Hausärzte begeistern: Maßnahmen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung

Wirksame Lösungskonzepte liegen vor, werden von den hier Verantwortlichen bisher aber nur halbherzig oder gar nicht umgesetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) benennt im Folgenden die wichtigsten Maßnahmen zur Zukunftssicherung in drei zentralen Handlungsfeldern: Ausbildung, Weiterbildung und Niederlassung.

Feld 1: Medizinstudium (= Ausbildung)
Studierende der Medizin müssen im Rahmen ihrer Ausbildung, die überwiegend an hochspezialisierten Universitätskliniken stattfindet, auch die Gelegenheit bekommen, die Diagnostik und Therapie zahlreicher häufiger, in der Regel ambulant behandelter Erkrankungen praktisch kennen zu lernen. Viele häufige Patientenanliegen wie eine Mittelohrentzündung, ein unklarer Rückenschmerz oder eine Bronchitis kommen in der „Supramaximalversorgung“ der Unikliniken praktisch nicht vor. Wie international bereits üblich, ist daher auch in Deutschland ein längerer Ausbildungsabschnitt in allgemeinmedizinischen Praxen sinnvoll und notwendig. Strategien zur Langzeitversorgung chronisch Kranker, der Umgang mit der gleichzeitigen Anwendung verschiedener Arzneimittel (Multimedikation), Hausbesuche oder die Versorgung in Alten- und Pflegeheimen können nur hier vermittelt werden. Dabei würden alle Studierenden, auch und gerade wenn Sie später z.B. als Chirurg oder Psychiater arbeiten, von einem intensiveren Ausbildungsabschnitt in einer allgemeinmedizinischen Lehrpraxis profitieren. Mehrere Studien zeigen, dass Praktika in Lehrpraxen und das persönliche Kennenlernen dieses Berufsfeldes nicht nur die Ausbildung verbessern und verbreitern, sondern auch die Bereitschaft erhöhen, nach dem Studium eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin anzustreben.

Zur Verbesserung der Ausbildung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte sowie zur Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung schlägt die DEGAM deshalb vor:

• Eine für alle Studierende verbindlich vorgeschriebene Ausbildungszeit in allgemeinmedizinischen Lehrpraxen (sog. Pflichtquartal im Praktischen Jahr)

• Frühzeitiger Kontakt aller Medizinstudierenden auch zu „normalen“ Patienten in allgemeinmedizinischen Praxen

• Einrichtung allgemeinmedizinischer Lehrstühle an allen medizinischen Fachbereichen der Universitäten (bisher bestehen erst an 22 von 37 Medizinfakultäten eigenständige Institute oder Abteilungen für Allgemeinmedizin)

Feld 2: Weiterbildung
Es gibt in Deutschland junge Ärzte/innen, die motiviert sind, Facharzt/ärztin für Allgemeinmedizin zu werden, denen dieser Weg aber aufgrund regional ausgeschöpfter Fördertöpfe bei der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung verwehrt wurde. Die Weiterbildungszeit zum Facharzt/ärztin – die meistens direkt an das Studium anschließt – dauert mindestens fünf Jahre, von denen in der Regel drei Jahre im Krankenhaus und zwei Jahre in der ambulanten hausärztlichen Versorgung abgeleistet werden. Da Ärzte in Weiterbildung noch unter Aufsicht tätig werden und (in der Praxis) keine Leistungen abrechnen dürfen, hat der Gesetzgeber für bundesweit mindestens 5.000 Stellen ein Förderprogramm zur Weiterbildung der dringend benötigten Allgemeinärzte geschaffen. Aufgrund fehlender bundesweiter Abstimmung und infolge von regionalen Auseinandersetzungen zwischen Haus- und Fachärzten, kommt es hier wiederholt zu völlig unnötigen Umsetzungsproblemen. Die DEGAM schlägt vor:

• Jede/r junge Arzt/Ärztin, die/der sich für das Fach Allgemeinmedizin entscheidet, muss zukünftig einen verbindlich garantierten Förderanspruch in Form eines persönlichen Weiterbildungsbudgets für die gesamte Dauer der Weiterbildung bekommen.

• Zur Überwindung organisatorischer und fachlicher Hürden sollten flächendeckend regionale Weiterbildungsverbünde, bestehend aus weiterbildenden Kliniken und Praxen, aufgebaut werden.

