EPO: Deutscher Spitzenforscher für Europäischen Erfinderpreis 2014 nominiert

  • Tuschl bringt krankmachende Gene zum Schweigen
  • Methode zur Genstilllegung ist Meilenstein für Erforschung vielversprechender Behandlungsmethoden schwerer Krankheiten
  • Aus Bayern in den Big Apple: Deutscher Forscher macht internationale Karriere
  • EPA Präsident Battistelli: „Tuschls Erfindung ist Wegbereiter für eine neue Generation vielversprechender Arzneimittel“

Krankmachende Gene gezielt auszuschalten – dank der bahnbrechenden Forschungsergebnisse des deutschen Biochemikers Thomas Tuschl (47) ist dies heute keine Utopie mehr. Mit seiner Methode zur Stilllegung menschlicher Gene hat er die Grundlage für aussichtsreiche Therapien für genetische Störungen entwickelt, die schwere Erkrankungen wie die Bluterkrankheit (Hämophilie), Amyloidose und Porphyrie sowie einen hohen Cholesterinspiegel hervorrufen.

Für diese Leistung hat ihn das Europäische Patentamt (EPA) nun für den Europäischen Erfinderpreis 2014 in der Kategorie „Forschung“ nominiert. Europas „Oscar“ für Innovation und Erfindung wird am 17. Juni in Berlin verliehen.

Als Tuschl vor 13 Jahren eine Methode entwickelte, um bestimmte Gene im menschlichen Körper stillzulegen, sorgte er für einen Paukenschlag in der biomedizinischen Forschung. Auf einmal schien es möglich, Krankheiten zu heilen, indem man einzelne Gene abschaltet.

„Das Entscheidende damals war, das man wusste, dass lange doppelsträngige RNA nicht im Menschen funktioniert und die Zellen einfach tötet. Wir haben durch die Aufklärung des Prozesses festgestellt, dass langer Doppelstrang in kurzer verwandelt wird“, erklärt Thomas Tuschl. „Dann haben wir die kurzen Doppelstränge chemisch synthetisch hergestellt und gezeigt, dass die kurzen keine Nebenwirkungen zeigen und man damit wunderbar Gene im Humansystem ausschalten kann.“

„Die Forschungsarbeiten von Thomas Tuschl haben eine wichtige wissenschaftliche Entdeckung für den praktischen Einsatz in der Humanmedizin nutzbar gemacht“, sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Nominierung für den Europäischen Erfinderpreis 2014. „Das Verfahren ist ein veritabler Meilenstein für die Entwicklung bahnbrechender Behandlungsmethoden für weit verbreitete schwere Krankheiten und damit Wegbereiter einer neuen Generation von Arzneimitteln.“

Den Mechanismus, der Gene zum Schweigen bringt – die sogenannte RNA-Interferenz (RNAi) – hatten die amerikanischen Wissenschaftler Andrew Fire und Craig Mello bereits 1998 im Fadenwurm entdeckt. Dabei wird in einer Zelle die Übersetzung von Erbinformation für die Synthese von Eiweißstoffen (Proteinen) durch die gezielte Ausschaltung des informationsübertragenden Boten-Moleküls mRNA unterbunden.

Der gebürtige Franke Tuschl, der sein Chemiestudium an der Universität Regensburg absolvierte, arbeitete damals als Postdoktorand am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Entdeckung der beiden US-Forscher, die 2006 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden sollte, weckte sein Interesse. Gemeinsam mit seinem Postdoc-Kollegen Phillip Zamore machte er es sich zur Aufgabe, das RNAi-Experiment auf die Zellen der Taufliege und später auch auf Zellen von Säugern zu übertragen – mit Erfolg: Nachdem Tuschl 1999 nach Deutschland zurückgekehrt war, gelang es ihm am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich auch menschliche Krankheitsgene mit der RNAi-Methode stilllegen lassen.

Dafür schleuste er kurze, doppelsträngige RNA in die Zelle ein. Diese RNA-Sequenzen, die, wie Tuschl herausfand, aus genau 21 Bausteinen bestehen müssen und sich im Labor herstellen lassen, zerstören dort die Boten-RNA und schalten auf diese Weise das Gen ab: Die Proteine werden von der Zelle nicht hergestellt und ihre schädliche Wirkung kommt nicht zum Tragen, jedoch bleibt das Gen unversehrt. Damit war der Erforschung der Funktion von Genen und ihrer Rolle bei Krankheiten Tür und Tor geöffnet.

Heute spielt Tuschls Verfahren neben der Grundlagenforschung bei der Entwicklung verschiedener RNAi-basierter Therapien eine tragende Rolle. So konnten etwa bei der Behandlung bestimmter Gendefekte im Labor bereits erfolgversprechende Ergebnisse erzielt werden. In absehbarer Zeit werden diese Medikamente helfen, Patienten weltweit zu therapieren.

Tuschl zählt seit seiner revolutionären Methode zu den wichtigsten RNA-Biochemikern weltweit. Inzwischen forscht der verheiratete Vater von drei Kindern seit über zehn Jahren an der renommierten Rockefeller University, die ihn 2003 mit einem Ruf auf eine Professur nach New York lockte.

Tuschls RNAi-auslösende Genbausteine wurden frühzeitig patentiert und fanden deshalb auch rasch Verwendung in der pharmazeutischen Forschung. Das Patent gehört dem US-Unternehmen Alnylam, welches der Forscher im Jahr 2002 mitgründete. Der Biopharmazeutika-Spezialist legt seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung und Vermarktung von RNAi-basierten Therapien und verfügt über eine Marktkapitalisierung von 2,8 Milliarden Euro. Zu diesem Zweck ist es eine Reihe von Partnerschaften mit weltweit führenden Pharmaunternehmen wie Merck oder Genzyme, einem Unternehmen der Sanofi-Gruppe, eingegangen.

Für mehrere Produkte, die auf Tuschls Methode beruhen, laufen bereits klinische Studien. Schätzungen zufolge kann diese Generation von neuartigen Medikamenten vielen Millionen Patienten helfen. Das Marktpotential für die Entwicklung von Therapien, die sich das Verfahren zur Genstilllegung zu Nutze machen, liegt im Milliarden-Euro-Bereich.

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