Modellierungsstrategie vor dem Umstieg auf 3D-CAD-Technik prüfen

Dank der rasanten Entwicklung der CAD-Technik bietet die 3D-Modellierung im Konstruktionsprozess eine Vielzahl von Vorteilen im Vergleich zur 2D-Konstruktion, selbst wenn die Daten nicht direkt für die Fertigung weiterverwendet werden. Anhand von 3D-Modellen lassen sich mögliche Bauteil-Kollisionen frühzeitig erkennen. Sie verbessern die Kommunikation mit nichttechnischen Abteilungen und sie erleichtern die Wiederverwendung von vorhandenen Konstruktionen.

Konstruktionsstrategie auf 3D-Modellierung abstimmen

In Verbindung mit entsprechenden Datenmanagement-Funktionen erlaubt die 3D-Modellierung außerdem das parallele Arbeiten im Team. Um das Nutzenpotenzial von 3D voll ausschöpfen zu können, müssen Konstruktionsstrategie und Modellieransatz allerdings aufeinander abgestimmt sein.

Für die 3D-Konstruktion stehen prinzipiell zwei unterschiedliche Ansätze zur Verfügung, nämlich die parametrische Konstruktionsweise und das explizite Modellieren. Beim parametrischen Ansatz definiert der Konstrukteur den Aufbau und zum Teil auch die Herstellung des Produktes über Features, Beziehungen und Bemaßungen, die in chronologischer Reihenfolge aufgezeichnet werden. Er entwickelt im Prinzip ein Grundkonzept für das Produkt, das sich über die Parametereingabe auch sehr leicht verändern lässt, sofern er die Abhängigkeiten und Zwangsbedingungen richtig gesetzt hat.

Im Unterschied dazu ermöglicht der explizite Ansatz dem Anwender, mit Hilfe von einfachen Operationen wie der Rotation oder Extrusion eines Profils schnell einen Grundkörper zu erzeugen, der über direkte Interaktionen mit der Modellgeometrie beliebig geändert werden kann. Dadurch braucht sich der Anwender keine Gedanken über seinen Modellaufbau zu machen, sondern kann ähnlich wie bei der 2D-Konstruktion einfach draufloskonstruieren und seine Entwürfe später flexibel wieder ändern, zum Beispiel Bauteile zerschneiden oder verschmelzen, ohne dass dadurch irgendwelche Beziehungen verletzt werden.

Ansprüche von Einzel- und Serienfertigern variieren

Welche der beiden Modellieransätze für ein Unternehmen besser geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren technischer und organisatorischer Natur ab. Eine wichtige Rolle spielt die Art der Produkte, die das jeweilige Unternehmen entwickelt, und wie es bei der Produktentwicklung vorgeht.

Wer kundenspezifische Produkte mit Konstruktionszyklen von wenigen Wochen und Monaten entwickelt und fertigt, benötigt ein 3D-System, das ihm bei Modelländerungen die maximale Flexibilität bietet. Normalerweise nutzen Einzelfertiger bei neuen Kundenprojekten vorhandene Konstruktionen und passen sie an die neuen Anforderungen an.

Kundenwünsche lassen sich schwer in Regeln fassen

Die Änderungen sind von Kunde zu Kunde unterschiedlich und lassen sich nur schwer in einheitliche Regeln fassen. Eine große Herausforderung ist außerdem die Vielzahl von Änderungen im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, weil sich kundenseitig im Laufe der Entwicklung neue Anforderungen ergeben.

Anbieter von Standard- und Serienprodukten, die in einer großen Bandbreite von Modellvarianten hergestellt werden, sind hingegen mit dem parametrischen Modellieransatz sehr gut aufgehoben. Die Parametrik erlaubt es ihnen, eine Art generisches Produktmodell zu erzeugen, von dem alle Ausprägungen über die Eingabe von wenigen Parametern in Sekundenschnelle abgeleitet werden können. Im Idealfall kann man alle möglichen Ausprägungen in einer Familientabelle abbilden und die gesamte Konstruktion über die Eingabe von einigen Parametern steuern, ohne noch einen Zeichenstrich machen zu müssen.

Im Laufe der Zeit ergeben sich unvorhersehbare Änderungen

Bei vielen Neuentwicklungen wissen die Konstrukteure am Anfang noch nicht, wie ihr Produkt am Ende genau aussehen wird. Sie müssen im Laufe der Entwicklung unter Umständen flexibel auf neue Markt- oder Kundenanforderungen reagieren, die radikale Änderungen an ihren Produktmodellen zur Folge haben. Aber auch bei Produkten mit langen Lebenszyklen wie Sondermaschinen lässt sich immer schwerer vorhersagen, was sich im Laufe des Produktlebens alles an Änderungen ergeben wird.

