Informatikerin entwickelt Assistenzsysteme für die Krebschirurgie

In das Endoskopie-Bild der Leber sind die dreidimensionale Darstellung der Tumoren (grün) und des Gefäßbaums (blau) eingeblendet. Stefanie Speidel, Professorin am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden, entwickelt intelligente Hilfen, die den Chirurgen sicher an sein Ziel führen. KIT

Adresse eingeben, okay drücken, losfahren. Im Auto verlassen wir uns ganz selbstverständlich auf unser Navigationssystem, wenn wir zu neuen Zielen aufbrechen. Die Zukunft im Operationssaal könnte ganz ähnlich aussehen: Intelligente Assistenzsysteme führen den Chirurgen sicher und ohne Umwege zum Tumor. Die NCT-Professorin Stefanie Speidel (38) entwickelt hierfür hochkomplexe und zugleich praktikable Lösungen: „Heute wie in Zukunft trägt aber der Mensch die Verantwortung und entscheidet während der Operation, was zu tun ist. Wir bieten dem Chirurgen für seine Arbeit intelligente Hilfen an“, erklärt Speidel.

Benötigt werden die intelligenten Hilfen insbesondere bei minimalinvasiven Operationen. Hier macht der Chirurg einen kleinen Schnitt in die Haut des Patienten und steuert die Operation über Videobilder des Endoskops.

Das Navigationssystem, an dem Speidel gemeinsam mit ihrem Team arbeitet, blendet in die zweidimensionalen Videobilder zusätzliche Informationen ein: etwa die dreidimensionale Darstellung der Bereiche, in denen operiert werden soll, oder Gefäße, die nicht verletzt werden dürfen. Kontextbezogen kommen weitere Informationen hinzu.

Greift der Chirurg beispielsweise zu einem scharfen Instrument, erkennt das System die Absicht, weiter zum Tumor vorzudringen, und zeigt zusätzlich die optimale Schnittführung und die genaue Lage des Tumors an.

Bewegliche Oberflächen erschweren Navigation

In der Neurochirurgie und Orthopädie, wo an weitgehend stabilen Strukturen operiert wird, sind vergleichbare Systeme heute bereits im Einsatz. Neu und besonders schwierig ist die Entwicklung solcher Navigationssysteme für Weichgewebe, wie sie etwa im Bauchraum vorliegen. Denn durch Atmung, Herzschlag oder die Berührung mit medizinischen Instrumenten kann sich die Lage und Form von Geweben und Organen ständig verändern.

„Diese Veränderungen müssen wir – vergleichbar mit einer veränderten Position beim Autofahren – in Echtzeit analysieren und abbilden. Denn was nützt uns, um beim Autovergleich zu bleiben, ein System, das lediglich rückmeldet: ‚Vor 300 Metern hätten Sie rechts abbiegen müssen‘“, sagt Speidel.

Um das zu erreichen, kombiniert Speidel vor und während der Operation gewonnene Bild- und Sensordaten mit biomechanischen Modellen und entwickelt neue Programme, die aus diesen Informationen Oberflächenveränderungen unmittelbar berechnen können.

„Solche computergestützten Systeme sind für die Zukunft der Chirurgie von großer Bedeutung. Sie geben uns die Möglichkeit, Operationen noch exakter auszuführen und den Tumor mit größerer Sicherheit komplett zu entfernen. Zudem könnten noch schwierigere Fälle als bisher operativ behandelt werden“, berichtet Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und einer der Geschäftsführenden Direktoren am NCT Dresden.

Erweiterte und virtuelle Realitäten zum Wohl des Patienten

Neben der Überlagerung der Wirklichkeit durch zusätzliche Informationen, der so genannten erweiterten Realität, beschäftigt sich Speidel auch mit innovativen Lösungen im Bereich der virtuellen Realität. Hier erzeugen Computer eine dreidimensionale Umgebung, mit welcher der Nutzer auf scheinbar physische Weise interagieren kann.

