Blaue Farbe schützt Kleinkrebse an der Meeresoberfläche vor Sonne und Fressfeinden

Die blaue Farbe der Ruderfußkrebse aus der Familie der Pontelliden schützt die Tiere vor der starken UV-Strahlung an der Meeresoberfläche. Foto: Janina Rahlff

Unter ruhigen Bedingungen bildet sich an der Grenze zwischen Luft und Meeresoberfläche eine weniger als einen Millimeter dünne, nährstoffreiche Schicht. Eigenschaften wie hohe Temperatur- und Salzgehaltschwankungen sowie starke Sonneneinstrahlung machen diese zu einem extremen Lebensraum. Doch bislang ist über die Lebewesen in diesem Oberflächenfilm nur wenig bekannt.

Die beiden Wissenschaftlerinnen vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) untersuchten diesen Lebensraum im tropischen Pazifik nordwestlich der Bismarck-See zusammen mit weiteren deutschen, US-amerikanischen und britischen Kollegen. Die Studie ist Teil eines interdisziplinären Projekts des ICBM-Wissenschaftlers Dr. Oliver Wurl, der Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) erhält.

Mit Hilfe eines ferngesteuerten Katamarans („Sea Surface Scanner“, S³) nahmen die Forscher Proben aus der oberen, etwa einen Millimeter dünnen Wasserschicht und aus einem Meter Tiefe. „Überall fanden wir blau gefärbte Ruderfußkrebse aus der Familie der Pontelliden“, sagt Janina Rahlff. „In der dünnen Oberflächenschicht waren diese jedoch teils erheblich häufiger als in einem Meter Wassertiefe, selbst unter hoher UV-Einstrahlung“. Die kleinen Krebse traten umso häufiger auf, je reicher die Oberflächenschicht an Mikroalgen war – die wesentliche Nahrungsquelle der Tiere.

Der Ozeanograf Dr. Christopher Zappa von der Columbia University, New York, untersuchte zudem mit Hilfe einer neuartigen Drohne die Farbe des von der Meeresoberfläche und von den blauen Copepoden reflektierten Lichts. Dabei zeigte sich: Das blaue Pigment der Kleinkrebse reflektierte vor allem den Bereich des Lichtspektrums, der dem von der Wasseroberfläche rückgestrahlten Licht entsprach. Das bedeutet, dass die Tiere an der Luft-Meer-Grenze nur schlecht erkennbar sind. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Copepoden so vor Fressfeinden getarnt sind. Außerdem können sich die Krebse durch kurze Sprünge in die Luft möglichen Angreifern entziehen.

Darüber hinaus schützt das blaue Pigment, bestehend aus dem Karotinoid Astaxanthin in Verbindung mit einem Eiweiß, die Tiere offenbar durch anti-oxidative Eigenschaften auch vor der starken UV-Einstrahlung an der Meeresoberfläche. Denn unabhängig von zeitweise sehr hohen UV-Indizes fanden die Forscher bisweilen große Mengen der Ruderfußkrebse in der Oberflächenschicht. Eine erhöhte Sterblichkeit, wie sie zum Beispiel durch größere Mengen leerer Chitinpanzer oder toter Individuen nachweisbar wäre, konnten die Wissenschaftler im Gegensatz zu Ergebnissen anderer Publikationen nicht finden.

„Pontellide Ruderfußkrebse können in einer einzigartigen Überlebensstrategie den an Nahrungsorganismen reichen, physikalisch stabilen und etwas kühleren Oberflächenfilm in tropischen Ozeanen nutzen“, so Mariana Ribas Ribas. Anders als die meisten anderen Angehörigen des Zooplanktons ihrer Größenklasse, die von der Oberflächenschicht nicht profitieren könnten, weil sie gut sichtbar seien und der starken UV-Einstrahlung nicht widerstehen könnten, profitierten die Pontelliden dabei wahrscheinlich von ihrer Pigmentierung und ihrer Anpassungsfähigkeit. Die Ergebnisse der Forscher könnten helfen zu verstehen, wie sich die Kleinkrebse an infolge des Klimawandels veränderte Umweltbedingungen in dem Ozeanen anpassen.

Dr. Mariana Ribas Ribas, Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Universität Oldenburg, Tel.: 0441/798-8164, E-Mail: mariana.ribas.ribas@uol.de

Rahlff, J., Ribas Ribas, M., Brown, S. M., Mustaffa, N. I. H. et al. (2018). Blue pigmentation of neustonic copepods benefits exploitation of a prey-rich niche at the air-sea boundary. Scientific Reports 8 (11510). doi:10.1038/s41598-018-29869-7

https://www.nature.com/articles/s41598-018-29869-7
http://icbm.de

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Dr. Corinna Dahm-Brey idw - Informationsdienst Wissenschaft

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