (verbessern die Steifigkeit), aber ab einer bestimmten Spannung können die Bindungen aufgehen und die Bruchenergie durch eine Haft-Rutschbewegung sowie durch Gleiten der Plättchen gegeneinander ableiten“.

Durch diese „Opferung“ von Bindungen ist es möglich, die Eigenschaften des Materials sowohl auf Nano-, Mikro- als auch Makroebene genau einzustellen. Je nach Anteil des UPy-Motivs und somit supramolekularer Vernetzung der Polymere ist das Material entweder sehr steif und fest, oder es ist gleichzeitig steif und sehr zäh, was mit herkömmlichen Methoden nicht einfach erreicht werden kann, wie die Autoren betonen. So zeigte der Nanokompositfilm bei 13% Upy-Anteil ein Bruchverhalten, „das klar an das von hoch verstärkten biologischen Materialien erinnert“, schreiben die Autoren.

Weil die Filme außerdem dicht gegenüber Gasen sind, eröffnen sich zahlreiche neue und interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Perlmutt-Mimetika. Walther ist überzeugt: „Die Materialen sind nicht nur als mechanisch robuste Nanokomposite interessant, sondern können wegen ihrer multifunktionalen Eigenschaften auch anderweitig eingesetzt werden wie als volltransparente Sauerstoffbarriere zur Verkapselung von organischer Elektronik oder als halogen- und schwermetallfreier Flammschutz“.

Angewandte Chemie: Presseinfo 24/2015

Autor: Andreas Walther, DWI – Leibniz-Institute für Interaktive Materialien, Aachen (Germany), http://www.dwi.rwth-aachen.de/index.php?id=782

Permalink to the original article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201502323

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

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Dr. Renate Hoer GDCh

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