Immundefekte, Bluterkrankungen oder Tumoren: 17 Mal neue Hoffnung und neues Leben für kleine Patienten

Vor etwas mehr einem Jahr, im Herbst 2018, ist das pädiatrische Transplantationsprogramm am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) neu aufgestellt worden und seither in ärztlicher Verantwortung unter Leitung von Dr. Jörn-Sven Kühl.

Seit Anfang Januar 2019 sind nun bereits 17 Kinder transplantiert worden. In den Jahren zuvor waren es durchschnittlich fünf bis acht gewesen. Auch stehen seitdem vier stationäre Betten für die kleinen Patienten zur Verfügung.

Dr. Kühl, Oberarzt der Abteilung für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie am UKL, ist mit dieser Entwicklung sehr zufrieden: „Die vier Betten auf der Station J 1.1 im neuen Haus 7 hier am UKL reichen schon kaum mehr, was ja gleichzeitig eine gute und eine weniger gute Nachricht ist. Unsere Warteliste ist gefüllt.“

Dies sei zu entscheidenden Teilen nur möglich gewesen durch die konsequente Unterstützung durch Prof. Holger Christiansen. „Er hat die richtigen und wichtigen Weichen gestellt“, bedankt sich Kühl beim Leiter der UKL-Kinderonkologie.
Kurz vor Weihnachten stand nun die 14. allogene Stammzelltransplantation dieses Jahres an.

Als allogene Transplantationen bezeichnen die Ärzte die „klassischen“ Gewebeverpflanzungen mit entweder einem Geschwisterspender oder unverwandten, freiwilligen Spendern mit passenden Gewebemerkmalen.

Hinzu kommen drei autologe Transplantationen, bei denen körpereigenes Material – Vorteil: keine Immununverträglichkeitsreaktionen – verwendet wird. Hier konnten zwei Tumorerkrankungen behandelt werden, sowie im Sommer der erste kleine Patient in Deutschland, bei dem eine Gentherapie angewendet wurde, die dem Jungen wohl das Leben rettete.

Dr. Jörn-Sven Kühl ist Arzt für Kinder-Hämatologie und -Onkologie und „gelernter Kindertransplanteur“, wie er selbst sagt. 2017 wechselte er von der Berliner Charité ans Leipziger Universitätsklinikum. Sein Ziel ab 2020 ist es, 15 bis 20 Transplantationen pro Jahr durchzuführen. Seine Patienten sind zwischen null und 18 Jahren alt.

„Für einen Transplanteur oder einen Onkologen ist es kein Tagesgeschäft, Neugeborene mit einem Gewicht von vielleicht nur fünf Kilogramm zu versorgen. Doch das ist eben auch das Spannende an diesem Bereich“, sagt Dr. Kühl.

Knapp die Hälfte der Transplantationen erfolgen auf Grund schwerwiegender, allerdings nicht-bösartiger angeborener Erkrankungen, die aber kein Krebs oder Leukämie sind. Doch auch solche Krankheiten könnten tödlich sein, betont der Kinderarzt, und berichtet von einem im Sommer im UKL aufgenommenen Kleinkind, nur wenige Wochen alt, mit einem angeborenen schweren Immundefekt.

Dieser Defekt war über das Neugeborenen-Screening entdeckt worden. Im Oktober wurde es transplantiert und kann nun bald entlassen werden. Kühl: „Es geht ihm gut, doch ohne die Transplantation hätte das Kleine eine Lebenserwartung von nur einigen Monaten gehabt.“ Und von einem ebenfalls ganz jungen Geschwisterspender kann er berichten: „Ein nur 15 Monate altes Kind hat für sein älteres Geschwisterkind Stammzellen gespendet. Auch diesem geht es wieder gut.“

Zwei bis drei Monate liegt ein Patient im Durchschnitt auf der Station. Bei den bisherigen Fällen traten nur wenige Komplikationen auf. „Keiner der frisch Transplantierten musste auf die Kinder-Intensivstation verlegt werden“, so der UKL-Experte.

Die Zusammenarbeit mit dem Bereich von Prof. Uwe Platzbecker, der für die Transplantationen bei Erwachsenen zuständig ist, funktioniere sehr gut, sagt Dr. Kühl. Sein Dank gelte ebenfalls dem von Prof. Reinhard Henschler geleiteten Institut für Transfusionsmedizin (ITM), das seiner Arbeit viel Unterstützung liefere.

Seltene Erkrankung ALD im Fokus

Einen Schwerpunkt der weiteren Arbeit von Oberarzt Kühl stellt die Behandlung von Kindern mit Adrenoleukodystrophie (ALD) dar, denn hier gibt es europaweite Anfragen von Patienten. ALD ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit und gehört zur Gruppe der Seltenen Erkrankungen.

Ungefähr 1 von 17.000 Neugeborenen ist betroffen, meistens Jungen. Durch einen genetischen Fehler können bestimmte Fettsäuren nicht abgebaut werden. Sie schädigen das Gehirn und das Rückenmark sowie die Nebennieren. Dieser Gendefekt führt zur Zerstörung der „weißen Gehirnsubstanz“, des Myelins.

Unbehandelt ist die Krankheit meist tödlich, da im weiteren Verlauf wichtige Nervenfunktionen ausfallen können. „Unter den Seltenen Erkrankungen ist ALD eigentlich gar nicht so selten“, meint Dr. Kühl, der in Europa zu den erfahrensten Experten für diese Krankheit zählt.

Media Contact

Helena Reinhardt idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uniklinik-leipzig.de/

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