Ein Exoplanet aus einer anderen Galaxie

Ein Exoplanet (rechts) aus einer anderen Galaxie und sein Stern (links): Künstlerische Darstellung des gelblichen Sterns HIP 13044 und, rechts unten, seines Planeten HIP 13044 b. HIP 13044 gehört zum Helmi-Sternstrom, einem Überrest einer Zwerggalaxie, die vor Milliarden von Jahren von der Milchstraße geschluckt wurde. Bild: ESO/L. Calçada<br>

Im Laufe der letzten 15 Jahre haben Astronomen fast 500 Exoplaneten entdeckt, die Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft umkreisen. Jetzt gelang es erstmals, einen Exoplaneten nachzuweisen, der offenbar aus einer anderen Galaxie stammt.

Der Planet hat die Bezeichnung HIP 13044 b bekommen, besitzt mindestens 1,25 Mal soviel Masse wie Jupiter und umkreist den Stern HIP 13044, der von der Erde aus gesehen in einer Entfernung von rund 2000 Lichtjahren im südlichen Sternbild »Chemischer Ofen« (lat. Fornax) steht. Der Planet wurde mit der so genannten Radialgeschwindigkeits-methode entdeckt, die misst, wie sich ein Stern aufgrund der Gravitationsanziehung eines um ihn kreisenden Planeten periodisch ein wenig auf die Erde zu und wieder von ihr weg bewegt. Für HIP 13044 gelang diese Messung mit dem leistungsfähigen Spektrografen FEROS, der am 2,2-Meter-MPG/ESO-Teleskop am La Silla-Observatorium der europäischen Südsternwarte installiert ist.

Der Stern und sein Planet waren ursprünglich Teil einer Zwerggalaxie, die vor sechs bis neun Milliarden Jahren von unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, geschluckt wurde – ein für die Entwicklung solcher Sternsysteme nicht untypischer Akt galaktischen Kannibalismus. Reste der »verschlungenen« Galaxie bleiben dabei oft für Milliarden von Jahren sichtbar, beispielsweise als langgestreckte Sternströme. Auch HIP 13044 ist Teil eines solchen Sternstroms der Milchstraße, des sogenannten Helmi-Stroms.

»Dies ist eine für uns sehr aufregende Entdeckung« sagt Rainer Klement vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der die für die hier beschriebenen Studie beobachteten Sterne ausgesucht hat. »Erstmals haben wir in einem Sternstrom, in einem Überrest einer anderen Galaxie ein Planetensystem gefunden. Aufgrund der großen Entfernung selbst der uns nächsten Galaxien ist es unmöglich, dort sicher Planeten nachzuweisen. Doch dank der Verschmelzung dieser Zwerggalaxie mit unserer eigenen haben wir jetzt einen extragalaktischen Planeten in Reichweite unserer Teleskope.« [1]

Das neu entdeckte System hat eine Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften.»Unsere Entdeckung gelang im Rahmen einer systematischen Suche nach Exoplaneten, deren Heimatsterne sich dem Ende ihres Lebens nähern« sagt Johny Setiawan (MPIA), der Leiter des Forschungsprojekts. Während HIP 13044 unserer Sonne ursprünglich recht ähnlich gewesen sein dürfte, hat er vor einiger Zeit die »Rote-Riesen-Phase« der Sternentwicklung durchlaufen, während derer ein Stern abkühlt und seine Hülle sich auf einige hundert Mal der Größe unserer Sonne aufbläht. Anschließend erreichte der Stern seinen vergleichsweise ruhigen heutigen Zustand, der insgesamt einige Millionen Jahre dauern dürfte. In dieser Phase gewinnt der Stern seine Leuchtkraft aus der Kernfusion von Helium zu schwereren Elementen.

