Mikrophasentechnik gewährleistet Partikelfreiheit von Edelstahlkanülen

Für medizinische Instrumente, die in Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen, bestehen höchste Anforderungen an die Oberflächenreinheit. So muss ein namhafter Hersteller von Edelstahlkanülen mit Innendurchmessern kleiner als 0,75 mm die Direktive 93/42/EEC erfüllen. Das heißt: Vor dem Verpacken der Kanülen ist eine vollständige Entfernung fertigungsspezifischer Verunreinigungen wie Bearbeitungs- und Hilfsstoffe (zum Beispiel Öl und Kühlschmierstoff) zu gewährleisten. Außerdem müssen Feststoffe wie Späne, Fasern und Abriebpartikel sowohl innen als auch außen von der Oberfläche der Kapillaren komplett entfernt werden. Beides erfüllt seit kurzem eine Mikrophasen-Reinigung, die im Rahmen der Prozessqualifikation den Zytotoxizitäts- und Partikeltest bestanden hat.

Konventioneller Reinigungsprozess hat zahlreiche Nachteile

Zur Entfernung der unterschiedlichen Verunreinigungen kam zuvor ein Tauchprozess mit Ultraschallmechanik zur Anwendung, bei dem die Warenkörbe manuell umgesetzt wurden. So verwendete man für die anorganischen Rückstände einen Tensidreiniger. Nachgeschaltet war ein Tauchbecken mit Waschbenzin, um die organischen Verunreinigungen zu beseitigen. Anschließend wurden die Teile mit Ethanol gespült. Zwar erfüllte das Ergebnis die Direktive 93/42/EEC, doch führten die drei Medien zu einer Reihe von Prozessnachteilen:

Der Tensidreiniger musste in drei bis fünf nachgeschalteten Stufen – bestehend aus Stadtwasser und VE-Wasser – gespült werden. Nur so konnte sichergestellt werden, dass keine Tenside auf den Oberflächen oder im Inneren der Edelstahlkanülen verblieben.

Die verschiedenen Reinigungs- und Spülstufen führten zu langen Prozesszeiten. Daraus entstand ein Widerspruch mit den zu erwartenden steigenden Teiledurchsätzen und den damit zu verkürzenden Durchlaufzeiten. Außerdem kostete prozessseitig das manuelle Umsetzen der Warenträger zusätzliche Operatorzeit. Darüber hinaus verursachten die mehrfach notwendigen wässrigen Spülstufen hohe Abwasserkosten.

Das Waschbenzin, das in offenen Tauchbecken zum Einsatz kam, hatte vor allem hinsichtlich Handling und Umweltschutz Nachteile. So entstanden beim Einsatz des Lösemittels durch Lagerung, Transport und Entsorgung hohe Kosten. Darüber hinaus wurde der starke Lösemittelgeruch, der aufgrund der offenen Tauchbecken entweichen konnte, von den Produktionsmitarbeitern als störend empfunden.

Wie Waschbenzin hat auch Ethanol als Lösemittel einen 100%igen VOC-Gehalt. Zudem ist Ethanol leicht brennbar, weshalb ein Ersatz der beiden Reinigungsmedien nicht nur die Umweltverträglichkeit des Gesamtprozesses, sondern auch die Arbeitssicherheit im Werk verbessert.

Beim konventionellen Tauchprozess ließ sich eine Rückkontamination der bereits gereinigten Teile nicht ausschließen, weil die abgereinigten Rückstände teilweise im Becken aufschwammen und sich beim Umsetzen der Warenträger wieder an den gereinigten Teilen anlagerten.

Mikrophasentechnik ermöglicht vollständigen Austausch von Prozess und Medien

Ziel war es daher, Prozess und dazugehörige Medien komplett zu ersetzen. In Zusammenarbeit mit einem Anlagenhersteller wurde eine spezielle Einkammer-Spritzreinigungsanlage entwickelt. Dabei lag das Augenmerk auf der vollständigen Entfernung aller Verunreinigungen – insbesondere im Inneren der Edelstahlkanülen. In Versuchen bewährte sich ein wasserbasierender Mikrophasenreiniger (Vigon 1000-CR) in Kombination mit einem sauren Additiv (Vigon plus SA 40). Dieses Reinigungsmedium basiert auf der neuartigen Reinigungstechnologie MPC (Micro Phase Cleaning). Es reinigt nach folgendem Prinzip:

Durch Temperatur- und mechanische Einwirkung (Spritzen, Ultraschall oder Injektionsfluten) werden Mikrophasen aktiviert. Sie lösen und entfernen Verunreinigungen von der Oberfläche. Im Gegensatz zu Tensidreinigern oder Lösemitteln ist der MPC-Reiniger weder dauerhaft an die abgereinigte Verunreinigung gebunden, noch ist die Verunreinigung im Reiniger gelöst. Außerdem ist die Verunreinigung nicht irreversibel im Reiniger gelöst.

