Mikrolinsensysteme nach dem Vorbild der Natur

Auf natürlichem Wege und mit bemerkenswert einfachen Mitteln hochkomplexe Mikrolinsenarrays entwerfen: Chemiker der Universität Konstanz und des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben ein Verfahren entwickelt, das die Herstellung von Mikrolinsensystemen wesentlich vereinfacht.

Auf Grundlage von Kalziumkarbonat (Kalk) erzeugen die Forscher natürlich gewachsene Oberflächenschichten mit einer regelmäßigen Anordnung von mikrometergroßen, halbkugelförmigen Kalklinsen. Bislang konnten Mikrolinsenarrays nur mit einem aufwändigen lithografischen Verfahren auf Kunststoffbasis hergestellt werden. Die Entwicklung der neuen Herstellungsmethode fand in Zusammenarbeit mit dem Korea Institute of Geoscience and Mineral Resources sowie mit der südkoreanischen Universität KAIST statt.

Für die Herstellung der optisch vollfunktionalen Mikrolinsenoberflächen benötigen die Forscher ausschließlich eine Kalklösung, Kohlendioxid aus der Luft sowie ein breit verfügbares Tensid (ein Seifenmolekül), das die Bildung der Mikrolinsenstruktur reguliert. Das Verfahren ist somit bedeutend kostengünstiger und wesentlich einfacher als bestehende Herstellungsmethoden. „Das Bemerkenswerte ist, dass diese Strukturbildung von alleine in Wasser bei Raumtemperatur stattfindet – also ganz nach dem Vorbild der Natur. Das ist ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz biologischer Prinzipien für die Herstellung hochwertiger optischer Elemente ganz ohne Einsatz von Energie oder giftiger Chemikalien“, fasst der Konstanzer Chemiker Prof. Dr. Helmut Cölfen die Vorzüge zusammen. Das neue Verfahren, in dem die Mikrolinsensysteme auf natürlichem Wege gleichmäßig „wachsen“, wurde nach einem Vorbild aus der Tierwelt entwickelt: Der sogenannte Schlangenstern, ein Verwandter des Seesterns, nutzt eine Kalklinsen-Oberfläche auf seiner Haut, um den Lichtverhältnissen entsprechend seine Farbe zu wechseln.

Ein Mikrolinsenarray ist ein optisches Feld, auf dem eine große Anzahl von mikrometergroßen Miniaturlinsen dicht an dicht angesiedelt ist. Mikrolinsenarrays werden eingesetzt, um optische Systeme zu verkleinern, um Licht auf den millionstel Meter genau zu fokussieren und um mit sehr kleinen Wellenlängen zu arbeiten. Ihren Einsatz finden Mikrolinsensysteme unter anderem bei Kameras von Mobiltelefonen, aber auch in der Medizintechnik. Das neue Verfahren eignet sich ebenfalls dazu, Antireflexbeschichtungen zu erzeugen, wie man sie etwa von entspiegelten Brillengläsern kennt. Weitere Vorteile der neuen Methode sind zudem, dass mit den Kalklinsensystemen kürzere Brennweiten als mit den bisherigen Kunststofflinsenarrays geschaffen werden können und dass die Mikrolinsensysteme durch einfaches Eintauchen auf andere Oberflächen übertragen werden können. Darüber hinaus ist eine Ansiedlung von lebenden Zellen auf den Mikrolinsen möglich, was zukünftige Zellbiologieforschung kombiniert mit Optik erlaubt.

„Hervorstechend ist, wie einfach der Herstellungsprozess abläuft: Es sind alles gängige, biokompatible Materialien, eine Energiezufuhr ist nicht nötig, die Reaktion findet bei Raumtemperatur in Wasser statt – nach einem Prinzip, das die Natur bei Biomineralien verwendet“, erklärt Helmut Cölfen. „Was das Verfahren abseits aller technischen Vorzüge für den Wissenschaftler hochinteressant macht, ist jedoch vor allem der verblüffende Umstand, dass man solch hochkomplexe Strukturen wie ein Mikrolinsenarray mit relativ einfachen Molekülen bauen kann“, zeigt Cölfen weitere Perspektiven für die Wissenschaft auf.

Hinweis an die Redaktionen:
Ein Foto kann im Folgenden heruntergeladen werden:
http://www.pi.uni-konstanz.de/2012/031.jpg
„Mikrolinsenarray aus Kalk“
Foto: Kyu-Bock Lee, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.
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Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
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Prof. Dr. Helmut Cölfen
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Julia Wandt idw

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