Computational Neuroscience: Was läuft schief im Gehirn schizophrener Patienten?

Noch vor wenigen Jahren existierten lediglich ansatzweise Vorstellungen, wodurch typische Symptome der Schizophrenie wie Aufmerksamkeitsdefizite, Wahn, Halluzinationen und Antriebsstörungen verursacht sein könnten. Die neue interdisziplinäre Forschungsdisziplin „Computational Neuroscience“ erlaubt es nun, unter Einbeziehung von Mathematik, Informatik sowie neurobiologischer und klinischer Forschung, Annahmen und Theorien zu krankhaft veränderten Prozessen in Formeln zu fassen.

In der Septemberausgabe der Zeitschrift Nature Reviews Neuroscience präsentiert eine Arbeitsgruppe aus Oxford, Barcelona und Düsseldorf erstmals eine quantitative Schizophrenietheorie, die auf einem Simulationsmodell „realistischer“ so genannter neuronaler Netzwerke basiert. Bei diesen neuronalen Netzwerken handelt es sich um Rechner-gestützte Nachbildungen des Nervensystems.

In die vorliegende Theorie einbezogen wurden klinische, physiologische, pharmakologische und molekulargenetische Befunde, die in der Januarausgabe der Zeitschrift Nature Reviews Drug Discovery vorgestellt wurden. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Simulationsmodells waren, so Prof. Dr. Georg Winterer, Psychiatrische Klinik der Heinrich-Heine Universität, eine Reihe vorangegangener Untersuchungen des Frontalhirns, die eine Verknüpfung der molekulargenetischen und pharmakologischen Ebene mit den klinischen Auffälligkeiten (kognitive Störungen, Wahn Halluzinationen Antriebstörungen u.a.) erst ermöglichten – besonders problematisch, da sie nur sehr begrenzt dazu in der Lage sind, die komplexen Gegebenheiten des menschlichen Gehirns abzubilden.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die gestörten neurodynamischen Eigenschaften im Frontal- und Temporalhirn primär gekennzeichnet sind durch ungeordnete Entladungsmuster im Gehirn in Folge einer gestörten Impulsübertragung (verminderter Signal-Rausch Abstand der neuronalen Aktivität in Folge gestörter (dopaminerger, glutamaterger und GABAerger Neurotransmission).

Der entscheidende Vorteil der computerbasierten Simulationsmodelle liegt darin, dass damit eine Alternative zu Tiermodellen bei der Entwicklung neuer pharmakologischer Behandlungsstrategien der Schizophrenie angeboten wird. Gerade bei der Schizophrenie – wie allgemein bei neuropsychiatrischen Erkrankungen, die höhere zentralnervöse Funktionen betreffen – sind Tiermodelle besonders problematisch, da sie nur sehr begrenzt dazu in der Lage sind, die komplexen Gegebenheiten des menschlichen Gehirns abzubilden.

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Susanne Dopheide idw

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