• Zur Gewährleistung einer nahtlosen Verbindung zwischen universitärer Ausbildung und Weiterbildung sollen nach bereits erfolgreichen nationalen und internationalen Vorbildern für alle 37 Medizinfakultäten Kompetenzzentren für die Weiterbildung Allgemeinmedizin geschaffen werden. Sie helfen beim Wechsel von der universitären Ausbildung in die Phase der Weiterbildung zum Facharzt/ärztin, indem sie fachliche Begleitseminare organisieren, den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung Mentoren zur Seite stellen und fachlich-didaktische Schulungen für die Seminarleiter anbieten. Die Qualität wird dabei durch regelmäßige Befragungen der Teilnehmenden gesichert.

• Zur gezielten und einheitlichen Unterstützung der in Aus- und Weiterbildung notwendigen Maßnahmen soll eine „Förderstiftung Allgemeinmedizin“ geschaffen werden, an der alle Verantwortlichen und Kostenträger sowie Bund und Länder beteiligt sind.

Feld 3: Niederlassung in der Praxis
64 % der neuen Fachärzte für Allgemeinmedizin sind weiblich, Tendenz steigend. Die Mehrzahl der jungen Ärztinnen und Ärzte möchte nicht mehr als Einzelkämpfer in eigener Praxis arbeiten und bevorzugt stattdessen die Anstellung in einer Gemeinschaftspraxis. Um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, werden oftmals Teilzeitarbeitsverhältnisse gesucht. Die Hausarztpraxis der Zukunft wird daher in der Regel eine Teampraxis sein, in der auch die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen (z.B. der Pflege) eine wichtige Rolle spielt.

Neue, kooperativ ausgerichtete Modelle zur Versorgung der Patienten, die sowohl der starken Zunahme chronisch und mehrfach Erkrankter als auch den Bedürfnissen des Nachwuchses entsprechen, sind sinnvoll, zum Teil sehr attraktiv und könnten je nach regionalen Bedürfnissen und Besonderheiten eine interessante Alter-native zur klassischen Einzel-Hausarztpraxis darstellen. Jungen Ärzten/innen und ihren Familien muss es u.a. ermöglicht werden, dass sie in den von ihnen bevorzugten Ballungsräumen wohnen bleiben und dennoch einer (Teilzeit-)Tätigkeit in schwächer strukturierten bzw. ländlichen Gebieten nachgehen können. Es kommt hinzu, dass das Gespräch und die persönliche Zuwendung von Hausärzten immer noch schlechter bezahlt werden, als die Erbringung technischer Leistungen durch spezialisierte Fachärzte (z.B. Labor- oder Röntgenärzte). Hier muss ein fairer Ausgleich geschaffen und einer verbreiteten, gleichzeitig nebeneinander bestehenden Über-, Unter- und Fehlversorgung Einhalt geboten werden. Die DEGAM schlägt vor:

• Gezielte Förderung und Erprobung neuer Versorgungskonzepte, die den Bedürfnissen chronisch kranker Patienten besser gerecht werden und darüber hinaus für junge Ärzte/innen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern,

• Umgestaltung des ärztlichen Honorarsystems und Aufwertung insbesondere gesprächs- und betreuungsintensiver Leistungen,

• Ausgleich von nebeneinander bestehenden Bereichen mit Überversorgung (z.B. unnötige Untersuchungen), Unterversorgung (z.B. lückenhafte palliativmedizinische Betreuung von Schwerkranken) und Fehlversorgung (Qualitätsmängel bei der Durchführung von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen).

Fazit
Die Sicherung einer flächendeckenden, wohnortnahen gesundheitlichen Grundversorgung der Bevölkerung ist eine nationale Aufgabe mit höchstem Stellenwert. Der Schlüssel zur Lösung dieser Aufgabe liegt in einer guten allgemeinmedizinischen Ausbildung der Medizinstudierenden und der professionellen Weiterbildung der dafür dringend benötigten Fachärzte/innen für Allgemeinmedizin. Die hausärztliche Versorgung aller Patienten hat nur dann eine Zukunft, wenn es gelingt, jetzt die Weichen richtig zu stellen und attraktive, in die Zukunft weisende Angebote zu machen.

Die DEGAM hat sich auch in 24 Zukunftspositionen (Allgemeinmedizin – spezialisiert auf den ganzen Menschen) nachdrücklich dazu geäußert, welche Elemente für eine gute Zukunft der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Praxis erforderlich sind.

Die Zukunftspositionen sowie die vollständige Pressemitteilung finden Sie auch auf der Homepage der DEGAM.

Media Contact

Philipp Gehring idw

Weitere Informationen:

http://www.degam.de

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