Kann Gentherapie die chronische Abstoßung von Spenderherzen verhindern?

Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg entwickeln neue Methoden, um der chronischen Abstoßung bei Spenderherzen auf molekularer Ebene gegenzusteuern: Mit Hilfe der Gentherapie, bei der künstlich erzeugte Stückchen Erbinformation in die Zellen der Blutgefäßwände des Herzens eingebracht werden und diese gezielt umprogrammieren, wollen sie – zunächst im Tierversuch – schädliche Umbauprozesse in den Herzgefäßen verhindern. Die Dietmar Hopp Stiftung fördert das Forschungsprojekt in den kommenden drei Jahren mit rund 380.000 Euro.

Die Hälfte aller transplantierten Herzen entwickelt in den ersten fünf Jahren eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, die sogenannte Transplantatvaskulopathie (TVP). Ursache sind Abstoßungsreaktionen mit anhaltenden Entzündungen in den Herzgefäßen, die auch durch die medikamentöse Unterdrückung des Immunsystems nicht vollständig beherrscht werden können. Die angegriffenen Gefäße verengen und verschließen sich mit der Zeit vollständig; der Herzmuskel wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Bei einem Drittel der betroffenen Patienten führt die chronische Abstoßungsreaktion innerhalb von fünf Jahren zum Herzversagen.

Bisher keine Therapie, um schleichende Abstoßung zu stoppen

„Bisher stehen keine Therapien zur Verfügung, um die chronische Abstoßung zu stoppen; Gefäßstützen oder Bypässe eignen sich nur in Einzelfällen“, sagt Professor Dr. Klaus Kallenbach, Arbeitsgruppenleiter an der Universitätsklinik für Herzchirurgie Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Matthias Karck). Wegen des Mangels an Spenderorganen haben die Patienten auch nur sehr geringe Chancen, ein neues Herz zu erhalten. „Wir brauchen daher dringend neue Therapieansätze“, so der Herzchirurg.

Ein solcher Ansatz könnte die sogenannte Gentherapie sein, an der am Universitätsklinikum Heidelberg vor allem zur Behandlung der Herzschwäche in den letzten Jahren intensiv geforscht wird. Dazu stellen die Wissenschaftler kurze Abschnitte genetischer Information (DNS) künstlich her und schleusen diese in die zu behandelnden Zellen. Die Abschnitte können z.B. Bauanleitungen für Proteine enthalten, die in der Zelle defekt oder nicht ausreichend hergestellt werden, oder die Bildung schädlicher Proteine blockieren. Die DNS-Stückchen werden entweder von den Zellen direkt aus dem Blut aufgenommen oder von veränderten Viren, die keine Erkrankung mehr auslösen können, in die Zellen übertragen.

DNS-Stückchen sollen Gleichgewicht bestimmter Proteine wieder herstellen

Beim Umbauprozess der Koronargefäße am Spenderherz ist eine bestimmte Gruppe von Proteinen, die sogenannten Matrix-Metalloproteinasen (MMP), maßgeblich beteiligt. Ihre Gegenspieler sind die TIMPs (Tissue Inhibitors of Matrix-Metalloproteinases): Sie hemmen die Aktivität der MMPs. Im gesunden Gefäß besteht ein Gleichgewicht zwischen MMPs und TIMPs, bei der chronischen Abstoßung gewinnen die MMPs die Oberhand. „Unser Ziel ist es, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen“, sagt Dr. Rawa Arif, wissenschaftlicher Assistent in der Klinik für Herzchirurgie und verantwortlicher Operateur in diesem Projekt.

Dabei verfolgen die Wissenschaftler zwei Ansätze: Zum einen wollen sie mit Hilfe der eingeschleusten DNS-Abschnitte die Gefäßzellen der transplantierten Herzen dazu anregen, zusätzliche TIMPs herzustellen, zum anderen die Bildung der MMPs hemmen. Im Tierversuch mit Mäusen werden die Spenderherzen mit der Gentherapie behandelt, bevor sie dem Empfängertier eingepflanzt werden. Wie gut die vorbeugende Behandlung wirkt und wie lange die Wirkung anhält, sollen die geplanten Tests zeigen. „Sollte sich die Gentherapie im Tierversuch bewähren, hätten wir auf lange Sicht vielleicht die Chance, die Funktionszeit der Spenderherzen zu verlängern“, hofft Arif.

Das Forschungsprojekt wird gemeinsam von drei Arbeitsgruppen aus verschiedenen Abteilungen des interdisziplinären Herzzentrums des Universitätsklinikums Heidelberg bearbeitet. Neben dem Team um Professor Dr. Kallenbach und Dr. Rawa Arif sind die Arbeitsgruppen von Professor Dr. Oliver Müller, Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie der Medizinischen Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Hugo A. Katus) und Privatdozent Dr. Andreas H. Wagner, Institut für Physiologie und Pathophysiologie (Direktor: Professor Dr. Markus Hecker) beteiligt.

Weitere Informationen im Internet:
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/AG-Kardiovask-Gentherapie.118698.0.html
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Forschung.112040.0.html
Kontakt:
Dr. Rawa Arif
Universitätsklinik für Herzchirurgie Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 37 833
E-Mail: Rawa.Arif@med.uni-heidelberg.de
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