Chronische Nierenerkrankungen: Biomarker Cystatin C sorgt für eine bessere Diagnostik

Es scheint auch Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes zu begünstigen. Allerdings ist die bisher gängige Bestimmung der Nierenfunktion über den so genannten Kreatinin-Wert im Serum unbefriedigend. Wissenschaftler des „Chronic Kidney Disease Prognosis-Consortium“, darunter die Ulmer Professoren Dietrich Rothenbacher und Wolfgang Koenig, haben nun gezeigt, dass der Biomarker Cystatin C alleine oder in Kombination mit dem Kreatinin-Wert die Diagnostik verbessern kann.

Chronische Nierenerkrankungen betreffen vor allem ältere Menschen. Gerade in dieser Risikogruppe ist das gängige Kreatinin-basierte Schätzverfahren wenig zuverlässig, wird der Biomarker doch von Alter, Geschlecht und Muskelmasse beeinflusst. Aufgrund dieser und anderer Schwächen hat die internationale Forschergruppe in einer Metaanalyse untersucht, ob der Biomarker Cystatin C die Diagnostik chronischer Nierenerkrankungen optimieren könnte.

Die Wissenschaftler berücksichtigten elf repräsentative Studien mit mehr als 90 000 US-Amerikanern, Europäern und Australiern. Weiterhin werteten sie Daten von fast 3000 nierenkranken Frauen und Männern aus. „Konkret haben wir den Zusammenhang von Kreatinin- und Cystatin C-Werten der Patienten einzeln und in Kombination mit dem Risiko der allgemeinen Sterblichkeit in den Kohorten, dem Risiko des Todes nach Herz-Kreislauf Erkrankungen und dem Risiko für eine Nierenkrankheit im Endstadium untersucht“, erklärt Professor Dietrich Rothenbacher, Leiter des Ulmer Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie. Zum weiteren Vergleich teilten die Forscher Patienten in Krankheitsstadien ein – entweder aufgrund ihres Kreatinin- oder Cystatin C-Wertes.

Die Datenauswertung lieferte eindeutige Ergebnisse: Insgesamt ließen sich Nierenfunktionsstörungen mit dem Marker Cystatin C wesentlich genauer und zudem früher nachweisen — teilweise zehn oder zwanzig Jahre bevor der Kreatinin-Grenzwert überschritten wurde. Cystatin C ist zudem unabhängig von Faktoren wie Alter oder Muskelmasse und ermöglicht eine präzisere Einteilung in Krankheitsstadien – das ist für die Therapie und die Einschätzung von Risiken bedeutsam.

„Dies könnte der Anfang eines Paradigmenwechsels sein“, sagt Professor Wolfgang Koenig von der Universitätsklinik für Innere Medizin II/Kardiologie. Zwar werde es noch eine Weile dauern, bis die neuen Erkenntnisse Eingang in die Praxis fänden. Dann könnten Risikopatienten jedoch einfacher identifiziert und Folgeerkrankungen vermieden werden.

Für die aktuelle Publikation im renommierten Fachjournal „New England Journal of Medicine“ haben die Ulmer Wissenschaftler mit rund 200 Kollegen zusammengearbeitet – unter anderem von der renommierten Johns Hopkins Universität (USA). Die Studie wurde von der „National Kidney Foundation“ und weiteren Förderern unterstützt. Die beteiligten Ulmer Wissenschaftler hatten bereits 2005 in der weltweit ersten Publikation auf die Vorteile von Cystatin C als prognostischen Marker in Hochrisikopatienten hingewiesen.

Michael G. Shlipak, Kunihiro Matsushita, Johan Ärnlöv, Lesley A. Inker, Ronit Katz, Kevan R. Polkinghorne, Dietrich Rothenbacher, Mark J. Sarnak, Brad C. Astor, Josef Coresh, Andrew S. Levey, and Ron T. Gansevoort for the CKD Prognosis Consortium. Cystatin C versus Creatinine in Determining Risk Based on Kidney Function. N Engl J Med 2013; 369:932-943. DOI: 10.1056/NEJMoa1214234

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Dietrich Rothenbacher, Tel.: 0731 50-31060
Prof. Dr. Wolfgang Koenig, Tel.: 0731 500- 45010

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Annika Bingmann idw

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