Diamantwerkzeuge stellen feinste funktionale Oberflächenstrukturen her

Der Weg zu innovativen Produkten führt häufig über die Veränderung von Materialoberflächen: Selbstreinigende Fensterscheiben, Antifouling-Anstriche bei Schiffen oder auch elektronische Datenträger zählen zu den bekannten Beispielen. Manche Ideen lassen sich allerdings technisch noch nicht umsetzen oder erfordern einen Aufwand, der für die wirtschaftliche Nutzung zu teuer ist.

Mechanische Strukturierung als Basis für Wirtschaftlichkeit

Zwei neue Verfahren des IWT Stiftung Institut für Werkstofftechnik an der Universität Bremen versprechen in der Zukunft Abhilfe. Besonders feine Oberflächenstrukturen können dann zu neuen Produktentwicklungen in den verschiedensten Bereichen der Optik führen.

Eines der beiden Projekte wird bereits seit drei Jahren von der Volkswagen-Stiftung gefördert. Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Verfahrens zur effizienten Herstellung von „diffraktiven Optiken“.

Dies sind Optiken, die das Licht durch Beugung an Strukturen, die kleiner sind als die Lichtwellenlänge, verändern. Bei konventionellen Optiken werden Lichtstrahlen durch Brechung oder Reflexion an einer gekrümmten Oberfläche beeinflusst.

Diffraktive Optiken ermöglichen neue Funktionen

Diffraktive Optiken haben im Vergleich zu herkömmlichen Optiken große Vorteile: Sie sind kompakter und bieten eine höhere Funktionsvielfalt. Das industrielle Interesse an diffraktiven Optiken steigt daher ständig. Was bislang jedoch fehlt, ist ein kostengünstiges Verfahren zur Herstellung einzelner, maßgeschneiderter diffraktiver Optiken – wie sie etwa in der Sicherheitstechnik gebraucht werden.

Die Forscher des IWT sind gemeinsam mit Kollegen des Bremer Instituts für Angewandte Strahltechnik (BIAS) angetreten, das zu ändern. Sie entwickeln ein Verfahren, das auf der spanenden Bearbeitung mit Diamantwerkzeugen basiert. Das Besondere dabei: Zur Fertigung des Bauteils wird ein speziell dafür entwickelter „Nano Fast Tool Servo“ eingesetzt, der Muster mit einem Höhenprofil von wenigen Nanometern in die Oberfläche schreibt.

Diffraktive Optiken mit vorhandenen Werkzeugmaschinen herstellbar

Durch eine raffinierte Auswahl der Systemkomponenten ist der Gesamtaufbau nicht nur kostengünstig, sondern auch vergleichsweise einfach an vorhandene ultrapräzise Werkzeugmaschinen adaptierbar und so in eine industrielle Fertigung zu integrieren. Damit können Höhensprünge von maximal 500 nm bis auf ±10 nm genau erzeugt werden.

Für die Einzelfertigung ist dieses Verfahren ideal, denn es fasst die Fertigung der Optiken in einem Schritt zusammen. So dauert es nur wenige Minuten vom Entwurf einer diffraktiven Optik bis zur Fertigstellung – so die Planung.

Oberflächenstrukturierung zum Speichern von Daten

Anwendungsmöglichkeiten für diese Strukturierungstechnik ergeben sich in verschiedenen Bereichen: Die winzigen Höhenprofile ermöglichen es, Lichtwellen so umzulenken, dass Hologramme entstehen. Als Echtheitsmerkmal auf Produkten oder als optischer Zugangsschlüssel für Personen können diese fälschungssicheren Hologramme eines Tages zur einwandfreien Identifizierung dienen.

Zahlreiche weitere Anwendungen sind denkbar: So lassen sich mit dem vom IWT entwickelten Verfahren auch Daten auf Metallplatten schreiben. Wichtige Informationen können beispielsweise auf Nickeloberflächen mehrere tausend Jahren gespeichert werden und löschen sich nicht – wie bei einer CD oder DVD – spätestens nach einigen Jahrzehnten von selbst. Erste Hologramme wurden bereits gefertigt, wenngleich dieses Verfahren noch einige Jahre benötigen wird, um ein marktreifes Produkt zu werden.

Ein zweites Verfahren, dessen Entwicklung bereits seit 2004 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, ermöglicht die spanende Fertigung mikrostrukturierter optischer Komponenten, die bisher nicht realisierbar waren.

Bei der Konstruktion moderner optischer Systeme übersteigen die Anforderungen des Optik-Designs häufig die Möglichkeiten der Fertigung: Um besondere Effekte oder einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen, wird nach neuen Möglichkeiten gesucht, Licht von der Quelle – beispielsweise einer LED-Leuchte – auf eine Oberfläche zu lenken, auf der es vom Nutzer des Produkts wahrgenommen wird.

Fertigung von Reflektoren in Miniaturgröße

Thematisiert wird dies unter anderem in der Automobilindustrie, die neuartige Leuchten für Fahrzeuge auf den Markt bringen möchte. Ein weiteres Anwendungsfeld ist Sicherheitskleidung: Im Gegensatz zum „Katzenauge“ am Fahrrad, das 100% des Lichts zurückstrahlt, erreichen die feiner strukturierten Reflektoren auf Jacken und Hosen nur knapp 70%. Mit Hilfe des neuen Verfahrens können auch die komplexen Strukturen des Katzenauges in Miniaturgröße auf Oberflächen hergestellt werden.

Begünstigt wird davon aber auch die Entwicklung neuer Oberflächen für Verkehrsschilder. In den USA machen die Behörden bereits seit Jahren ambitionierte Vorgaben bezüglich der räumlichen Verteilung des reflektierten Lichtes.

Mikroschneiden als neues Bearbeitungsverfahren entwickelt

Um diese komplexen Strukturen mit einer Größe von 50 bis 500 µm zu fertigen, entwickelt das IWT ein neuartiges Verfahren zur Bearbeitung von Metalloberflächen, das Mikroschneiden genannt wird. Extrem scharfe, monokristalline Diamantwerkzeuge schneiden das Material nicht wie bei herkömmlichen Verfahren üblich mit einer kontinuierlichen Bewegung von Werkzeug- oder Werkstück, vielmehr fährt die Spitze des Werkzeugs einen unstetigen Werkzeugpfad entlang den Strukturkanten. Dadurch können pyramidale Mikrokavitäten und ähnliche Geometrien in optischer Qualität hergestellt werden.

Dieses weltweit einmalige Verfahren bietet sich immer dann an, wenn sowohl die Struktur selbst als auch ihr Negativ gleichermaßen prismatische Mikrokavitäten enthalten, wie dies bei den genannten Katzenaugen der Fall ist. Das Verfahren hat sich bereits im Labor bewährt und wird jetzt in einen industrietauglichen Fertigungsprozess überführt.

Dr.-Ing. Ralf Gläbe ist Mitglied der Geschäftsführung des SFB/TR4 im Labor für Mikrozerspanung an der Universität Bremen sowie Wissenschaftler am IWT Stiftung Institut für Werkstofftechnik, Bremen.

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Ralf Gläbe MM MaschinenMarkt

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