FlinK-Forschung zu Freelancern: Immer mehr Erwerbstätige in "atypischen" Beschäftigungsverhältnissen

Betriebswirtschaftler und Psychologen der FernUniversität in Hagen erforschen die individuelle, subjektive Ebene von Freelancern. Dafür werden sie zu gleichen Teilen mit fast 515.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem europäischen Sozialfonds gefördert.

Weit über zwei Millionen Menschen arbeiten nach Schätzungen alleine in Deutschland als „Freelancer“, Tendenz steigend. Mit der beruflichen und persönlichen Situation solcher freier Mitarbeiter befasst sich das Forschungsprojekt „Freelancer im Spannungsfeld von Flexibilisierung und Stabilisierung (FlinK)“ in der Medien- und IT-Branche.

Zwei Lehrstühle der FernUniversität in Hagen untersuchen dabei individuelles Empfinden und Sichtweise des einzelnen Freelancers, dafür werden sie zu gleichen Teilen mit fast 515.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem europäischen Sozialfonds gefördert. Das gesamte Fördervolumen für das internationale Verbundprojekt mit Unternehmen und Hochschulen beträgt 767.491 Euro bis zum 30. April 2013. U.a. soll es konkrete Konzepte für Freelancer und die Unternehmenspraxis entwickeln.

Die FernUni-Lehrstühle Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation und Planung (Prof. Dr. Ewald Scherm) und Psychologie des Erwachsenenalters (Prof. Dr. Ingrid Josephs) erforschen die individuelle, subjektive Ebene des einzelnen Freelancers. Projektleiter in Hagen ist Privatdozent Dr. Stephan Süß (Lehrstuhl Scherm).

Hohe Anforderungen an Flexibilität

In den letzten Jahren haben zahlreiche Unternehmen ihre Strukturen flexibilisiert. Dadurch haben neue, „atypische“ Beschäftigungsverhältnisse mit ganz eigenen Rahmenbedingungen erheblich zugenommen. Die Beschäftigungsform „Freelance“ z.B. stellt an die Flexibilität dieser Erwerbstätigen sehr hohe Anforderungen, durch die Berufs- und Privatleben an Stabilität verlieren.

Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen berufliche Flexibilisierung auf der einen und dem Wunsch nach persönlicher und beruflicher Stabilität auf der anderen Seite ergibt sich einer der beiden Forschungsbereiche der FernUni-Wirtschaftswissenschaftler: Wie empfinden Freelancer ihre Beschäftigungsform? Konkret geht es um die Analyse des Commitments (des Ausmaßes ihrer Identifikation), ihrer Arbeitszufriedenheit und der durch sie empfundenen Work-Life-Balance (Einklang von Arbeit und Privatleben).

Der zweite ökonomische Forschungsbereich ergibt sich daraus, dass die von Medien- und IT-Auftraggebern geforderte hohe Qualifikation häufig aktualisiert werden müsste, auch um die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Jedoch zeigt die Praxis, dass die Freelancer sich in diesen Branchen vergleichsweise selten gezielt weiterbilden.

Bedrohung oder willkommene Herausforderung?

Den Psychologen der FernUniversität geht es um berufliche Identität, Motivation und Persönlichkeit bei älteren Freelancern. Flexibilitätsanforderungen wirken sich insbesondere in Arbeitsfeldern aus, in denen Einzelne keine identitätsstiftende und stabilisierende Orientierung mehr finden und in denen sie nur zeitweise beschäftigt sind (also anders als bei einer „klassischen“ Berufszugehörigkeit). Für die wachsende Gruppe der „älteren“ Freelancer ab dem 40. Lebensjahr verschärft sich diese Problematik, weil ihr Bedürfnis nach Stabilität und Erhalt „des Erreichten“ steigt. Dies ist mit einer neuen freiberuflichen Tätigkeit nicht erreichbar, zumindest nicht auf den ersten Blick. Was dem einen bedrohlich erscheint ist jedoch für andere eine willkommene Herausforderung. Verschiedene Faktoren wie Freunde, Familie oder das Bild von sich selbst können dazu beitragen, die besonderen beruflichen Anforderungen und Probleme zu kompensieren. Daraus ergeben sich zahlreiche Forschungsfragen.

Erste Ergebnisse werden Mitte 2010 vorliegen.

Projektleiter und Ansprechpartner der FernUniversität ist PD Dr. Stefan Süß, Lehrstuhl für BWL, insbesondere Organisation und Planung, Tel.: 02331-9872693, Stefan.Suess@FernUni-Hagen.de.

Hochschulen, Verbände und Unternehmen als Partner

Die Analyse auf der Unternehmensebene erfolgt durch die Wissenschaftliche Hochschule Lahr, deren Prof. Dr. Stephan Kaiser, Lehrstuhl für ABWL, Personalmanagement und Organisation, Konsortialführer des Verbundprojektes ist. Internationale Forschungspartner sind die Massey University (Auckland, Neuseeland), die Tel Aviv University, die Wirtschaftsuniversität Wien, die Norwegian School of Economics and Business Administration (Bergen), und die Clark University, Worcester (USA).

Als Transferpartner beteiligt sind u. a. die Gesellschaft für Informatik e.V., die DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung, der Deutsche Presseverband, der Deutsche Journalistenverband DJV, die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK), die Wirtschaftsförderung Hagen GmbH, die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di, Referat Selbstständige) und die „mediafon“ Selbstständigenberatung. Als Multiplikatoren sollen sie Projektergebnisse der Öffentlichkeit bzw. ihrer jeweiligen Klientel zugänglich machen und Kontakte zu Freelancern vermitteln, die interviewt bzw. befragt werden.

Die Praxispartner Peperoni Mobile & Internet Software GmbH, Hays AG, Hubert Burda Media, IDS Scheer, Amasol AG u.a. vermitteln ebenfalls Interview-Kontakte zu Freelancern. Außerdem ermöglichen sie Forschung im Unternehmen.

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