So entwickelt sie eine spezielle Software für Datenbrillen, mit deren Hilfe sich der Chirurg vor der Operation eine dreidimensionale Projektion des zu behandelnden Organs oder Gewebes ansehen kann. Durch Handbewegungen kann er die räumliche Abbildung beliebig drehen und wenden.

Speidels Arbeit könnte schon in absehbarer Zeit Patienten zu Gute kommen und wird die Expertise der Dresdner Hochschulmedizin um eine neue Dimension bereichern. Die Datenbrille zur Operationsplanung wird bereits in Pilotstudien getestet. Das intraoperative Assistenzsystem soll am NCT Dresden in Studien getestet werden und könnte in etwa zehn Jahren für bestimmte Eingriffe in den Operationssälen zur Verfügung stehen.

Die Informatikerin ist die erste NCT-Professorin in Dresden. Zwei Professuren auf den Gebieten „Translationale Medizinische Onkologie“ und „Translationale Bildgebung in der Onkologie“ werden in Kürze mit führenden Wissenschaftlern und Ärzten besetzt, zwei weitere Professuren werden folgen. Durch die NCT-finanzierten Professuren werden in Dresden ganz gezielt bestimmte onkologische Forschungsschwerpunkte gestärkt.

Vor ihrem Wechsel nach Dresden leitete Speidel die Arbeitsgruppe „Computer-assisted Surgery“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und arbeitete hier bereits eng mit Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und Ärzten des Universitätsklinikums Heidelberg zusammen. Das NCT Dresden bietet ihr nun hervorragende Voraussetzungen, um ihre interdisziplinäre Forschung standortübergreifend weiter voranzutreiben.

Stefanie Speidel, Jahrgang 1978, studierte an der Universität Karlsruhe (TU) sowie am Royal Institute of Technology Stockholm (Schweden). Sie forschte als Postdoktorandin an der Universität Heidelberg und leitete seit 2012 eine eigene Nachwuchsgruppe, „Computer-assisted Surgery“, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Stefanie Speidel konnte bereits eine Reihe wissenschaftlicher Auszeichnungen sammeln, darunter den Technology Award der European Association for Endoscopic Surgery (2007), den Maria Gräfin von Linden Preis (2011) und ein Margarete-von-Wrangell-Fellowship (2011). Zweimal wurde sie außerdem für hervorragende Lehre ausgezeichnet.

Interviewmöglichkeit
Prof. Stefanie Speidel steht am 4.4. von 10.30-12.30 Uhr sowie von 14.00-14.30 Uhr für Interviews zur Verfügung
Ihr Ansprechpartner hierfür ist Dr. Anna Kraft, NCT Dresden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. +49 (0)351 458-7440, anna.kraft@nct-dresden.de.

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Die Nutzung ist kostenlos. Das NCT Dresden gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung.

Ansprechpartner für die Presse:
Dr. Anna Kraft
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden
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01307 Dresden
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Dr. Stefanie Seltmann
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
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Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
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Konrad Kästner
Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit & Marketing
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Holger Ostermeyer
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Dr. Christine Bohnet
Kommunikation und Medien | Leiterin
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Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden
Dresden ist seit 2015 neben Heidelberg der zweite Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT). Das NCT Dresden ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf.
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten in Dresden und Heidelberg auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler am NCT durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch beider Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln.
Die jährliche Förderung des NCT Dresden beläuft sich nach der Aufbauphase ab 2019 auf 15 Millionen Euro. Diesen Betrag bringen Bund und Freistaat Sachsen im Verhältnis 90 zu 10 Prozent auf. Für die Errichtung eines NCT-Neubaus stellt der Freistaat Sachsen zusätzlich 22 Millionen Euro bereit.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten. Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen. Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb seit mehreren Jahren hintereinander Platz drei im deutschlandweiten Ranking.

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 150 Doktoranden.

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