NEEM-Eiskernbohrung in Grönland erreicht Felsbett

Am Dienstag, den 27. Juli 2010 hat die Eiskerntiefbohrung NEEM (North Greenland Eemian Ice drilling) auf dem grönländischen Eisschild das Felsbett in einer Tiefe von 2537,36 Metern erreicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 14 Ländern sind am NEEM-Projekt beteiligt.

Es ist das Eiskernbohrprojekt mit der bisher größten internationalen Beteiligung. Ein großes Ziel bestand darin, erstmals grönländisches Eis aus der kompletten letzten Warmzeit zu erbohren, dem Eem-Erdzeitalter, das von etwa 130.000 bis 115.000 Jahren vor heute dauerte. Dies ist dem internationalen Forscherteam jetzt nach fünf Jahren Projektlaufzeit gelungen. Sie konnten darüber hinaus sogar Material der davor liegenden Eiszeit bergen. In den beiden untersten Metern direkt über dem Felsbett enthielt der Eiskern Gesteins- und anderes Material aus einer Zeit, in der Grönland eisfrei war.

„Wir erwarten, dass sowohl genetisches Material als auch Pollen im Eis zu finden sind und uns mehr über die Pflanzen erzählen, die auf Grönland vor vielleicht mehr als drei Millionen Jahren lebten, bevor Grönland vereiste“, erläutert die Projektleiterin Prof. Dorthe Dahl-Jensen vom Niels-Bohr-Institut an der Universität Kopenhagen. „Das Eem ist deshalb so bedeutsam, da es zu der Zeit drei bis fünf Grad Celsius wärmer war als heute. Der Meeresspiegel lag damals fünf Meter höher. Daher erlaubt die Eem-Warmzeit den besten Vergleich mit möglichen zukünftigen Klimazuständen“, berichtet Prof. Dr. Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, der die deutsche Beteiligung am Projekt koordiniert.

Mehr als 300 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben in den letzten Jahren im NEEM-Camp gearbeitet, insbesondere auch viele junge Nachwuchswissenschaftler. Sie untersuchen schnelle Klimaschwankungen mit Hilfe modernster Techniken. So werden aus den stabilen Isotopen in Wassermolekülen die Temperaturänderungen und die Feuchtigkeitsquellen vergangener Zeiten abgeleitet. Die in den Luftbläschen im Eis eingeschlossenen Treibhausgase und biologischen Spurenstoffe lassen uns die natürliche Variabilität und Rückkopplungsprozesse im Kohlenstoffkreislauf besser verstehen. Mittels spezieller und entlang des Eiskerns kontinuierlicher Analyseverfahren lösen die Wissenschaftler sogar Jahresschwankungen im Klima auf.

Die Messungen und Analysen erfolgen vor Ort in einem Tunnel sechs Meter unter der Schneeoberfläche. Er gehört zum NEEM-Camp, einem der am schwersten zugänglichen Orte auf dem grönländischen Inlandeis. Neueste Laserinstrumente für die Bestimmung der Wasserisotope und Treibhausgase, die kontinuierliche Schmelzwasseranalyse von gleichzeitig mehr als zehn Spurenstoffen und modernste Geräte zur Untersuchung der Eiskristalle zählen zu den eindrucksvollsten Geräten.

Hauptziel des NEEM-Projektes ist es, mehr über die Eem-Warmzeit zu lernen, die in vielerlei Hinsicht dem wärmeren Klima gleicht, das uns in naher Zukunft erwartet. Der Blick in die Vergangenheit gibt Antworten auf grundlegende Fragen, die auch für unser künftiges Klima von größter Bedeutung sind:

– Wie groß war die grönländische Eiskappe vor 120.000 Jahren, als die globale Temperatur zwei bis drei Grad über der heutigen lag?
– Wie viel trug das Abschmelzen der grönländischen Eiskappe zum Anstieg des Meeresspiegels bei?

– Wie schnell erfolgte der Meeresspiegelanstieg?

„Die Ergebnisse von NEEM tragen zukünftig dazu bei, Klimaprognosen zu verbessern, vor allem aber unsere Vorhersagen über die Geschwindigkeit und die Höhe des Meeresspiegelanstiegs einzugrenzen“, betont Miller die Bedeutung des NEEM-Projekts.

Die Fortschritte im NEEM-Bohrcamp sind im Tagebuch auf folgender Webseite http://www.neem.ku.dk zu verfolgen, wo auch Fotos vom Camp zu finden sind.

Beteiligte Institutionen: University of Copenhagen (Dänemark); University of Boulder (USA); Université Libre de Bruxelles (Belgien); Geological Survey of Canada (Kanada); Chinese Academy of Sciences (China); LSCE (Frankreich); Alfred-Wegener-Institut (Deutschland); University of Iceland (Island); National Institute of Polar Research (Japan); Korea Polar Research Institute (Korea); Utrecht University (Niederlande); University Bern (Schweiz); Stockholm University (Schweden); British Antarctic Survey (Großbritannien).

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der sechzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

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Margarete Pauls idw

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