Online-Computerspiele verändern das Gehirn

Die Abbildung zeigt verschiedene Kartogramme zum Volumen-Vergleich der grauen Masse (GMV) im orbitofrontalen Kortex (OFC) sowie ein Korrelationsdiagramm.

So konnten die Wissenschaftler in einer prospektiven Studie zeigen, dass bereits eine Stunde tägliches Spielen des beliebten Online-Spiels „World of Warcraft“ (WoW) zu einer Abnahme des Hirnvolumens im orbitofrontalen Kortex führt – mit negativen Auswirkungen auf Emotionsregulation und Entscheidungsfindung.

Durchgeführt wurde die, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte, Studie von Christian Montag zusammen mit Professor Benjamin Becker, Leiter der neuSCAN Forschungsgruppe an der University of Electronic Science and Technology im chinesischen Chengdu.

Für die Längsschnittstudie mit 119 Teilnehmern wurden verschiedene Untersuchungsgruppen gebildet. Darunter waren zum einen 41 Spieler mit ausgeprägter „Gaming-Erfahrung“ ebenso wie 78 sogenannte „Game-Neulinge“, ohne nennenswerte Internet- oder Online-Spiel-Vorkenntnissen.

Die Neulinge wurden für die Studie wiederum in zwei Gruppen eingeteilt: eine davon sollte sechs Wochen lang täglich mindestens eine Stunde WoW spielen, die anderen bildete eine Kontrollgruppe und spielte in dieser Zeit nicht. Um mögliche Effekte auf die Hirnstruktur festzustellen, wurde zu Beginn und zum Ende dieser Periode ein struktureller Magnetresonanztomografie-(MRT)-Scan durchgeführt.

Die Ergebnisse zeigen, dass es während des Untersuchungszeitraums in der Gruppe der Spieler zu einer Abnahme der grauen Substanz im orbitofrontalen Kortex (OFC) kam. Dieser Bereich im Frontallappen des menschlichen Gehirns ist insbesondere zuständig für die Kontrolle von Emotionen und Entscheidungen. Für die Forscher deuten diese Erkenntnisse auf neuroplastische Prozesse hin. „Unser Gehirn hat die Fähigkeit, sich durch Lernprozesse zu verändern.

So zeigten bereits frühere Studien, dass das Erlernen eines Musikinstrumentes Einfluss auf Hirnareale nimmt, in denen beispielsweise die Motorik der Hände gesteuert wird. Wir konnten nun zeigen, dass Computerspielen von WoW mit einer Reduktion des Hirnvolumens im orbitofrontalen Kortex assoziiert ist“, erklärt Christian Montag.

„Die beobachtete Reduktion könnte mit einer schlechteren Emotionsregulation und Entscheidungsfindung einhergehen. Besorgniserregend ist, dass sich die hirnstrukturellen Veränderungen bereits nach sechs Wochen nachweisen ließen“, so der Psychologe weiter.

Bereits zu Studienbeginn wurde mittels eines MRT-Scan der orbitofrontale Kortex von Neulingen und „Langzeit-WoW-Spielern“ verglichen. Bei den erfahrenen Spielern zeigte sich ein geringeres Volumen, das mit höheren Suchttendenzen einherging. Die Wissenschaftler standen vor der Frage, ob dieses reduzierte Hirnvolumen im OFC eine Folge oder eine Voraussetzung für Computerspielabhängigkeit oder Internetsucht sind. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass reduzierte OFC-Volumen tatsächlich eine Folge von Internet Gaming darstellen können“, fassen die Forscher die Ergebnisse zusammen.

Für das Spiel „World of Warcraft“ entschieden sich die Forscher vor allem wegen der großen Verbreitung und des hohen Bekanntheitsgrades. „Außerdem wird dieses Fantasy-Spiel bei Kritikern als besonders relevant im Hinblick auf Computerspielsucht gehandelt. Wir wollten in unserer Studie beispielhaft zeigen, dass Internet-Gaming tatsächlich Spuren im Gehirn hinterlassen kann. Möglicherweise wären bei anderen Spielen ähnliche Beobachtungen zu machen. Dies müsste allerdings noch getestet werden“, so Christian Montag.

Info:

World of Warcraft (WoW) ist ein Fantasy Online-Rollen-Computerspiel der Herstellerfirma Blizzard Entertainment aus den USA und gehört zu den Massively Mulitplayer Online Role-Playing Games (MMORPG) zu Deutsch: Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel. Seit der Einführung im Jahr 2004 wurden verschiedene Erweiterungen veröffentlicht, die das Spiel zu einem der populärsten und weitverbreitetsten Online-Games machten; weltweit wird WoW von rund 5,5 Millionen Menschen gespielt (Stand 2015). Auch in der E-Sports-Szene gibt es eine eigene Liga.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Christian Montag, christian.montag@uni-ulm.de, Tel: 0731-50-26550
Prof. Dr. Benjamin Becker, ben_becker@gmx.de

Zhou F, Montag C, Sariyska R, Lachmann B, Reuter M, Weber B, Trautner P, Kendrick K, Markett S & Becker B: Orbitofrontal gray matter deficits as marker of Internet gaming disorder: converging evidence from a cross-sectional and prospective longitudinal design; Addiction Biology, 23 October 2017, doi:10.1111/adb.12570

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Daniela Stang idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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