Herzklappenimplantation mit höchster Präzision

Prof. Strauch demonstriert das Kathetersystem mit einer entfalteten Herzklappe. D. Wagner / Bergmannsheil<br>

Erstmalig im Ruhrgebiet hat die Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil ein neues Katheterverfahren zur Implantation einer Herzklappe durchgeführt.

Das Behandlungsteam um Klinikdirektor Prof. Dr. Justus T. Strauch setzte zwei Patienten eine künstliche Aortenklappe mittels eines sogenannten Transkathetersystems der zweiten Generation ein: Die zusammengefaltete Herzklappe wird hierbei durch die Herzspitze eingeführt und an der Stelle der erkrankten Klappe schrittweise entfaltet. Gegenüber früheren Verfahren erlaubt es die neue Methode, die Positionierung der Herzklappe während des Eingriffs im Bedarfsfall zu korrigieren. Mögliche Komplikationen können auf diese Weise verringert werden.

Schritt für Schritt freigesetzt

„Mit dem neuen Verfahren wird die Herzklappe nicht mehr auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt freigesetzt“, erläutert Prof. Strauch. „Der Operateur kann dabei ihre Position solange nachjustieren, bis sie korrekt in der alten Herzklappe verankert ist und sie erst dann komplett entfalten.“ Das Grundprinzip der sogenannten transapikalen Aortenklappenimplantation bleibt jedoch gleich: Die neue Herzklappe, die aus einem Gittergerüst und den Klappensegeln aus Biomaterial besteht, sitzt zunächst zusammengefaltet auf der Spitze des Katheters. Mit einem kleinen Schnitt unterhalb der linken Brust des Patienten wird ein Zugang eröffnet. Hier wird der Katheter eingeführt und durch die Herzspitze (also: transapikal) bis zur alten Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Aorta vorgeschoben. Der Eingriff wird unter ständiger Ultraschall- und Röntgenkontrolle durchgeführt, sodass der Operateur die Platzierung der neuen Herzklappe am Bildschirm kontrollieren kann. Befindet sich das Kathetersystem exakt an der richtigen Stelle, löst der Operateur die Entfaltung der Klappe aus. Beim Transkatheter der zweiten Generation erfolgt dies statt in einem in drei Schritten. Mit der neuen Klappe wird die alte, erkrankte Klappe aufgedehnt: Der ungehinderte Blutfluss wird auf diese Weise wieder hergestellt.
Eingriff ohne Herz-Lungenmaschine

Am 8. März dieses Jahres haben Prof. Strauch und sein Team zwei Patienten erfolgreich mit dem neuen Verfahren behandelt, einen 81-jährigen und einen 83-jährigen Mann. Seine Klinik ist damit die erste im gesamten Ruhrgebiet und eine von nur sechs Kliniken in Deutschland, die diese Methode anwendet. Generell böte die transapikale Herzklappenimplantation gerade für ältere Patienten erhebliche Vorteile, so Prof. Strauch: „Eine Öffnung des Brustkorbs per Sternotomie ist hier nicht erforderlich, außerdem führen wir den Eingriff am schlagenden Herzen durch: Deshalb können wir darauf verzichten, das Herz des Patienten während des Eingriffs stillzulegen und ihn an die Herz-Lungenmaschine anzuschließen.“ Denn diese konventionellen Maßnahmen seien vor allem für ältere Patienten mit instabilem Allgemeinzustand und begleitenden Erkrankungen besonders belastend und oft zu risikoreich.
Neues Verfahren verringert Komplikationsrisiken

Durch das neue Transkatheterverfahren der zweiten Generation würde außerdem das Komplikationsrisiko noch einmal verringert, das sich durch eine inkorrekte Positionierung der Herzklappe ergeben könnte. Laut Prof. Strauch ist das beim herkömmlichen Transkatheterverfahren bei etwa zehn Prozent der Eingriffe der Fall. Mit dem Transkatheter der zweiten Generation könne diese Komplikationsrate auf etwa vier Prozent gesenkt werden. „Außerdem kann der Operateur mit mehr Ruhe und bei normalem hämodynamischen Druck arbeiten: Blutdruckstabilisierende Medikamente sind also bei der neuen Methode nicht erforderlich“, so Prof. Strauch. Für jüngere Patienten ohne besonderes Behandlungsrisiko sei allerdings der klassische chirurgische Aortenklappenersatz ohne Kathetereinsatz nach wie vor der therapeutische Goldstandard. „Die Klappentypen sind hierbei in der Regel deutlich langlebiger“, weiß der Herzchirurg. Für ältere Hochrisikopatienten sei das Katheterverfahren dagegen eine mittlerweile erfolgreiche etablierte und wissenschaftlich gestützte Behandlungsoption – sowohl mit dem Transkatheter der ersten wie der zweiten Generation.
Aortenklappenstenose: Häufigster Herzklappenfehler

Verengungen der Aortenklappe (sogenannte Aortenklappenstenose) gelten als die häufigsten Herzklappenfehler beim Menschen. Schätzungsweise zehn Prozent der über 75-Jährigen leiden daran. Hervorgerufen wird die Aortenklappenstenose im Allgemeinen durch Entzündungen oder Kalkablagerungen an der Klappenöffnung. Verringert sich die Öffnung der Klappe, so ist an dieser Stelle ein höherer Druck erforderlich, um die gleiche Menge Blut durch die Aortenklappe in die Brustschlagader zu pumpen. Die Folge sind eine stärkere Beanspruchung und Verdickung des Herzmuskels und eine Verringerung der Blut- und Sauerstoffversorgung im Herzen sowie im ganzen Körper. Bemerkbar macht sich die Erkrankung anfänglich durch Atemnot oder ein Engegefühl in der Brust. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zur zeitweisen Bewusstlosigkeit und zur Ausbildung einer Herzinsuffizienz kommen. Bei einer schwergradigen Symptomatik muss die erkrankte Herzklappe in der Regel operativ ersetzt werden. Dies kann konventionell über eine Öffnung des Brustkorbs erfolgen oder mit den erwähnten minimalinvasiven, interventionellen Katheterverfahren.
Transapikal und transfemoral

Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI = Transcatheter Aortic Valve Intervention) kann auf zwei Wegen durchgeführt werden: Mittels eines kleinen Schnittes unterhalb der linken Brust und über die Herzspitze (transapikale Aortenklappenimplantation) oder über einen kleinen Zugang in den Leistengefäßen des Patienten (transfemorale Aortenklappenimplantation). Am Universitätsklinikum Bergmannsheil werden beide Verfahren von der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie sowie von der Klinik für Kardiologie und Angiologie (Direktor: Prof. Dr. Andreas Mügge) praktiziert.

Über das Bergmannsheil

Das Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinikum Bergmannsheil repräsentiert den Strukturwandel im Ruhrgebiet wie kein anderes Krankenhaus: 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung von verunglückten Bergleuten gegründet, zählt es heute zu den modernsten und leistungsfähigsten Akutkliniken der Maximalversorgung und gehört zum Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum (UK RUB). In 22 Kliniken und Fachabteilungen mit insgesamt 622 Betten werden jährlich rund 19.000 Patienten stationär und ca. 60.000 ambulant behandelt. Mehr als die Hälfte der Patienten kommen aus dem überregionalen Einzugsbereich. Weitere Informationen im Internet unter: www.bergmannsheil.de.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Justus T. Strauch
Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: 0234/302-6000 (Sekretariat)
E-Mail: justus.strauch@bergmannsheil.de

Pressekontakt:

Robin Jopp
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wi-Med Bergmannsheil GmbH
c/o Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Tel.: 0234/302-6125
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