Gasnetze der Zukunft

Das 2007 in Meseberg verabschiedete Integrierte Energie- und Klimaprogramm (IEKP) sieht die energieeffiziente Erschließung des vorhandenen Biogaspotenzials auf 6% des derzeitigen Erdgasverbrauchs im Jahr 2020 bzw. 10% im Jahr 2030 vor. Voraussetzung hierfür ist die Erleichterung der Einspeisung von Biogas in das bestehende Erdgasnetz, für die mit der Novellierung der Gasnetzzugangsverordnung und des EEG die notwendigen Rechtsgrundlagen 2008 und 2009 geschaffen wurden. Konkret soll so die Einspeisung von 6 Mrd. m³ im Jahr 2020 und 10 Mrd. m³ im Jahr 2030 ermöglicht werden.

Bislang gab es jedoch noch keine belastbaren Aussagen darüber, welche technischen und wirtschaftlichen Folgen die umfangreiche Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz für den Betrieb der Gasnetze und die Gasqualität hat. So fallen z.B. bei der Einspeisung von Biomethan in das Erdgasnetz bei den Netzbetreibern unvermeidbar Kosten an, die auf alle Kunden entsprechend umzulegen sind.

Die nun veröffentlichte Studie untersucht erstmals systematisch die möglichen technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Biogaseinspeisung, benennt potenzielle Probleme und schafft die Grundlage für Gegenmaßnahmen und Optimierungen. Die finanziellen Auswirkungen für den Netzanschluss von Biogasanlagen wurden beziffert und durch die Entwicklung von konkreten Vorschlägen und Vergleichsrechnungen Möglichkeiten zu ihrer Minimierung identifiziert. Das Ziel war dabei, ein Optimum zwischen minimaler finanzieller Belastung der Endkunden und einer möglichst breiten Umsetzung der Biogaseinspeisung zu finden.

Die Studie wurde vom Fraunhofer-Institut UMSICHT, Oberhausen, der BALANCE VNG Bioenergie GmbH, Leipzig und der E.ON Avacon AG, Salzgitter erstellt und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in Form einer Zuwendung unterstützt.

Die Studie beschreibt Maßnahmen zur netzkompatiblen Einspeisung von Biomethan und bewertet die Einsatzgrenzen für verschiedene Gasnetzebenen. Die Ergebnisse zeigen, dass es neben dem etablierten, teuren Verfahren der Flüssiggasbeimischung Alternativen gibt und im Ferngasnetz der Einsatz von Brennwertrekonstruktionssystemen und in Endverteilnetzen die Schaffung von Brennwertbezirken geeignete Alternativen darstellen.

Des Weiteren wurden die Kostenstrukturen von Netzanschlussstationen evaluiert. Hierzu wurden Angebote von gebauten Netzanschlussstationen ausgewertet und die Investitions- und Betriebskosten von Netzanschlussstationen detailliert nach Baugruppen, Anlagengröße und Netzdruck aufgeschlüsselt. Die Investitionskosten werden eindeutig von der Verdichterbaugruppe (ca. 60% der Investitionskosten) bestimmt, gefolgt von den Messeinrichtungen und dem Rohrleitungsbau. Die Betriebskosten (ohne Kapitalkosten) werden hingegen von den Kosten für die Brenngaskonditionierung (mit Flüssiggas) sowie den Stromkosten für die Nachverdichtung auf den Netzdruck dominiert. Des Weiteren wurde deutlich, dass die absoluten Investitionskosten nahezu unbeeinflusst von der Anlagengröße sind und deshalb Netzanschlussstationen mit geringen Gasdurchsätzen exorbitant hohe Investitionskosten verursachen.