Mikrophasentechnik zeichnet dich durch lange Badstandzeiten aus

Sind die Mikrophasen beladen, geben sie die Verunreinigungen an die wässrige Umgebungsphase ab, aus der diese mit Hilfe einfacher Aufbereitungssysteme entfernt, zum Beispiel filtriert werden (Bild 1). Diese Regeneration ermöglicht im Vergleich zu konventionellen Reinigern sehr lange Badstandzeiten, was zu einer deutlichen Senkung der Gesamtprozesskosten führt.

Das Reinigungsmedium wird in der automatischen Einkammeranlage aus dem Tank in die Arbeitskammer gepumpt und auf 50 °C erwärmt. Dann erfolgt die Reinigung in einem speziellen Spritzverfahren, um die Verunreinigungen innerhalb der Kapillaren entfernen zu können. Anschließend wird der Mikrophasenreiniger mit Hilfe eines Aufbereitungsmoduls regeneriert und komplett zurück in den Reinigungstank gepumpt (Bild 2). Somit steht für nachfolgende Reinigungszyklen wieder frisch aufbereitetes Medium zur Verfügung. Die Spülung erfolgt in zwei Stufen mit vollentsalztem Wasser und der nachfolgende Trocknungsschritt mit gefilterter Warmluft. Vor dem Spülen ist der Reiniger komplett aus der Arbeitskammer abgepumpt.

Aus diesem Reinigungsprozess resultieren mehrere Vorteile. Tensidreiniger, Waschbenzin und Ethanolspülung wurden durch ein einziges Medium ersetzt. Aufgrund der Formulierung ist der Mikrophasenreiniger extrem leicht mit Wasser abspülbar, wodurch sich die Anzahl der benötigten Spülstufen reduzieren und somit der Wasserverbrauch deutlich minimieren lässt. Zudem werden die Verunreinigungen permanent aus dem System entfernt. Im Gegensatz zu den häufig schwer spülbaren Tensidreinigern verbleiben somit auch keine Medienrückstände auf den Oberflächen der Kanülen, wodurch eine Infektionsgefahr bei Gebrauch verhindert wird. Weil der Reiniger nicht verkeimt, ist zudem der Schutz vor unerwünschter Fremdkontamination gegeben.

Reduzierter VOC-Gehalt verringert Emissionen

Die Auflagen bezüglich der Lagerung, des Transports und der Entsorgung des Reinigers sind aufgrund der Kennzeichnungs- und Flammpunktfreiheit gewährleistet. Außerdem führt ein reduzierter VOC-Gehalt von 10% zu einer deutlichen Emissionsverringerung. Darüber hinaus hat der Reiniger einen milden Geruch, was speziell in der Produktion zu deutlich verbesserten Arbeitsbedingungen führt. Weil das manuelle Umsetzen der Warenträger zwischen den Reinigungsschritten entfällt, ist die Prozessdauer deutlich verkürzt.

Mikrophasentechnik besteht Zytotoxizitätstest

Vor allem wird mittels dieses Prozesses eines erfüllt: Alle Bearbeitungs- und Hilfsstoffe wie Öl oder Kühlschmierstoff werden komplett und zuverlässig entfernt, was sich in einer gemessenen Oberflächenspannung von über 52 mN/m widerspiegelt (Bild 3). Ferner spielen für den Hersteller der Edelstahlkanülen die toxikologische Unbedenklichkeit des Reinigers gemäß EN ISO 10993-5 und 93/42/EEC sowie die Partikelfreiheit der Oberflächen eine große Rolle. Dies ist wichtig, um Zytotoxizität – die Fähigkeit einer chemischen Substanz, Zellen im menschlichen Körper zu schädigen beziehungsweise die Entstehung von Krebs zu begünstigen – auszuschließen.

Dazu wurde von einem anerkannten Institut ein Zytotoxizitätstest mit Zellkulturen vorgenommen. Um die Partikelfreiheit der Oberfläche nachweisen zu können, wurde das Reinigungsgut mit partikelfreiem Wasser abgespült und dieses gefiltert. Üblicherweise werden die gefilterten Partikel unter dem Mikroskop gezählt. Der Mikrophasenreiniger hat beide Tests bestanden. Somit ist dieser zur Reinigung medizinischer Instrumente geeignet, wie bei dieser Anwendung: der Herstellung von Edelstahlkanülen. Mittlerweile läuft der Prozess – seit der Einführung vor zwei Jahren – reibungslos.

Dr. Alexandra Rost ist Prozessingenieurin Anwendungstechnik bei Zestron Europe in Ingolstadt.

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Dr. Alexandra Rost MM MaschinenMarkt

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