Eine Abkürzung für die Essigsäure – Neuer Stoffwechselweg in tropischem Erreger gefunden

Ein weiterer bislang unbekannter Stoffwechselprozess wurde nun von einem internationalen Team, dem auch auch LMU-Biologen um Professor Michael Boshart angehören, präsentiert. Es geht um den Transport eines Metaboliten innerhalb der Zelle.

Aus dem Mitochondrion, dem Kraftwerk der Zelle, wird die beim Zuckerabbau anfallende Essigsäure geschleust und der Fettsynthese zugeführt. In den meisten Organismen wird das aktivierte Molekül dafür in den Citratzyklus gespeist und in Zitronensäure umgewandelt.

Diese wird ins Zellplasma transportiert und wieder in aktivierte Essigsäure rückverwandelt. Wie das Team unter der Leitung von Dr. Frederic Bringaud vom CNRS und der Université Victor Segalen in Bordeaux zeigen konnte, nimmt die aktivierte Essigsäure in den Trypanosomen einen direkteren Weg: Sie wird als einfache Essigsäure durch die Mitochondrienmembran transportiert und dann erneut aktiviert.

Grundsätzlich ist diese Abkürzung auch in menschlichen Zellen denkbar und von Bedeutung, da der „klassische“ Weg ein Angriffspunkt für die Therapie von Fettstoffwechselstörungen ist. (PNAS Early Edition, Juli 2009)

Die Schlafkrankheit, eine tödliche und bislang sehr schlecht therapierbare Tropenkrankheit, ist auf der Hitliste der WHO der „neglected tropical diseases“. Verursacht wird sie durch den Einzeller Trypanosoma, der von Tsetsefliegen übertragen wird. Der gleiche Erreger verursacht durch Befall von Nutztieren immensen wirtschaftlichen Schaden im ländlichen Afrika. Eine Impfung bleibt wohl unrealistisch, da sich Proteine an der Oberfläche der Erreger so schnell wandeln, dass Trypanosomen den Wettlauf mit dem Immunsystem ihres Wirts immer gewinnen.

Die variablen Glykolipide an der Oberfläche werden über sogenannte GPI-Anker in der Zellmembran festgehalten. Diese GPI-Anker wurden als exotische biochemische Besonderheit bei Trypanosomen entdeckt. „Interessant ist aber, dass ungewöhnliche molekulare Mechanismen in den Trypanosomen häufig später auch in anderen Lebewesen gefunden wurden“, berichtet Professor Michael Boshart vom Biozentrum der LMU. „Die GPI-Anker wurden später auch bei Hefe und Säugern nachgewiesen und spielen etwa für Signalproteine oder für Immunzellen eine wichtige Rolle.“

Möglicherweise also erweist sich auch der neu gefundene „exotische“ Transportweg der Trypanosomen auch als weiter verbreitet bei anderen Organismen als gedacht. Handelt es sich dabei doch um eine Vereinfachung eines zentralen Stoffwechselschritts, bei dem die Essigsäure aus dem Zuckerabbau in die Fettsynthese geschleust wird. Ausgangspunkt dafür ist der Abbau von Nährstoffen in den Mitochondrien, den Energiekraftwerken der Zelle.

Ob nun Fettsäuren, Proteine oder Kohlehydrate – also Zucker – zerlegt werden: Sie werden in direkt verfügbare Energie in Form von Adenosintriphosphat, kurz ATP, umgewandelt. Häufig ist dabei als Abbauprodukt ein aktivierter Essigsäurerest zwischengeschaltet, das sogenannte Acetyl-Coenzym A oder Acetyl-CoA. Dieses Abbauprodukt kann selbst wieder für die Synthese energiereicher Verbindungen genutzt werden, vor allem Fettsäuren – wofür es aber zunächst die Mitochondrien verlassen muss. In den meisten Organismen wird Acetyl-CoA in Form von Zitronensäure durch die Doppelmembran der Mitochondrien geschleust. Im Zellplasma wird diese wieder zerlegt wobei Acetyl-CoA anfällt.

„Dieser Stoffwechselweg ist schon so lange bekannt, dass man ihn längst für komplett entschlüsselt hielt“, sagt Boshart. Er und seine Kooperationspartner untersuchten eigentlich die Essigsäureproduktion bei Trypanosomen, indem sie hierfür in Frage kommende Gene ausschalteten. Dabei zeigte sich, dass die Fettsäuresynthese auch ohne die Umwandlung von Zitronensäure in Acetyl-CoA funktioniert. Wird aber ein Enzym blockiert, das Acetyl-CoA aus inaktiver Essigsäure bilden kann, vermindert sich die Produktion von Fettsäuren um das 20-fache.

„In den Trypanosomen wird Acetyl-CoA also statt in Zitronensäure in inaktive Essigsäure umgewandelt und dann aus den Mitochondrien transportiert“, so Boshart. „Erst danach wird sie in aktivierte Essigsäure zurückverwandelt und für die Fettsynthese genutzt.“ Sollte sich der neu entdeckte Transportweg nun auch in anderen Lebewesen und auch dem Menschen finden, könnte er möglicherweise einen therapeutische Ansatzpunkt liefern – im Kampf gegen das Übergewicht. Denn es gibt bereits Ansätze, die den Einbau von Fetten in der Zelle reduzieren möchten. (CA/suwe)

Publikation:
„Acetate produced in the mitochondrion is the essential precursor for lipid biosynthesis in procyclic trypanosomes“;
Loic Riviere, Patrick Moreau, Stefan Allmann, Matthias Hahn, Marc Biran, Nicolas Plazolles, Jean-Michel Franconi, Michael Boshart, Frederic Bringaud;
Proceedings of the National Academy of Sciences,
22. Juli 2009;
DOI: 10.1073_pnas.0903355106
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Boshart
Biozentrum der LMU München
Tel.: 089/2180 – 74600
Fax : 089/2180 – 74629
E-mail: boshart@lmu.de

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Luise Dirscherl idw

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