Basierend auf den Kostenrechnungen wurden für die verschiedenen Netzebenen Szenarioanalysen über erwartbare Netzausbau- und Biogasumlagekosten bis 2020 bzw. 2030 durchgeführt. Für die Netzebene Regional- und Endverteilnetz erfolgte eine dynamische Netzsimulation zur Abschätzung kapazitätserweiternder Netzausbaumaßnahmen (Rückverdichtung). Im Ergebnis konnten die wahrscheinlichen Netzausbaukosten (Rückspeiseanlagen) sowie der umlagefähigen Biogaseinspeisekosten (Betriebskosten Netzanschluss, vermiedene Netzentgelte, Abschreibung Netzanschlussstation) bestimmt werden. Die Wirkungsanalyse auf das Transportnetz erfolgte unter veränderten Gesichtspunkten. Hier stand im Fokus, inwieweit mit alternativen Gaskonditionierungsverfahren die biogasbezogenen Netzausbau- und Betriebskosten spürbar reduziert werden können und welche Anlagenkonstellationen aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll erscheinen. Die Ergebnisse zeigen, dass mit kleinen Biomethaneinspeiseanlagen nur ein geringer Beitrag zum Ausbau der Biogaseinspeisung geleistet werden kann, diese Anlagen jedoch exorbitant hohe Ausbau- und Netzbetriebskosten verursachen.

Die Schätzung der jährlichen Konditionierungskosten mit Flüssiggas zur netzkompatiblen Biogaseinspeisung in Transportnetze verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf, alternative, kostengünstigere Brennwertkonditionierungsverfahren einzusetzen. Bei Verwendung von rechnergestützten Brennwertrekonstruktionssystemen könnten die jährlichen Brenngaskonditionierungskosten um bis zu 50 % gesenkt werden.

Abschließend wird auf Optimierungs- und Effizienzsteigerungspotenziale bei der Biogasaufbereitung und dem Netzanschluss eingegangen und das ökonomische Potenzial beziffert. Dabei erfolgte auch eine intensive Auseinandersetzung mit aktuellen Frage- bzw. Problemstellungen die derzeit in der Branche bzw. zwischen Netzanschlussnehmern und Netzbetreibern kontrovers diskutiert werden. Hierzu zählen die Anlagenverfügbarkeit von Netzanschlussstationen (Redundanz), die Mindestqualitätsanforderungen an Biomethan sowie volkswirtschaftlich sinnvolle Anlagengrößen. Das Optimum aus Investitionskostenminimierung und Anlagenverfügbarkeit ist stark abhängig von der Einspeiseleistung und der Druckstufe. Im Ergebnis wurde herausgearbeitet, wie redundante Technik und vorbeugende Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen die Anlagenverfügbarkeit erhöhen und welche Maßnahmen sich rentieren.

Die Autoren empfehlen

 kleine Einspeisekapazitäten nur zuzulassen, wenn dies zu vergleichbaren Kosten möglich ist (Einspeisung in Endverteilnetze, Wegfall Nachverdichter, Schaffung von Brennwertbezirken)

 den Einsatz alternativer Brenngaskonditionierungsverfahren (REKO-Systeme, Brennwertbezirke) weiter voran zu treiben

 die Optimierung von energieeffizienten Verdichtern sowie Gasaufbereitungsverfahren zu fördern

 einseitige Kostenoptimierungen zu Lasten volkswirtschaftlich sinnvoller Netzanschlusslösungen durch Klarstellungen in Verordnungen zu verhindern

 die zügige Entwicklung von Standardverträgen für den Netzanschluss durch die Branchenverbände

 eine Harmonisierung der technischen Netzzugangsbedingungen und die Umsetzung klarer Regelungen beim Netzanschluss für die zügige Realisierung von Netzanschlüssen

 Erhöhung der Netzbetreiberverantwortung für die Umsetzung des Netzanschlusses:
– Garantie definierter Verfügbarkeiten für den Einspeiser
– Begrenzung der Netzanschlusskosten für den Einspeiser
– höhere Entscheidungsfreiheit des Netzbetreibers bei der Wahl
des Netzanschlusspunktes und der technischen Ausgestaltung
 Planbare Rahmenbedingungen für den Einspeiser durch eine zeitlich begrenzte Festschreibung oder Erlass der vermiedenen Netznutzungsentgelte (GasNEV) für Bioerdgas-Verbraucher
Fachkontakt:
Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Urban
Fraunhofer UMSICHT
Energieanlagentechnik
Telefon +49 208 8598-1124
wolfgang.urban@umsicht.fraunhofer

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Iris Kumpmann Fraunhofer-Institut

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