HZB-Forscher finden Weg, die Wirkungsgrad-Grenze für Silizium-Solarzellen zu erhöhen

Darstellung des Prinzips einer Silizium-Multiplikatorsolarzelle mit organischen Kristallen. M. Künsting/HZB

Das Prinzip einer Solarzelle ist einfach: einfallende Lichtteilchen (Photonen) erzeugen in einem Halbleiter Ladungsträger. Normalerweise erzeugt ein Photon immer ein Ladungsträgerpaar (Exiton) bestehend aus einem schwach gebundenen negativ geladenen Elektron und einem positiven Loch.

An den ladungsselektiven Kontakten der Solarzelle wird das Paar getrennt. Dem Team um HZB-Forscher, Prof. Klaus Lips, ist es nun gelungen, die Solarzelle so zu bauen, dass bestimmte Photonen aus dem Lichtspektrum jeweils zwei Ladungsträgerpaare auf einmal erzeugen können.

Der Effekt, den sie hierfür nutzen, tritt in bestimmten organischen Molekülkristallen auf und heißt „Singlet exciton fission“ (SF). Er wird wirksam, wenn die Ladungsträgerpaare gewisse quantenphysikalische Bedingungen erfüllen: alle ihre Eigendrehimpulse (Spins) müssen parallel ausgerichtet sein – sie befinden sich dann in einem so genannten Triplettzustand.

Diese Triplett-Exzitonen sind recht langlebig und sehr stark aneinander gebunden. Eine Schwierigkeit ist daher, die Triplett-Paare aus dem organischen Material an der Grenzfläche zu Silizium auseinander zu reißen, sodass die frei werdenden positiven und negativen Ladungsträger zum Strom der Solarzelle beitragen können.

In einem richtungsweisenden Experiment haben die HZB-Forscher nun gezeigt, dass die Trennung der Triplett-Paare möglich ist und die Quantenausbeute pro Photon auf 200 Prozent verdoppelt werden kann. „Damit lässt sich der theoretisch maximale Wirkungsgrad einer Silizium-Solarzelle auf zirka 40 Prozent steigern“, sagt der Australier Rowan MacQueen, der sich dem HZB-Team vor zwei Jahren angeschlossen hat und die Ladungsträgermultiplikator-Solarzelle am HZB realisiert.

In dem Experiment haben die Forscher eine nur 100 Nanometer dünne organische Schicht aus Tetracene-Kristallen in die Oberfläche einer Silizium-Solarzelle integriert. Mittels spektroskopischer Untersuchungen konnten sie die Triplett-Ladungsträgerpaare in der Tetracene-Schicht nachweisen. „Die Herausforderung bestand darin, die Tetracene-Schicht so einzubauen, dass der Stromfluss der Siliziumsolarzelle nicht nennenswert gestört wird“, erläutert Klaus Lips, denn immerhin grenzt eine schlecht leitende organische Schicht an eine gut leitende Silizium-Schicht. Eine Konstellation, die den Stromfluss schnell zum Erliegen bringt.

Die Trennung gelingt mit einem zusätzlich eingebrachten organischen Leiter, genannt PEDOT:PSS. Eine weitere organische Schicht ist also notwendig. „In diesem Aufbau spielen die Grenzschichten der Materialien eine besondere Rolle, weshalb das Röntgenlicht des Synchrotrons BESSY II@HZB das richtige Werkzeug für die Analytik ist“, nennt MacQueen einen wichtigen Aspekt der Arbeit.

Die Messergebnisse der ersten Silizium-Multiplikatorsolarzelle mit der organischen Huckepack-Schicht zeigen deutlich: Tetracene absorbiert den blau-grünen Anteil des Lichts, die energieärmeren Photonen werden vom Silizium absorbiert. Mit einer Simulation konnten die Forscher abschätzen, dass derzeit zirka fünf bis zehn Prozent der erzeugten Triplett-Paare dem Solarstrom zugefügt werden konnten.

Klaus Lips wertet dies als riesigen Erfolg und kündigt zugleich Nachfolgeexperimente an: „Der zusätzliche Stromfluss, der durch die Huckepackschicht erzeugt wird, ist in dem aktuell vorgestellten Experiment zwar noch nicht sehr groß, jedoch haben wir mit dieser Solarzellenstruktur gezeigt, dass der Ansatz prinzipiell funktioniert. Und wir wissen bereits, was wir tun müssen, um die Ausbeute an getrennten Triplett-Exzitonen auf bis zu 200 Prozent erhöhen zu können.“

Weiterführende Informationen:

Das Rennen um die besten Wirkungsgrade in der Silizium-Technologie

Trotz vieler Neuentwicklungen ist in der Solarzellen-Produktion derzeit immer noch Silizium das Material der Wahl. Die Produktionstechnologien sind ausgereift, die besten Solarzellen erreichen heute Effizienzen um die 25 Prozent. Der theoretisch maximale Wirkungsgrad des Halbleiters von 29,3 Prozent ist damit fast erreicht. Forschergruppen weltweit wollen sich damit aber nicht zufrieden geben. Sie suchen nach unterschiedlichen Wegen, diese Grenze in die Höhe zu treiben.

Der größte Teil des Verlusts entsteht dadurch, dass ein Teil der eingestrahlten Lichtenergie in Wärme umgewandelt wird und somit verloren geht. Nur ein Teil des Lichtspektrums kann genutzt werden, um tatsächlich elektrischen Strom zu erzeugen.

Ein häufig genutzter Ansatz zur Verminderung der Wärmeverluste ist daher die sogenannte Tandem-Solarzelle. Man kombiniert Silizium mit einem zusätzlichen Material, welches andere Bereiche des Lichtspektrums als Silizium verwerten kann. Vielversprechend sind aktuell Silizium-Perowskit-Tandems, an denen auch das HZB forscht.

Zum Beispiel:
https://www.helmholtz-berlin.de/pubbin/news_seite?nid=14839&sprache=de&t…

Klaus Lips und sein Team gehen andere Wege und wollen ohne ein neues Solarzellenmaterial auskommen. Vor ein paar Jahren haben sie zum Beispiel Experimente zur so genannten photochemischen Hochkonversion gezeigt. Hierbei werden zwei energiearme Photonen, die eigentlich in der Solarzelle wirkungslos bleiben, zu einem energiereichen Photon gebündelt, das anschließend zur Stromgewinnung beiträgt.

Der hier vorgestellte SF-Ansatz ist eine neue, vielversprechende Methode der Quantenphysik, die der Photovoltaik-Technologie einen neuen Schub geben kann.

Prof. Dr. Klaus Lips (lips@helmholtz-berlin.de)

Dr. Rowan MacQueen (rowan.macqueen@helmholtz-berlin.de)

DOI: 10.1039/c8mh00853a

https://www.helmholtz-berlin.de/pubbin/news_seite?nid=14944&sprache=de&t…
https://www.helmholtz-berlin.de/forschung/oe/ee/perowskite/index_en.html
https://www.helmholtz-berlin.de/pubbin/news_seite?nid=13469&sprache=de

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