Mit Moos gegen Altersblindheit

Gentechnisch produzierte Proteine liegen im medizinischen Trend, da diese preisliche als auch qualitative Standards setzen. Sowohl in der Diagnose, als auch in der Therapie werden sie eingesetzt. Beispielsweise nutzen Diabetiker in Bakterien produziertes Insulin, um ihre Stoffwechselstörung zu behandeln.

Doch umso komplexer die benötigten Proteine sein müssen, desto umfangreicher ist auch deren Herstellung. Mit tierischen Zelllinien werden die komplexen Proteine in Bioreaktoren meist unter großen zeitlichen und finanziellen Aufwand hergestellt. Der Freiburger Biotechnologe Prof. Dr. Ralf Reski sah hier bereits Verbesserungspotenzial und entdeckte die Möglichkeiten der kostengünstigen Herstellung von Insulin im Kleinen Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens).

Auf diesen Erkenntnissen basierend gelang nun seiner Forschungsgruppe um Projektleiterin Dr. Eva Decker ein weiterer Durchbruch in der Proteinforschung. Erstmals konnte im Kleinen Blasenmützenmoos ein menschliches Protein, der Komplementfaktor H, hergestellt werden. Das normalerweise im Blut des Menschen vorkommende Protein stärkt das Immunsystem. Im Alter kann die Menge des Proteins abnehmen, was gerade für ältere Menschen in industrieschwachen Ländern zu schwerwiegenden Problemen führen kann. Ist die Dosis des Proteins im Körper zu gering, so kommt es zwangsläufig zur altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) (altersbedingte Blindheit). Weltweit sind mindestens 50 Millionen von dieser degenerativen Erkrankung betroffen. Der im Moos Physcomitrella Komplementfaktor H schließt eine Lücke für die zukünftige Behandlung von Patienten. Bisher war es nicht möglich dieses Protein effizient gentechnisch zu produzieren.

Weitere Untersuchungen, unter anderen mit einem Hochleistungs-Massenspektrometen, zeigten, dass das im Moos produzierte Protein voll funktionstüchtig ist. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis es das Moos-Protein in den Apotheken zu kaufen gibt. Bis dahin wird das Protein anhand von Methoden aus der Systembiologie und aus der Synthetischen Biologie weiter optimiert. Die Forschungsarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Freiburger Initiative für Systembiologie und dem Exzellencluster BIOSS gefördert.

Veröffentlichung:
A. Büttner-Mainik et al. (2010): Production of biologically active recombinant human Factor H in Physcomitrella. Plant Biotechnology Journal, doi: 10.1111/j.1467-7652.2010.00552.x

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