Körpertemperatur von Dinosauriern mit neuem chemischen Thermometer an Eischalen gemessen

Instrumentell gemessene Körpertemperaturen heutiger Säugetiere, Vögel und Reptilien im Vergleich zu Eischalenbildungstemperaturen, die mit dem chemischen „Clumped Isotope“-Thermometer an den Eischalen kreidezeitlicher Dinosaurier (Sauropode und Oviraptor) bestimmt wurden. Die Eischalenbildungstemperaturen entsprechen der Kernkörpertemperatur von erwachsenen weiblichen eierlegenden Individuen. Abb./©: Thomas Tütken, JGU

Vögel und Säugetiere sind in der Lage, ihre Körpertemperatur selbst zu regulieren, und können dadurch ihre Temperatur unabhängig von der Umgebung relativ konstant halten. Bislang ist nur wenig darüber bekannt, wie es im Laufe der Evolution zu dieser Thermoregulation gekommen ist, vor allem weil die Temperaturphysiologie von ausgestorbenen Tieren schwer zu ermitteln ist.

Wissenschaftlern um den kalifornischen Geochemiker und Geobiologen Robert Eagle ist es nun gelungen, mit einem neuen chemischen Thermometer die Bildungstemperatur von Dinosaurier-Eiern zu bestimmen und über diese die Körpertemperatur des jeweiligen Muttertiers.

„Der Nachweis erfolgt über die Isotopenzusammensetzung der Eischale. Von der Temperatur der Eischale kann man dann auf die Körpertemperatur des Dinosaurier-Weibchens schließen, da die Schalen im Eileiter bei dieser Temperatur mineralisiert wurden“, erklärt Dr. Thomas Tütken von der AG Paläontologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Die Ermittlung der Temperatur erfolgte an fossilen Eischalen, deren Erhaltungszustand zuvor mit chemischen, histologischen und mineralogischen Untersuchungsmethoden charakterisiert wurde. Eischalen bestehen aus Kalziumkarbonat, das neben Kalzium aus unterschiedlichen Isotopen von Kohlenstoff und Sauerstoff gebildet wird.

Die Häufigkeit, mit der die beiden schweren Isotope Kohlenstoff-13 und Sauerstoff-18 eine Bindung im Karbonat der Eischale eingehen, ist temperaturabhängig: je wärmer, desto seltener. Die Anwendung dieses neuen Isotopolog-Thermometers an karbonathaltigen Hartgeweben stellt die direkteste Bestimmungsmöglichkeit der Körpertemperatur von ausgestorbenen Arten dar.

Körpertemperaturen wurden sowohl an gut erhaltenen Eischalen pflanzenfressender Sauropoden der Gruppe der Titanosaurier als auch von Oviraptor, einem zweibeinigen, vogelähnlichen Theropoden, bestimmt, die beide während der Oberkreide vor rund 80 bis 70 Millionen Jahren in Argentinien bzw. der Mongolei gelebt haben.

Die Eischalen der großen Sauropoden wurden bei 38 Grad Celsius gebildet und spiegeln die Körperkerntemperatur wider, die vergleichbar mit der von Säugetieren ist. Dagegen zeigt das chemische Thermometer für den Oviraptor nur 32 Grad Celsius an, ein Wert am unteren Ende der Körpertemperaturspanne für Säugetiere und weit unter der von Vögeln, die meist 38 bis 43 Grad Celsius beträgt.

„Oviraptor muss bei dieser Körpertemperatur ein anderes System zur Regulierung gehabt haben als unsere Vögel heute. Die Ursachen dafür sind allerdings unbekannt“, so Tütken, der an dieser Forschungsarbeit beteiligt war. Weil die Temperatur von Oviraptor allerdings um sechs Grad über der abgeschätzten Sommertemperatur zu dessen Lebzeiten liegt, geht das Wissenschaftler-Team um Robert Eagle davon aus, dass auch Oviraptor seine Körpertemperatur in gewissem Umfang regulieren konnte, also nicht weitgehend der Umgebungstemperatur ausgeliefert war wie die meisten anderen Reptilien.

Veröffentlichung:
Robert A. Eagle et al.
Isotopic ordering in eggshells reflects body temperatures and suggests differing thermophysiology in two Cretaceous dinosaurs
Nature Communications, 13. Oktober 2015
DOI: 10.1038/ncomms9296

Weitere Informationen:
Dr. Thomas Tütken
Akademischer Rat
Arbeitsgruppe für Angewandte und Analytische Paläontologie
Institut für Geowissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22387
E-Mail: tuetken@uni-mainz.de
http://www.paleontology.uni-mainz.de/pub_tt.html

Weitere Links:
http://www.geowiss.uni-mainz.de/1187_DEU_HTML.php (Paläontologie)
http://www.nature.com/ncomms/2015/151013/ncomms9296/full/ncomms9296.html

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