Kopfschutz mit Duftnote

Fahrradhelme haben nur einen Zweck: Sie sollen den Kopf des Trägers schützen. Doch nur einwandfreie Helme halten im Notfall, was sie versprechen. Daher empfiehlt es sich, den Kopfschutz nach einiger Zeit auszutauschen.

Aber wer erneuert schon gerne auf Verdacht seine Ausrüstung? Künftig wird das nicht mehr nötig sein. Ein neues Verfahren, das die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen entwickelt haben, macht‘s möglich: Bilden sich in Polymerwerkstoffen – also in Kunststoffen – kleine Risse, so beginnen diese zu riechen. Größere Risse stinken geradezu. Verantwortlich für den Geruch sind Duftöle, die in Mikrokapseln verschlossen sind. »Oftmals werden Helme nach dem Herunterfallen unnötig entsorgt, da man nicht erkennen kann, ob sie tatsächlich beschädigt sind. Das ist mit den Kapseln nicht mehr erforderlich. Bilden sich Risse, werden die Duftstoffe freigesetzt,« sagt Dr.-Ing. Christof Koplin, Wissenschaftler am IWM. Die Forscher arbeiten die Kapseln als Zusatzstoff in eine Polypropylenmasse ein, die sie dann im Spritzgussverfahren zum endgültigen Bauteil formen können. Im Fall des Fahrradhelms haben sie die Kügelchen in eine dicke Folie aus dem Polymerwerkstoff Polypropylen eingebracht. Die Folie wird am Kopfschutz befestigt.

Eine Schicht aus Melaminformaldehydharz verschließt die Kapseln geruchsdicht und mechanisch. Sie schützt die Kügelchen, schließlich müssen diese die im Spritzgussverfahren üblichen hohen Temperaturen von 200 bis 300 Grad Celsius aushalten und darüber hinaus statischen Drücken von bis zu 100 bar standhalten. »Melaminformaldehydharz hat sich im bisherigen Vergleich der Materialsysteme als das geeignetste Verkapselungsmaterial erwiesen,« erläutert Koplin. »Im Innern der Kapsel befindet sich ein poröser, wenig deformierbarer Siliciumdioxid-Kern, der den Duftstoff aufnimmt. Mit diesem Kern haben wir die besten Ergebnisse erzielt,« sagt Koplin.

Um festzustellen, bei welchen Belastungen die winzigen, 1 bis 50 Mikrometer großen Kugeln aufbrechen, bearbeiten die Wissenschaftler diese am IWM einzeln mit einem Eindringkörper – der Vickersspitze. Die erforderliche Anzahl der Kapseln errechnen die Ingenieure per numerischer Simulation am Computer. Abschließend unterziehen sie zudem das fertige Bauteil Biege- und Ziehtests. Nur dann, wenn die Kapseln sich kurz vor dem Bruch des Bauteils öffnen und die Duftstoffe austreten können, stufen die Experten die Tests als erfolgreich ein. »Unsere Methode der Geruchsdetektion bietet mehrere Vorteile. Sie ermöglicht nicht nur den rechtzeitigen Austausch sicherheitskritischer Polymerbauteile. Durch die ausströmenden Duftstoffe können auch Beschädigungen erkannt werden, die außerhalb des Sichtbereichs liegen,« beschreibt Koplin die Vorzüge.

Das Verfahren eignet sich daher nicht nur für alle schwer auf Defekte zu testenden Teile wie Fahrrad-, Motorrad- oder Bauhelme. Vielmehr lässt es sich auch zum Überprüfen von Druckschläuchen wie Waschmaschinenzuleitungen einsetzen, die verdeckt verbaut sind. Geruchssensoren könnten auch Kunststoffrohre für die Wasser- und Gasversorgung auf kritische Risse überwachen, da sie ausströmende Duftstoffe über weite Entfernungen hinweg registrieren. »Bei beschichteten Bauteilen aus Metall wird die Geruchsdetektion bereits eingesetzt. Wir wenden das Verfahren erstmals auf Polymerwerkstoffe an. Den Radhelm nutzen wir als Demonstrator. Die Kapseln sind fertiggestellt, charakterisierende Tests zur individuellen Auslegung schließen wir gerade ab,« so Koplin.

Media Contact

Dr.-Ing. Christof Koplin Fraunhofer Mediendienst

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