Da sich die Konstrukteure bei der expliziten Modelliertechnik keine Gedanken darüber zu machen brauchen, wie und in welcher Reihenfolge sie ihre Modelle aufbauen, können sie mit den Modellen von Kollegen sehr einfach weiterarbeiten. Das hat nicht nur Vorteile bei der verteilten Produktentwicklung, das heißt, wenn Kollegen an anderen Standorten die Modelldaten nutzen sollen, sondern vereinfacht auch die Pflege von Produkten mit langen Lebenszyklen. Schließlich kann man nicht sicher sein, dass der Mitarbeiter, der das ursprüngliche Produktmodell erstellt hat, auch die späteren Änderungen und Anpassungen vornehmen wird.

Gleichzeitig erlaubt es den Unternehmen, Konstruktion und Detaillierung zu trennen und letztere an technische Zeichner zu delegieren, die auf den regionalen Arbeitsmärkten oft leichter zu finden sind als ausgebildete Ingenieure.

Externe Entwicklungspartner müssen flexibel sein

Mit der Verringerung der Entwicklungs- und Fertigungstiefe im Zuge des Outsourcings nimmt gleichzeitig die Notwendigkeit zu, Daten von externen Entwicklungspartnern möglichst flexibel weiterverarbeiten zu können. Oft kümmern sich externe Werkzeugbauer, Kunststofffertiger oder Gießereien um die fertigungsgerechte Aufbereitung der Modelldaten, die wieder in das Herstellersystem zurückgespielt werden müssen, um beispielsweise konstruktionsbedingte Änderungen vorzunehmen. Die explizite Modelliertechnik hat in diesem Szenario den Vorteil, dass man mit importierten Daten genauso weiterarbeiten kann, als seien sie mit dem System selbst erzeugt worden.

Unternehmen, die ihre bestehenden Produkte über einen langen Zeitraum weiter entwickeln, machen sich beim Umstieg auf 3D-Modellierung verständlicherweise Sorgen darüber, was mit ihrem Bestand an 2D-Daten geschieht. In diesen Daten steckt schließlich sehr viel Know-how, das sie aber nicht auf einen Schlag in 3D nachziehen können.

Üblicherweise werden die 2D-Konstruktionen bei größeren Änderungen in 3D nachmodelliert, was mit der expliziten Modelliertechnik einfach geht, weil man die 2D-Geometrie direkt importieren und bearbeiten kann. Sie stellt nämlich für die 3D-Modellierung bestimmte 2D-Techniken zur Verfügung, beispielsweise die Möglichkeit, in einer Schnittdarstellung zu konstruieren.

2D-Daten für 3D-Konstruktion übernehmen und umgekehrt

Ebenso wichtig wie die Übernahme von bestehenden 2D-Daten für die 3D-Konstruktion ist für viele Unternehmen der umgekehrte Weg, weil für ihre Fertigungsprozesse und/oder die Kommunikation mit Fertigungspartnern die Zeichnung weiterhin das maßgebliche Dokument ist. Bei der Auswahl eines neuen 3D-Systems ist deshalb auch zu prüfen, wie komfortabel man damit von den 3D-Modellen 2D-Ansichten ableiten und zu fertigungsgerechten Zeichnungen aufbereiten kann. Andernfalls läuft man Gefahr, dass die Zeiteinsparungen durch die 3D-Modellierung in den nachgelagerten Prozessen wieder aufgezehrt werden.

Die explizite Modelliertechnik ermöglicht gerade langjährigen Benutzern von 2D-Anwendungen einen schnellen und einfachen 3D-Einstieg. Dank ihrer Flexibilität erleichtert sie die Koexistenz von 2D- und 3D-Konstruktion und bietet damit die optimale Voraussetzung für einen 3D-Umstieg in kleinen Schritten. Bei der Entscheidung für den einen oder anderen Modellieransatz ist mithin eine Vielzahl von organisatorischen und technischen Faktoren zu berücksichtigen.

Michael Campbell ist stellvertretender Leiter des Produktmanagements in der Unternehmenszentrale von PTC in 02494 Needham, MA USA.

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Michael Campbell MM MaschinenMarkt

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