Tariflöhne und -gehälter: 2009 ein Plus von 2,6 Prozent

Die Tarifentwicklung in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen positiven Verlauf genommen. Die Tariflöhne und -gehälter sind 2009 im Durchschnitt um 2,6 Prozent gestiegen.

Da sich die Verbraucherpreise lediglich um 0,4 Prozent erhöht haben, ergibt sich daraus ein kräftiger realer Anstieg der Tarifvergütungen um 2,2 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die Bilanz der Tarifpolitik des Jahres 2009, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt.

Am höchsten fiel die jahresbezogene Tarifsteigerung mit 4,1 Prozent im Bereich Energie- und Wasserversorgung aus, gefolgt vom Bereich Gebietskörperschaften, Sozialversicherung mit 3,7 Prozent und dem Investitionsgütergewerbe mit 3,3 Prozent. Unterdurchschnittlich war die Tarifsteigerung u.a. in den Bereichen Verbrauchsgütergewerbe, Nahrungs- und Genussmittelgewerbe und Baugewerbe mit jeweils 2,4 Prozent und im Bereich private Dienstleistungen/Organisationen ohne Erwerbszweck mit 1,9 Prozent. Am niedrigsten fiel die Steigerung im Handel mit 1,4 Prozent aus (vergleiche die erste Grafik in der PDF-Version dieses Textes; Link siehe unten). In Ostdeutschland lag die kalenderjährliche Erhöhung mit 3,0 Prozent höher als in Westdeutschland mit 2,6 Prozent. „Selbst in Wirtschaftszweigen mit geringen Tarifsteigerungen, ergibt sich ein reales Plus“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Dr. Reinhard Bispinck.

Bei den effektiven Bruttoeinkommen sieht die Entwicklung dagegen völlig anders aus: Je Arbeitnehmer/in sind sie im vergangenen Jahr nominal um 0,4 Prozent gesunken, preisbereinigt sogar um 0,8 Prozent. Das Jahr 2009 war damit das sechste Jahr in Folge, in dem die Beschäftigten effektive Reallohnverluste hinnehmen mussten. Die wichtigste Ursache dafür ist die Kurzarbeit, aber auch Abstriche beim Entgelt, zum Beispiel durch die Nutzung von tariflichen Öffnungsklauseln, spielten eine Rolle.

Eine Sonderauswertung der WSI-Betriebsrätebefragung ergab, dass 22 Prozent der von der Krise betroffenen Betriebe Abstriche beim Entgelt vorgenommen haben oder planen. Zu den Maßnahmen gehören unter anderen Kürzungen bei Sonderzahlungen und Zulagen, Aussetzung von vorgesehenen Lohnerhöhungen, Abstriche bei übertariflichen Entgeltbestandteilen und Verschlechterung von Eingruppierungen. In 10 Prozent der Krisenbetriebe wurden Einschnitte bei den betrieblichen Sozialleistungen durchgeführt bzw. geplant (vergleiche die zweite Grafik in der PDF-Version).

Insgesamt schlossen die DGB-Gewerkschaften in Deutschland im vergangenen Jahr Lohn- und Gehaltstarifverträge für rund 7,9 Mio. Beschäftigte ab, darunter etwa 6,8 Mio. in den alten und 1,1 Mio. in den neuen Bundesländern. Für rund 92 Prozent dieser Beschäftigten gab es Tarifabschlüsse mit verzögerter Anpassung der Lohn- und Gehaltserhöhungen. Als Ausgleich vereinbarten die Gewerkschaften für gut ein Drittel der davon betroffenen Beschäf-tigten Pauschalzahlungen. Diese betrugen durchschnittlich 35 Euro (West: 37 Euro, Ost: 30 Euro) im Monat.

Für weitere 7,9 Mio. Beschäftigte traten im Jahr 2009 Erhöhungen in Kraft, die bereits 2008 oder früher vereinbart worden waren. Die Laufzeit der Verträge beträgt durchschnittlich 24,1 Monate.

In diesem Jahr stehen neben den Verhandlungen im öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) auch die Tarifverträge in den Branchen Metallindustrie, chemische Industrie, Bankgewerbe, Papierverarbeitung, Stahlindustrie, Deutsche Bahn und zahlreichen kleineren Wirtschaftszweigen an. Die vorliegenden Tarifforderungen bewegen sich zwischen 4 und 5 Prozent. In den krisenbetroffenen Industriezweigen wie etwa der Metallindustrie spielen Fragen der Beschäftigungssicherung eine besondere Rolle.

Die Folgen der Wirtschaftskrise bringen die Gewerkschaften nach Auffassung des WSI-Tarifexperten in eine sehr schwierige Ausgangsposition. „Nötig sind aber gerade in der jetzigen Krise spürbare Reallohnsteigerungen.“ Eine lohnpolitische Nullrunde oder gar Lohnkürzungen verbunden mit milliardenschweren Sparpaketen in den öffentlichen Haushalten wären kontraproduktiv und krisenverschärfend, so Reinhard Bispinck. Eine Korrektur der einseitigen Exportorientierung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren könne nur bei ausreichender Binnennachfrage gelingen. Die Tarifpolitik sollte dazu einen Beitrag leisten.

Die Pressemitteilung mit Grafiken (PDF): http://www.boeckler.de/pdf/pm_ta_2010_01_20.pdf

Ansprechpartner in der Hans-Böckler-Stiftung

Dr. Reinhard Bispinck
Leiter WSI-Tarifarchiv
Tel.: 0211-7778-232
E-Mail: Reinhard-Bispinck@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de

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