Dehnung verändert die elektrischen Eigenschaften von Graphen

Durch Druck von unten verbiegt sich das Bauelement. Dadurch verlängert sich die eingebettete Graphenschicht, und ihre elektrischen Eigenschaften ändern sich.
Foto: Universität Basel/SNI

Die elektrischen Eigenschaften von Graphen lassen sich durch eine gleichmässige Dehnung des Materials gezielt verändern, berichten Forschende der Universität Basel. Das ebnet den Weg für die Entwicklung neuartiger elektronischer Bauteile.

Graphen besteht aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen, die wabenförmig angeordnet sind. Das Material ist sehr flexibel und verfügt über hervorragenden elektrischen Eigenschaften, was es für zahlreiche Anwendungen interessant macht – vor allem für elektronische Bauteile.

Forscher um Prof. Dr. Christian Schönenberger am Swiss Nanoscience Institute und am Departement Physik der Universität Basel haben nun untersucht, wie sich durch mechanische Dehnung die elektrischen Eigenschaften des Materials beeinflussen lassen. Dazu haben sie eine Art Streckbrett entwickelt, mit der sie die hauchdünne Graphenschicht kontrolliert dehnen und gleichzeitig ihre elektrischen Eigenschaften messen können.

Sandwich auf der Streckbank

Die Wissenschaftler stellten zunächst ein Sandwich her, bestehend aus einer Lage Graphen zwischen zwei Schichten aus Bornitrid. Aufgebracht wurde das mit elektrischen Kontakten versehene Bauelement auf ein biegsames Substrat.

Anschliessend übten die Forscher mithilfe eines Keils von unten Druck auf die Mitte des Sandwichs aus. «Damit verbiegen wir das Bauelement kontrolliert und verlängern dabei die ganze Graphenschicht», beschreibt Erstautor Dr. Lujun Wang das Vorgehen.

Die Wirkung: «Durch die Dehnung des Graphens konnten wir gezielt den Abstand zwischen den Kohlenstoffatomen verändern und damit deren Bindungsenergie», erklärt Dr. Andreas Baumgartner, der das Experiment betreut hat.

Veränderte Elektronenzustände

Die Forscher kalibrierten die Dehnung des Graphens zunächst mit optischen Methoden. Anschliessend untersuchten sie mittels elektrischen Transportmessungen, wie die Verformung des Graphens die elektronischen Energien verändert. Diese Messungen wurden bei minus 269 Grad Celsius gemacht, damit die Energieänderung überhaupt sichtbar wurde.

«Der Abstand zwischen den Atomkernen beeinflussen direkt die Eigenschaften der Elektronenzustände in Graphen», fasst Baumgartner die Ergebnisse zusammen. «Bei einer gleichmässigen Dehnung können sich nur die Elektronengeschwindigkeiten und die Energie ändern. Die Energieänderung ist im Wesentlichen das theoretisch vorhergesagte ‹skalare Potenzial›, das wir nun experimentell nachweisen konnten.»

Denkbar ist, dass diese Ergebnisse beispielsweise zur Entwicklung von Sensoren oder zu neuartigen Transistoren führen. Kommt hinzu, dass Graphen als Modellsystem für weitere zweidimensionale Materialien dient, die in den vergangenen Jahren weltweit zu einem wichtigen Forschungsthema geworden sind.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Andreas Baumgartner, Universität Basel, Swiss Nanoscience Institute und Departement Physik, Tel. +41 61 207 39 06, E-Mail: andreas.baumgartner@unibas.ch

Originalpublikation:

Lujun Wang, Andreas Baumgartner, Péter Makk, Simon Zihlmann, Blesson S. Varghese, David I. Indolese, Kenji Watanabe, Takashi Taniguchi, and Christian Schönenberger
Global strain-induced scalar potential in graphene devices
Communication Physics (2021), doi: 10.1038/s42005-021-00651-y
https://doi.org/10.1038/s42005-021-00651-y

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