Handschrift digital verstehen – DFKI Spin-Off "digipen technologies" startet erfolgreich

Doch in der Kundenberatung, im Außendienst oder wo immer Informationen vor Ort auf Papier niedergeschrieben werden – das handschriftlich ausgefüllte Formular dient in vielen Geschäftsbereichen als primärer Informationsträger und rechtsverbindliche Urkunde. Bis die eingetragenen analogen Daten aber digitalisiert sind und weiterverarbeitet werden können, gibt es meist lange Prozessunterbrechungen. Oftmals sind manuelle Nachbearbeitung, Rückfragen und Korrekturen erforderlich.

Um diese Prozesse effizienter zu gestalten, wurde am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Verbund mit Technologiepartnern ein System entwickelt, das hierbei nicht bloß Papier, sondern Zeit und Kosten sparen kann: digipen, eine digitale Stiftlösung zum automatischen Erkennen von handgeschriebenen Formularen und zum Erstellen rechtsverbindlicher digitaler Signaturen.

Prof. Dr. Andreas Dengel, Leiter des Forschungsbereiches Wissensmanagement am DFKI: „Mittels digipen werden die handschriftlichen Daten sofort digitalisiert, in elektronischen Text umgewandelt und zur Weiterverarbeitung an verschiedenste Systeme weitergeleitet. So wird die Kluft zwischen handschriftlichen Aufzeichnungen und der bereits existierenden EDV-/IT-Infrastruktur von Unternehmen überbrückt.“

Die denkbar einfache Funktionsweise von digipen lässt sich am Beispiel eines Berater-Kunden-Gespräches erläutern: Vor dem Beratungsgespräch werden die Formulare wie gewöhnlich am Computer erstellt und mit den bereits vorhandenen Kundendaten versehen ausgedruckt. Dabei wird das Papier mit einem sogenannten Anoto-Muster versehen, einem individuellen, fast unsichtbaren Punktmuster. Im Kundengespräch wird es dann mit dem „digipen“ ausgefüllt.

Der Stift verfügt über ein infrarotbasiertes Kamera-System, welches anhand des Anoto-Musters auf dem Papier genau erkennt, wo der Stift aufgesetzt und was geschrieben wird. So wird das analoge Schriftbild digital aufgezeichnet und die handschriftlichen Notizen gespeichert. In einer Docking-Station werden die Daten des Stifts per Bluetooth oder USB-Schnittstelle an einen Computer oder den Firmenserver übertragen.

Das im DFKI entwickelte Programm zur Handschrifterkennung analysiert und digitalisiert die Daten, bevor sie in Form eines weiterverarbeitbaren elektronischen Textes an eine Datenverarbeitungssoftware gesendet werden. Natürlich können in der Software noch Korrekturen im Text vorgenommen werden.

Automatische Unterschriftenverifikation entlarvt Fälschungen

Die entwickelte digitale Stiftlösung ermöglicht neben der Erfassung von handschriftlichen Notizen auch eine fortgeschrittene elektronische Signatur und somit eine rechtsverbindliche digitale Unterschrift. Aktuell wurde in das System eine automatische Unterschriftsverifikation integriert. Sie überprüft, ob bei der Unterzeichnung ein Fälschungsversuch vorliegt. Ein digitales biometrisches Referenzmodell der Unterschrift kann so beispielsweise auf einer Kundenkarte hinterlegt sein und jede neue Unterschrift automatisch verifiziert werden – sicherer als eine schnelle visuelle Überprüfung durch einen Berater.

Erfolgreicher Einsatz führt zur Ausgründung

Seit Oktober 2012 wird das digipen-System erfolgreich in der Kreissparkasse Kaiserslautern (KSK) eingesetzt und wurde bereits auf dem Innovationskongreß der Sparkassen präsentiert. Allein im Umfeld der über 400 Sparkassen in Deutschland sind einige Zehntausende von Mitarbeitern täglich mit Kundengesprächen befasst. Die ausgefüllten und unterschriebenen Dokumente werden typischerweise gesammelt, an die Zentrale geschickt und dort per Hand in die Bestandssysteme eingepflegt.

Eine der größten Sparkassen in Rheinland-Pfalz ist die KSK Kaiserslautern, mit fast 800 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von 3,9 Mrd. Euro. In den insgesamt 50 Geschäftsstellen wurden mittlerweile 250 Arbeitsplätze mit dem digitalen Stift ausgestattet. Europaweit ist es das erste Mal, dass eine zertifizierte Anoto-Stiftlösung für rechtlich relevante Kundenunterschriften im Banking-Bereich eingesetzt wird.

„Durch die Möglichkeit, in jedem Stift 80-100 DINA4 Seiten zu speichern und diese mobil als Bild oder als unveränderbares PDF zu übertragen, sparen wir uns die Digitalisierung und zentrale Erfassung der Daten“, so Kai Landes, Mitglied des KSK-Vorstandes. „Das Formular erhält somit einen rechtsverbindlichen Charakter und die erkannten Formulardaten sind nahtlos in vorhandene Prozessstrukturen integrierbar sowie ohne Zeitverlust elektronisch weiter verarbeitbar.“ Vom Bezirksverband Pfalz wurde das gemeinsame Projekt nun für den Zukunftspreis Pfalz 2013 nominiert.

Der erfolgreiche Praxiseinsatz war Motivation die digipen technologies als eigene Firma mit Sitz in Kaiserslautern auszugründen. So kann sich die DFKI-Technologie weiter am Markt behaupten und verbreiten. Einher mit der Ausgründung ging der Übergang des vorherigen Projektpartners Bend-IT GmbH in das neue Unternehmen. digipen technologies ist ein weiterer Baustein in der nachhaltigen Spin-Off-Geschichte des DFKI. Mittlerweile wurden bereits über 60 Unternehmen mit ca. 1.700 hochqualifizierten Arbeitsplätzen aus dem DFKI heraus gegründet.

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Christian Heyer idw

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