Mosaik-MRSA vereint mehrere klinisch relevante Resistenzen

Die Wissenschaftlerin Sindy Burgold-Voigt (Leibniz-IPHT) präpariert eine Bakterienkultur im Labor des InfectoGnostics Forschungscampus Jena.
Foto: Christian Döring / InfectoGnostics

… und nutzt Phagen für die Weitergabe seiner Gene.

InfectoGnostics-Forscher des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena haben einen neuen Bakterienstamm charakterisiert, der genetische Eigenschaften von mehreren Stämmen vereint. Der Erreger zählt zu den Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) und enthält ein weiteres, spezielles Resistenzgen, welches über Bakteriophagen – Viren, die Bakterien abtöten – mobilisiert und verbreitet werden kann. Die Ergebnisse der Analyse wurden im November 2021 im Fachjournal „Frontiers in Genetics“ (DOI: 10.3389/fgene.2021.723958) publiziert.

Beim Screening eines schwerkranken Patienten wurde im Jahr 2014 in Regensburg ein Bakterienstamm isoliert, der durch ungewöhnliche genetische Eigenschaften auffiel und keinem bereits bekannten MRSA-Stamm zugeordnet werden konnte. Forscher der Abteilung „Optisch-Molekulare Diagnostik und Systemtechnologie“ am Leibniz-IPHT in Jena konnten kürzlich durch eine Charakterisierung des auffälligen Stamms zeigen, dass Mischformen aus unterschiedlichen Bakterienstämmen häufiger vorkommen könnten als bislang angenommen und auch Bakteriophagen eine Rolle bei der Weitergabe von Resistenzgenen spielen.

Resistenz gegen wichtiges Antibiotikum

„Wir haben den Erreger komplett sequenziert und dabei herausgefunden, dass sich ein ungewöhnlich großer Genabschnitt eines speziellen Staphylococcus aureus Stammes direkt in das Genom eines anderen geschoben hat. Dadurch ist eine Art ‚genetisches Mosaik‘ entstanden, das sowohl krankheitsauslösende Faktoren als auch mehrere Resistenzgene in einem MRSA-Stamm vereint“, erläutert die Hauptautorin der Arbeit, Sindy Burgold-Voigt, Doktorandin am Leibniz-IPHT. Ein solches „Mosaik-Genom“ ist nach Einschätzung der Wissenschaftler bei Bakterien der Art S. aureus durchaus ungewöhnlich, wie die Doktorandin weiter ausführt: „Das Kerngenom von Staphylokokken wurde bislang als sehr konstant und beständig gegenüber Änderungen angesehen. Ein riesiger DNA-Einschub, der wie hier fast ein Drittel des gesamten Erbmaterials ausmacht, war zuvor unbekannt.“

Der neu eingefügte Genabschnitt bringt eine sogenannte „Genkassette“ mit, welche auch die für MRSA typischen Antibiotikaresistenzen vermittelt. Doch auch der Teil, der das „Grundgerüst“ des Mosaik-Stamms bildet, verfügt seinerseits über ein zusätzliches Resistenzgen namens dfrG, welches ihn resistent gegen das Antibiotikum Trimethoprim macht. Dieser Wirkstoff wird von der Weltgesundheitsorganisation als „essentielles Medikament“ eingestuft und insbesondere bei Blasenentzündungen oder zur Behandlung spezieller Lungenentzündungen bei AIDS-Patienten eingesetzt.

Phagen können Resistenzgene zwischen Bakterienstämmen verbreiten

Eine besondere Rolle bei der Verbreitung solcher Resistenzgene könnten Bakteriophagen spielen: Das sind Viren, die gezielt Bakterien angreifen, sich mit und in den Bakterien vermehren und am Ende entweder das Bakterium zerstören oder sich in dessen Erbinformation festsetzen. Dabei schleusen Phagen ihr Erbgut zuvor als sogenannte „Prophagen“ in die bakterielle DNA ein.

Eine solche Weitergabe bakterieller Gene über Phagen war bislang ein eher selten beobachteter Mechanismus, wie Sindy Burgold-Voigt erklärt: „Bisher stand meist der Gentransfer über mobile genetische Elemente wie Plasmide und Transposons im Fokus der Infektionsforschung. Bei dem analysierten MRSA-Stamm befand sich nun jedoch ein klinisch hoch-relevantes Resistenzgen auf einem Prophagen. Da Bakteriophagen grundsätzlich auch Gene aus angrenzenden oder ferner-liegenden Abschnitten im Bakterien-Genom in ihrer Proteinhülle verpacken können, trägt wohl auch dieser Mechanismus generell zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen bei.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Sindy Burgold-Voigt: sindy.burgold-voigt@leibniz-ipht.de

Originalpublikation:

Burgold-Voigt S, Monecke S, Simbeck A, Holzmann T, Kieninger B, Liebler-Tenorio EM, Braun SD, Collatz M, Diezel C, Müller E, Schneider-Brachert W and Ehricht R (2021) Characterisation and Molecular Analysis of an Unusual Chimeric Methicillin Resistant Staphylococcus Aureus Strain and its Bacteriophages. Front. Genet. 12:723958.

DOI: https://doi.org/10.3389/fgene.2021.723958

Weitere Informationen:

https://www.infectognostics.de/aktuelles/mosaik-mrsa-phagen

Media Contact

Christian Döring Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
InfectoGnostics - Forschungscampus Jena e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bauchaortenaneurysma: Lebensbedrohliche Gefahr schneller identifizieren

Forschungslabor der Frankfurt UAS entwickelt Methoden zur Bewertung von Krankheitsverlauf und Rupturrisiko von Bauchaortenaneurysmen. Seit wenigen Wochen ist es offiziell: Die Aorta kann als eigenständiges Organ klassifiziert werden. Durch diese…

Zerstörungsfreie Qualitätskontrolle für mehr Sicherheit und Effizienz

Forscher der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) und des Forschungs- und Transferzentrums (FTZ) e.V. haben gemeinsam mit Partnern aus der Industrie ein innovatives Analyse-System entwickelt. Die endoskopische Laser-Analysetechnik namens „EndoDetect“ ermöglicht…

Uranimmobilisierende Bakterien im Tongestein

Mikrobielle Reduktion verringert Mobilität von Uranverbindungen. Bei der Konzeption von Endlagern für hochradioaktive Abfälle in tiefen geologischen Schichten müssen verschiedene Faktoren sorgfältig berücksichtigt werden, um ihre langfristige Sicherheit zu gewährleisten….

Partner & Förderer