Festkörperphysik: Vorhersage der Quantenphysik experimentell nachgewiesen
Die regelmäßige Anordnung der Atome in einem Kristall ermöglicht komplexe Wechselwirkungen, die zu neuen Materiezuständen führen können. So gibt es auch Kristalle, die zwar räumlich dreidimensional sind, aber nur entlang einer Richtung magnetische Wechselwirkungen aufweisen, so dass sie magnetisch eindimensional sind.
Zeigen aufeinanderfolgende magnetische Momente in entgegengesetzte Richtungen, dann haben wir es mit einem eindimensionalen Antiferromagneten zu tun. Hans Bethe beschrieb dieses System erstmals 1931 theoretisch.
Dabei folgerte er aus seiner Modellierung auch, dass es möglich sein müsse, durch Energiezufuhr auch Ketten von zwei oder mehr magnetischen Momenten zu erzeugen, die in eine Richtung zeigen. Diese Ketten nannte man Bethe-Strings.
Diese Bethe-Strings lassen sich unter „normalen“ Bedingungen nicht beobachten, sie sind instabil und werden durch andere Merkmale des Systems verdeckt. Nun gelang es einer internationalen Kooperation um die HZB-Physikerin Prof. Bella Lake, durch Anlegen eines starken äußeren Magnetfeldes diese Bethe-Strings zu isolieren und experimentell sichtbar zu machen.
Zunächst stellte ein Experte aus dem Lake-Team Kristalle aus SrCo2V2O8 her, einem eindimensionalen Antiferromagnetikum, das als Modellsystem dient. Nur die Kobaltatome haben magnetische Momente, sie richten sich alle nur entlang einer Kristallachse aus, wobei sich benachbarte Momente gegenseitig aufheben.
An der Berliner Neutronenquelle BER II konnte die Probe mit Neutronen unter extrem hohen Magnetfeldern bis zu 25,9 Tesla untersucht werden.
Aus den Daten erhielten die Physiker ein Phasendiagramm der Probe als Funktion des Magnetfeldes sowie weitere Informationen über die inneren magnetischen Muster. Diese konnten sie mit den Voraussagen von Bethe, die von einer theoretischen Gruppe unter der Leitung von Jianda Wu quantifiziert wurden.
„Die experimentellen Daten sind in hervorragender Übereinstimmung mit der Theorie“, sagt Bella Lake. „Wir konnten zwei und sogar drei Ketten von Bethe-Strings eindeutig identifizieren und ihre Energieabhängigkeit bestimmen. Diese Ergebnisse zeigen uns einmal mehr, wie gut Quantenphysik experimentelle Ergebnisse erklären kann.“
Nature Physics (2020): Dispersions of Many-Body Bethe Strings Anup Kumar Bera, Jianda Wu, Wang Yang, Robert Bewley, Martin Boehm, Jianhui Xu, Maciej Bartkowiak, Oleksandr Prokhnenko, Bastian Klemke, A. T. M. Nazmul Islam, Joseph Mathew Law, Zhe Wang and Bella Lake
DOI: 10.1038/s41567-020-0835-7
Media Contact
Weitere Informationen:
https://www.helmholtz-berlin.de/pubbin/news_seite?nid=21228;sprache=de;seitenid=1Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie
Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.
Neueste Beiträge
Druck- und Temperaturmessung im Wälzkontakt
… unter Mischreibung dank innovativem Dünnschicht-Multisensor. Die Messung von Druck und Temperatur spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen technischen Anwendungen von Wälzlagern über Verzahnungen bis hin zu Dichtungen. Vor allem…
Wie Zellen die Kurve kriegen
Die Krümmung einer Oberfläche bestimmt das Bewegungsverhalten von Zellen. Sie bewegen sich bevorzugt entlang von Tälern oder Rillen, während sie Erhebungen meiden. Mit diesen Erkenntnissen unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für…
Herzinsuffizienz: Zwei Jahre mit Herzpflaster
Patient berichtet über Erfahrungen. Weltweit einzigartig: Patient*innen mit Herzschwäche wurde im Rahmen einer Studie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) im Labor gezüchtetes Herzgewebe implantiert. Das sogenannte…