Ratingagenturen machen einen schwierigen Job

Bild: Prof. Rafael Weißbach erklärt den Zusammenhang von Ratings<br>(Foto: Edeltraud Altrichter/Uni Rostock) <br>

Mecklenburg-Vorpommern (MV) ist nicht gerade ein Bankenland. Doch in Rostock, der größten Stadt des nordöstlichen Bundeslandes, erforscht Professor Rafael Weißbach an der dortigen Universität das weltweit wichtige Thema der Kredit-Ratings.

„Wie aktuell das ist, zeigte auch die kürzliche Debatte der Europäischen Zentralbank über Stress-Tests“, sagt der 42-jährige studierte Mathematiker, der sich bereits 2007 im Fach Ökonometrie habilitiert hat und auch drei Jahre als Portfolio-Manager im Investment Banking praktische Erfahrungen sammelte.

Zu Ratingagenturen befragt, nimmt er diese eher in Schutz: „Sie bekommen gerade in Krisenzeiten viel Gegenwind, wenn sie beispielsweise Unternehmen schnell herabstufen.“ Der Rostocker Wissenschaftler erwartet: „Die Rating-Agenturen müssen ihre Informationen sehr zeitnah zur Verfügung stellen, damit private Anleger informiert sind“.

Auch meint er: „Das wirtschaftliche Interesse einer Rating-Agentur ist ihr Fortbestand. Deshalb glaube ich nicht, dass sie manipulierbar sind. Auch halte ich ihren Einfluss für überschätzt. Letztlich müssen zumindest die großen Banken nach Kriterien der Baseler Aufsicht selbst sagen, wie gut ihr Kunde oder wahrscheinlich seine Insolvenz ist“.

Der Rostocker Wissenschaftler möchte herausfinden, wie solche Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden. Er legt wissenschaftlich fundierte Kriterien für Objektivität zugrunde, damit Kunden nicht unter-oder überschätzt werden. Weißbachs mathematischen Berechnungen liefern eine unverzerrte Einschätzung.

In den letzten zwei Jahren hat Rafael Weißbach auch herausgefunden, dass Messfehler in Ratingdaten vorliegen könnten. Aber wichtiger ist ihm, dass der Aufwand die Risiko-Determinanten zu erstellen, nicht einmalig ist, wie bei einer Naturkonstanten. Immer wieder gibt es Strukturbrüche, die das wirtschaftliche Gleichgewicht ändern. Weißbach gibt zur Bedeutung dieser Brüche für Statistiken im November zusammen mit einem Hannoveraner Kollegen einen Band der internationalen Zeitschrift Statistical Papers heraus.

Mit der Forschung zu Ratings zeigen Weißbach und sein Team vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Rostock, „dass es sehr wichtig – aber auch sehr anspruchsvoll ist, ehrlich die Datenlage zu berücksichtigen“. Rafael Weißbach hat eine Analyse von etwa weltweit 10 000 Kreditereignissen vorgenommen. „Bei unehrlicher Rechnung kommt eine zu geringe Eigenkapitalanforderung für Banken heraus“, so ein Aufsatz von Weißbach mit einem Promovenden, der in diesen Tagen erscheint. Immerhin, selbst wenn wir zugeben, dass unsere Daten löchrig wie Schweizer Käse sind, kann das Risiko abgeschätzt werden.

Aber auch wenn Modelle wichtig sind, genauso wichtig, so die Erkenntnis aus Rostock ist: „Entscheidungskomplexe von Einzelpersonen dürfen nicht ausufern. Das kann langfristige Konsequenzen für Steuerzahler haben“. Deshalb warnt Weißbach vor monopolistisch aufgebauten Strukturen in Banken und bei Unternehmen. „Die Wirtschaft muss so entzerrt werden, dass jeder sein eigenes Risiko auch verantwortet“.

Gefragt, ob denn überhaupt wissenschaftlicher Rat in Wirtschaft und Politik nachgefragt wird, sagt Weißbach, dass sehr wohl Banken ihn konsultieren und er auch zu einer Sitzung mit dem Mitglied der Europäischen Kommission und Kommissar für Wirtschaft und Währung, Olli Rehn sowie dem Deutschen Ökonomen Jörg Asmussen, der im Direktorium der Europäischen Zentralbank sitzt, nach Berlin eingeladen wurde, immerhin.

Vielen Menschen begegnete erstmals in der Griechenlandkrise der Begriff Rating. Ratings entscheiden mit über die Zukunft eines Unternehmens, eines Währungsraums oder auch eines Landes. Etwa wurde letzte Woche unser Nachbarland Frankreich in seiner Kreditwürdigkeit wiederholt herausgestuft, hat aber immer noch Ratingstufe AA.

Universität Rostock
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Fon +49(0) 381 4428
Mail: rafael.weißbach @uni-rostock.de

Media Contact

Ingrid Rieck Universität Rostock

Weitere Informationen:

http://www.uni-rostock.de

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