Hightech-Waffen verkürzen Kriege nicht

Wenn ein Heer seine Kriegsführung allein auf den Angriff des Gegners ausrichtet, wird der Krieg damit meist nicht verkürzt.

Zu diesem Schluss kommt der Politologe Marco Nilsson von der Universität Göteborg. „Man kann nicht sagen, dass der Fortschritt der Waffentechnik die Kriegsdauer verkürzt hätte. Selbst wenn man die zwei Weltkriege nicht mitrechnet, dauern Kriege seit 1800 immer länger“, so Nilsson im pressetext-Interview. Für seine Forschung hat er alle zwischenstaatlichen Kriege zwischen 1817 und 1992 analysiert.

Kein Vorteil durch klügere Angriffstechnik

Ein kurzer Krieg ist laut dem Wissenschaftler stets vorteilhafter als ein langer, sofern der angreifende Staat dadurch nicht primär von internen Problemen ablenken wolle. „Lange Konflikte wie etwa der Irakkrieg sind extrem kostspielig, fordern mehr Menschenleben und somit auch Popularität. In einer Demokratie kann das schnell zur Abwahl führen, wie man aktuell am Beispiel der US-Republikaner vermuten könnte.“ Weit verbreitet sei die Meinung, dass das Rezept dafür überlegene Angriffswaffen sind. Das stimmt jedoch nicht, zeigte die Statistik, wie auch Offensiv-Technik nicht grundsätzlich vorteilhafter als die Defensive sei.

In der Geschichte wurden Angriffe immer wieder durch technische und menschliche Fehler, Gegebenheiten wie Terrain und Wetters oder die Art der Kriegsführung verzögert. „Selbst auf präzisionsgelenkte Munition, wie sie etwa die USA verwendet, darf sich ein angreifender Staat nicht zu sehr verlassen. Derartige Waffen sind sehr teuer, erfordern viel Training und brauchen die genaue Erfassung, die nur in Wüstengegenden möglich ist. In Städten, Urwäldern oder Bergregionen wie Afghanistan sind aber selbst Nachtsichtgeräte oft nutzlos“, betont Nilsson.

Langer Weg an den Verhandlungstisch

Die Annahme angreifender Staaten, Gegner komplett 'niederwälzen' zu können, übersehe zudem meist, dass jeder Krieg so lange dauert, bis beide Seiten dessen Ende erklärt haben. Dieser Schritt lasse jedoch oft lange auf sich warten. „Zwei Staaten könnten leicht einen bewaffneten Konflikt lösen, würden sie sich am Verhandlungstisch niedersetzen und ihre Forderungen nur auf militärische Kapazität begründen. Das geschieht in der Realität jedoch kaum“.

Als Störfaktoren dafür tauchen häufig Nationalismus oder Hoffnungen auf, Gott würde im Kriegsverlauf bestimmend einschreiten oder das Land könne erhebliche Fortschritte machen. „Stalin und Hitler hofften stets, irgendwann durch mehr und bessere Waffen stärker zu werden“, erklärt der Forscher. Derart motiviert sind auch oft Gruppen innerhalb eines Landes, die nach der Niederlage der regulären Armee einen Guerillakrieg weiterführen und somit das Kriegsende hinauszögern.

Populäre Falschannahme

Zu hohes Vertrauen in die Angriffstechnik dürfte das Ausbrechen von Kriegen begünstigen das Wettrüsten beschleunigen. Ein besseres Verständnis von Chancen und Grenzen der Militärtechnik sieht Nilsson daher als Schlüssel für eine Welt, in der viele langwierige und kostspielige Kriege verhindert werden. Die neuen Erkenntnisse widersprechen der öffentlichen Auffassung – und sind vielleicht auch aus anderen Gründen bisher nie erforscht worden. „Menschen haben immer Hoffnung und glauben an den Fortschritt. Für einen Staat mit politischen Interessen an anderen Territorien ist es leider kurzfristig einfacher, an dieser Einstellung anzuknüpfen.“

Download der Originalstudie unter https://gupea.ub.gu.se/dspace/handle/2077/21522

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Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.gu.se

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