Dass der Exoplanet das Rote-Riesen-Stadium seines Sterns überlebt hat, ist auch im Hinblick auf unser eigenes Sonnensystem von Interesse, denn auch unsere Sonne wird in rund fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesenstern werden. Setiawan und seine Kollegen vermuten, dass die derzeit sehr enge Umlaufbahn von HIP 13044 b (der durchschnittliche Abstand des Planeten von seinem Stern beläuft sich auf ganze 12 Prozent des Abstandes Erde-Sonne, mit einer Umlaufzeit von nur 16,2 Tagen) ursprünglich deutlich größer war, und dass sich der Planet während der Rote-Riesen-Phase auf seinen Stern zubewegt hat.

Es gibt Anzeichen dafür, dass auch die inneren Planeten des Systems ihrem Stern in dieser Phase näher gerückt sind – und dies nicht überlebt haben »Für einen Stern dieses speziellen Typs rotiert HIP 13044 vergleichsweise schnell«, so Setiawan weiter.»Das lässt sich erklären, wenn der Stern seine inneren Planeten verschluckt hat, als er ein Roter Riese war; dadurch hätte sich seine Rotation beschleunigt.« Auch die Tage von HIP 13044 b dürften gezählt sein. In der nächsten Entwicklungsphase steht eine weitere Expansion des Sterns an, und dann dürfte auch dieser Planet verschluckt werden.

Anhand eines einzigen Beispiels ist schwer zu beurteilen, wie repräsentativ dieses Schicksal eines Planetensystems ist. Genauere Schlüsse – auch zur Zukunft unseres eigenen Planetensystems – werden sich erst ziehen lassen, wenn eine deutlich größere Zahl von Planeten entdeckt worden ist, die Gestirne in den späten Phasen des Sternlebens umkreisen. Nach genau solchen weiteren Planeten suchen Setiawan und seine Kollegen im Rahmen ihres derzeitigen Projekts.

Das letzte Rätsel um das neu entdeckte System betrifft den Umstand, dass der Stern HIP 13044 kaum Elemente zu enthalten scheint, die schwerer sind als Wasserstoff oder Helium (im Sprachgebrauch der Astronomen ist er „extrem metallarm“, und insbesondere ärmer an schwereren Elementen als jeder andere Heimatstern bislang entdeckter Exoplaneten). Setiawan fügt hinzu: »In dem derzeit favorisierten Modell der Planetenentstehung ist schwer zu erklären, wie sich um einen Stern, der so wenig schwere Elemente enthält, überhaupt ein Planet gebildet haben kann.«

Kontaktinformation

Dr. Johny Setiawan (Erstautor des Artikels)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 326
E-Mail: setiawan@mpia.de
Dr. Markus Pössel (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 261
E-Mail: pr@mpia.de
Hintergrundinformationen
Die hier beschriebenen Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Eine Online-Version wird vorab am 18. November 2010 in Science Express als Setiawan et al., „A Giant Planet Around a Metal-poor Star of Extragalactic Origin“ erscheinen. Die beteiligten Forscher sind Johny Setiawan, Rainer J. Klement, Thomas Henning, Hans-Walter Rix, Boyke Rochau und Tim Schulze-Hartung (alle Max-Planck-Institut für Astronomie) sowie Jens Rodmann (European Space Agency).

Endnote

[1] Aufgrund der großen Abstände sind selbst die besten heutigen Teleskope nicht annähernd in der Lage, systematisch Exoplaneten in anderen Galaxien zu beobachten. Einige Astronomen haben allerdings den Nachweis von extragalaktischen Exoplaneten mit dem so genannten „Mikro-Gravitationslinseneffekt“ behauptet: Dabei führt der Umstand, dass ein Stern A von der Erde aus gesehen vor einem noch ferneren Stern B vorbeiläuft, zu einem winzigen Helligkeitsanstieg. Bestimmte Charakteristika dieses Helligkeitsanstiegs weisen darauf hin, dass der Stern A einen Planeten besitzt. Allerdings kommt es nur sehr selten und nur durch Zufall vor, dass die zwei Sterne relativ zu irdischen Beobachtern genau richtig ausgerichtet sind, und sie sind dies nur zu einem einzigen Zeitpunkt. Nachprüfbare Beobachtungen von extragalaktischen Exoplaneten sind auf diese Weise nicht möglich.

Media Contact

Dr. Markus Pössel Max-Planck-Institut

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