Hitzewelle 2015 – Schwitzen auf der Wärmeinsel

An drei Stellen in Karlsruhe stellten Wissenschaftler des IMK Wettermessmasten auf, um unter anderem die Temperatur zu messen. (Bild: Lydia Albrecht / KIT)

Rekordhitze und warme Tropennächte bestimmten in den vergangenen Wochen den Alltag der Deutschen. Besonders in den Großstädten der Oberrheinischen Tiefebene, im Mittel einer der wärmsten Regionen Deutschlands, kamen die Bewohner ins Schwitzen – so auch in Karlsruhe.

„Städte sind Wärmeinseln. Hier ist es oft ein paar Grad wärmer als im Umland“, sagt Julia Hackenbruch vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am KIT. „Dieser Temperaturunterschied ist nachts nach Tagen mit hoher Sonneneinstrahlung besonders ausgeprägt, da sich die Städte langsamer abkühlen als das Umland. Baumaterialien speichern tagsüber sehr viel Wärme und geben diese in der Nacht wieder ab.“

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit wollte Julia Hackenbruch unter anderem auch herausfinden, wie ausgeprägt dieser Unterschied während der vorhergesagten Hitzewelle Anfang August sein kann. Dazu stellten Wissenschaftler des IMK vor Beginn der Hitzeperiode an drei verschiedenen Stellen im Karlsruher Stadtgebiet Wettermessmasten auf – am Hauptfriedhof, in einem begrünten Innenhof in der Oststadt (Vincenz-Prießnitz-Straße) und in einem versiegelten Innenhof in der Weststadt (Sophienstraße).

„Durch diese Auswahl der Standorte haben wir verschiedene Bebauungsstrukturen und Grünflächenanteile berücksichtigt“, sagt Julia Hackenbruch. „Für den Vergleich unserer Messungen in der Stadt mit Temperaturen aus dem Umland haben wir die Messdaten der Station Rheinstetten des Deutschen Wetterdienstes herangezogen.“ Weil die Messstationen des Deutschen Wetterdienstes grundsätzlich repräsentativ für ein größeres Gebiet sein sollen und daher von der direkten Umgebung möglichst unbeeinflusst sein müssen, können die dort gemessenen Temperaturen sich erheblich von denen vor der eigenen Haustür unterscheiden.

Nach Auswertung der Ergebnisse zeigen sich tatsächlich zum Teil große Diskrepanzen zwischen Stadt und Umland sowie innerhalb des Stadtgebietes. „Die größte Differenz konnten wir in der Nacht vom 7. auf den 8. August feststellen. Zum Messtermin 00 Uhr war es in der Weststadt noch über 28 °C warm, während es sich in Rheinstetten bereits auf unter 22 °C abgekühlt hatte – ein Unterschied von fast 7 Grad“, sagt Julia Hackenbruch.

„Innerhalb der Stadt an den drei Stationen gab es ebenfalls deutliche Unterschiede.“ So sanken die Temperaturen über die gesamte Nacht betrachtet am Hauptfriedhof auf minimal 22,7 °C, in der Oststadt auf 23,4 °C und in der Weststadt nicht unter 24,7 °C. Wer also sein Schlafzimmer zum versiegelten Innenhof in der Sophienstraße hatte, kam in dieser Nacht besonders ins Schwitzen.

Deutliche Unterschiede zeigten sich auch bei den Maximaltemperaturen am Tage. So stieg das Thermometer am 7. August in Rheinstetten auf maximal 37,7 °C, am Hauptfriedhof auf 38,1 °C und im Innenhof in der Vincenz-Prießnitz-Straße auf 38,6 °C. Dagegen blieb die Maximaltemperatur im versiegelten Innenhof in der Weststadt am geringsten und stieg „nur“ auf 35,2 °C.

Wie erklären sich diese Unterschiede innerhalb der Stadt? „Die Tatsache, dass sich der versiegelte Innenhof bei sehr hohen Umgebungstemperaturen vergleichsweise weniger aufheizt, liegt in der engen Bebauung begründet, die bewirkt, dass der Hof fast ganztägig im Schatten liegt“, erläutert Julia Hackenbruch.

„Dieser Sonnenschutz ist im Innenhof in der Oststadt nicht gegeben. Die beschienene Grünfläche am Hauptfriedhof ist im Vergleich dazu etwas kühler, da hier durch Verdunstung von Feuchtigkeit über die Vegetation ein leichter Kühleffekt eintritt. Dieser hätte noch stärker sein können, wäre die Grünfläche dort in Folge der vorangegangenen Hitze und des fehlenden Niederschlags nicht bereits sehr ausgetrocknet gewesen.“

In der Nacht wiederum erweist sich der tagsüber relativ kühle versiegelte Innenhof in der Sophienstraße als nachteilig. Aufgrund der engen Bebauung und der Wärmespeicherung durch die massive Bausubstanz bleibt es hier warm und schlecht belüftet. Vincenz-Prießnitz-Straße und Hauptfriedhof sind dagegen kühler, nicht zuletzt auch wegen ihrer Nähe zum Hardtwald.

„Durch langwellige Ausstrahlung entsteht in Wäldern und Parks in der Nacht bei wolkenlosem Himmel kühle Luft am Boden, während dieser Effekt durch die hohe Wärmekapazität der Stadtbebauung in den kurzen Hochsommernächten nicht genügend Wirkung zeigt. Die kühlere und daher schwerere Luft aus den Grünflächen sickert dann langsam in die nächstgelegenen Viertel der Stadt. Diesen Effekt kann man in Sommernächten beispielsweise sehr gut entlang der Strahlen des Karlsruher Fächers am eigenen Körper in Form einer leichten Brise spüren“, erklärt die Doktorandin des KIT.

Ihre Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich Städte während Hitzeperioden als Wärmeinseln erweisen. Besonders ausgeprägt und für schlafende Bewohner unangenehm ist dieser Umstand in der Nacht, auf schlecht belüfteten Innenhöfen der Innenstadt. Etwas besser lässt es sich dagegen am Stadtrand, am besten jedoch im Umland aushalten, wo es in der vorliegenden Untersuchung bis zu 7 Grad kühler war. Zudem wird deutlich, wie stark das Stadtklima auch innerhalb der Stadt variiert.

Weiterer Kontakt:

Nils Ehrenberg, Presse, Pressereferent, Tel.: +49 721 608-48122, Fax: +49 721 608-43658, E-Mail: nils.ehrenberg@kit.edu

Das KIT verfügt über umfangreiche fachliche Kompetenzen zur Erforschung, Entwicklung und integrativen Planung der Stadt der Zukunft in allen wesentlichen Aspekten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf KIT-Zentren – Klima und Umwelt; Energie; Mobilitätssysteme; Mensch und Technik; Information, Systeme, Technologien – befassen sich aus disziplinärer Perspektive und in inter- und transdisziplinärer Weise mit der Erforschung und nachhaltigen Gestaltung urbaner Räume.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vereint als selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben einer Universität des Landes Baden-Württemberg und eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft. Seine drei Kernaufgaben Forschung, Lehre und Innovation verbindet das KIT zu einer Mission. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 24 500 Studierenden ist das KIT eine der großen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas.

Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.kit.edu

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Monika Landgraf

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