RWI trotz gesenkter BIP-Prognosen verhalten optimistisch für 2010

Im nächsten Jahr dürfte der Außenhandel bereits wieder einen leicht positiven Wachstumsbeitrag liefern. Dabei dürfte die Zahl der Arbeitslosen die 4-Millionen-Marke überschreiten und auch das Staatsdefizit weiter steigen.

Das RWI senkt seine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland im Vergleich zu seiner im März veröffentlichten nochmals deutlich. Damals war ein Minus von 4,3% erwartet worden; nunmehr erscheint in diesem Jahr ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,4% als wahrscheinlich. Wesentliche Ursache der Prognoserevision ist die Schärfe des Einbruchs im ersten Quartal 2009; das Bruttoinlandsprodukt (BIP) fiel um 3,8% gegenüber dem Vorquartal. Erwartet hatten wir damals ein Minus von 2,3%.

Allerdings scheint die Abwärtsbewegung inzwischen gebremst, für das zweite Quartal lassen die Indikatoren einen Rückgang des BIP um lediglich knapp 1% erwarten. Einige deuten mittlerweile sogar auf eine Bodenbildung hin. So verringerten sich der Welthandel und die weltweite Industrieproduktion in den vergangenen Monaten kaum noch. Steigende Notierungen an den Rohstoffmärkten lassen zudem auf eine wieder anziehende Nachfrage schließen. Auch haben sich die Erwartungen aufgehellt, was in Unternehmensbefragungen sowie in steigenden Aktienkursen zum Ausdruck kommt. Dazu mag beigetragen haben, dass in nahezu allen Ländern große Konjunkturprogramme beschlossen wurden, die nun allmählich Wirkung zeigen.

2010 ist ein leichtes Plus des BIP möglich

Trotz dieser Anzeichen wird die Lage zumeist noch dramatisch schlecht eingeschätzt, und es gibt keine Hinweise auf einen beginnenden kräftigen Aufschwung. Dies würde auch überraschen, dauern doch Rezessionen, die mit Finanzkrisen einhergehen, länger und der anschließende Aufschwung fällt weniger schwungvoll aus als nach „normalen“ Rezessionen. Hinzu kommt, dass nahezu alle Länder der Welt in ähnlicher Weise betroffen sind. Vor diesem Hintergrund prognostiziert das RWI für 2010 nur eine allmähliche Belebung. Das BIP dürfte wohl um 0,2% zunehmen.

Maßgeblich für die augenblickliche Tiefe der Rezession sind die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen. Erstere waren knapp 10% geringer als im letzten Vierteljahr 2008, als sie bereits um 8% zurückgegangen waren. Letztere waren im Vorquartalsvergleich sogar um 16,2% gesunken, wozu die dramatisch gesunkene Kapazitätsauslastung, die schwindende Hoffnung auf eine baldige Besserung und die verschlechterten Finanzierungsbedingungen wohl beigetragen haben. Relativ gut hielt sich bislang die Konsumnachfrage, auch weil diverse Transfers erhöht wurden und der Pkw-Absatz durch die Abwrackprämie gefördert wird. Im Außenhandel dürfte der Abschwung nun allmählich auslaufen. Bei den Bauinvestitionen sind Impulse seitens der Konjunkturprogramme zu erwarten. Bei den Ausrüstungsinvestitionen ist hingegen noch kein Ende des Rückgangs absehbar, auch wenn die Minusraten geringer werden dürften.

Rückläufiger Konsum und weiter steigende Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr

Für das kommende Jahr erwarten wir einen wieder leicht positiven Wachstumsbeitrag aus dem Außenhandel. Zudem dürften die Ausrüstungsinvestitionen gegen Jahresende steigen, auch weil das Auslaufen der degressiven Abschreibung manche Unternehmen veranlassen dürfte, Investitionsvorhaben vorzuziehen. Allerdings dürfte dann ein rückläufiger privater Konsum die Expansion dämpfen. So nimmt im Verlauf des Prognosezeitraums die Arbeitslosigkeit wohl deutlich zu, deren Anstieg bislang durch die Kurzarbeit gebremst wird. Wir rechnen mit fast 4 Millionen registrierten Arbeitslosen Ende dieses und rund 4,6 Millionen Ende kommenden Jahres, wobei zu berücksichtigen ist, dass rund 200.000 Arbeitslose, mit deren Vermittlung private Träger beauftragt wurden, bis dahin nicht mehr als Arbeitslose erfasst sein dürften. Die ungünstige Lage am Arbeitsmarkt dürfte zudem den Lohnzuwachs merklich drücken. Hinzu kommt, dass für 2010 keine Rentensteigerung zu erwarten ist.

Aufgrund der unterausgelasteten Kapazitäten bleibt die Teuerung moderat, zumal vorläufig der Fall des Rohölpreises nachwirkt. Wir erwarten eine Inflationsrate von lediglich 0,3% beziehungsweise 0,8%.

Staatliches Budgetdefizit wird deutlich ansteigen

Die Finanzlage des Staates wird sich erheblich verschlechtern. Dies ist zum einen rezessionsbedingten Einbußen beim Steuer- und Beitragsaufkommen sowie deutlich höheren arbeitsmarktbedingten Ausgaben geschuldet. Zum anderen führen die Konjunkturprogramme und die Umsetzung von zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu erheblichen Haushaltsbelastungen. In Relation zum nominalen BIP dürfte das gesamtstaatliche Budgetdefizit in diesem Jahr auf rund 4% und im kommenden Jahr auf reichlich 6% hochschnellen.

Diese Prognose ist aufgrund der nach wie vor großen Verunsicherung in weiten Teilen der Wirtschaft und der Bevölkerung mit großen Risiken behaftet. Selbst wenn mehr und mehr Indikatoren eine Stabilisierung anzeigen, sind neuerliche Rückschläge keineswegs auszuschließen. Allerdings bestehen auch Chancen, insbesondere weil sich die deutsche Wirtschaft vor Ausbruch der Finanzkrise in einer guten Verfassung befand. Ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit war hoch, und im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern ist die Entwicklung hierzulande nicht durch das Platzen einer Blase an den Immobilienmärkten belastet. In den Abwärtsstrudel gezogen wurde Deutschland vor allem durch den Einbruch des internationalen Handels. Erholt sich dieser rascher als hier erwartet, so könnte die deutsche Wirtschaft davon überdurchschnittlich profitieren. Dies dürfte dann auch die Unternehmen veranlassen, aufgeschobene Investitionen in Angriff zu nehmen.

Ihre Ansprechpartner dazu: Dr. Roland Döhrn Tel. (0201) 81 49-262
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