Klima-Zeitbombe tickt in der Arktis

Die Erderwärmung ist in der Arktis stärker als im Rest der Welt. Diese Veränderungen beeinflussen das Weltklima, sind jedoch bisher noch kaum erforscht.

Ein Projekt der European Science Foundation ESF aus acht Ländern will dies nachholen. „Einiges deutet darauf hin, dass in der Arktis eine Klima-Zeitbombe tickt. Bedenklich ist besonders, wenn die enormen Mengen an Kohlenstoff im Permafrost durch dessen Auftauen an die Atmosphäre gelangen“, berichtet Projektkoordinator Andreas Richter von der Universität Wien gegenüber pressetext.

Kleine Änderungen, große Folgen

Konservative Schätzungen gehen von 1.670 Gigatonnen Kohlenstoff aus, die im Arktisboden gespeichert sind – mehr als doppelt so viel wie in der gesamten Atmosphäre. „Auch wenn es in der Arktis nur kurze Vegetationszeiten gibt, hat sich im Lauf der Jahrtausende viel organisches Material aus Pflanzen angesammelt. Dessen Abbau ist sehr langsam, da nur die obersten 50 bis 80 Zentimeter des Bodens im Sommer auftauen und durch die Feuchte den Mikroorganismen kaum Sauerstoff für die Atmung zur Verfügung steht“, so Richter. Da Kohlenstoff hier schneller auf- als abgebaut wird, häufte er sich im Lauf der vergangenen Jahrtausende an.

Mit dem Klimawandel steht tieferes Auftauen im Sommer bevor, wodurch das Tauwasser eher abrinnt und trockenen Boden hinterlässt. „Die Mikroorganismen könnten das Material somit leichter abbauen und veratmen. Das bringt mehr CO2 in die Atmosphäre“, erklärt der Ökosystemforscher. Kleine Änderungen könnten hier große Folgen haben. Würde nur ein Zehntel des Kohlenstoffs aus arktischen Böden freigesetzt, würde der Anteil von CO2 in der Atmosphäre um mehr als 20 Prozent steigen. „Das hätte globale Folgen, da CO2 ein Treibhausgas ist, das den Klimawandel beschleunigt.“

Datenlage noch schlecht

Zwar sind auch positive Auswirkungen denkbar, etwa dass der erhöhte Abbau von organischem Material zusätzliche Nährstoffe für neues Pflanzenwachstum bereitstellt. Dass dies den CO2-Anstieg aufhält, glaubt Richter jedoch nicht. „Selbst wenn die heutige Tundra in Zukunft zu einem Wald wird, könnte dies den Anstieg der Kohlenstoff-Freisetzung nur vorübergehend abschwächen.“ Für genauere Vorhersagen sei jedoch in jedem Fall ein besseres Verständnis der Abläufe wichtig. An diesem fehlt es bisher weitgehend. „Nur wenige forschen vor Ort in der Arktis, da die Bedingungen schwierig sind“, so der Wissenschaftler.

Das bis 2013 laufende ESF-Projekt soll hier mehr Klarheit schaffen. In mehreren Expeditionen nach Sibirien und Grönland suchen die Forscher nach genaueren Hinweisen, wie viel Kohlenstoff im Boden steckt und wie leicht dieser abgebaut wird. „Wir überprüfen Bohrkerne auf ihren Gehalt von Kohlenstoff und dessen Qualität und erstellen eine Karte der Kohlenstoff-Dichte der Region. Dadurch soll die Bedeutung der Arktis für das Weltklima besser erkundet werden“, erklärt Richter.

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Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

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