"Embedded Systems" treiben deutsche Schlüsselbranchen an

VDE-Positionspapier empfiehlt Fokusprojekte im Automobil- und Maschinenbau

Mit Wachstumsraten von etwa 8,5 Prozent pro Jahr erzielen „Embedded Systems“ in Deutschland geradezu „asiatische Werte“. Bis 2020 soll der jährliche Umsatz von circa 17 Milliarden Euro auf circa 42,6 Milliarden Euro zulegen (A.T. Kearney Studie: Die IT-Industrie im Jahr 2020, 2009). Der Grund für die wachsende Bedeutung in der Wertschöpfungskette: „Eingebettete Systeme“ werden zunehmend zu „Enablern“ deutscher Schlüsselbranchen.

In der Automobilbranche steuern sie konventionelle und elektrische Antriebe sowie Assistenzsysteme. Im Maschinenbau dirigieren sie selbstlernende Industrieroboter. Und auch in Leitmärkten wie Energieeffizienz, Smart Grids, Elektromobilität, Gesundheits-Assistenzsysteme und Heimvernetzung spielen sie eine entscheidende Rolle. Um so wichtiger ist es für den Standort Deutschland, die gute Forschungsposition in der Systemtechnik, bei anwendungsspezifischen ASICs (Application Specific Integrated Circuits = Anwendungsspezifische integrierte Schaltkreise) und zugehöriger Software in Markterfolge umzusetzen.

Dazu ist es nötig, den Mikroelektronik-Standort Deutschland zu verteidigen, die Forschungsanstrengungen zu verstärken und die Hebeleffekte für die Anwenderindustrien zu nutzen. Zu diesem Schluss kommt das aktuelle VDE-Positionspapier „Embedded Systems“ der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (ITG).

„Die Mikroelektronik ist eine der Grundtechnologien für den Aufbau von Embedded Systems. Wenn die Mikroelektronik abwandert, könnte ein entscheidender Anteil der Wertschöpfungskette bei der Vermarktung von Embedded Systems ebenfalls wegbrechen. Deshalb sollte sich Deutschland intensiv darum bemühen, die Halbleiterproduktion im Land zu halten, um die beachtlichen Chancen für die Anwenderindustrien zu nutzen“, fordert Prof. Dr.-Ing. Ingo Wolff, Mitglied im VDE-Präsidium und Vorsitzender der VDE/ITG.

Embedded Systems: „key enabler“ für nahezu alle Anwendungsbereiche

Unter „Eingebetteten Systemen“ (Embedded Systems, ES) versteht man Prozessor-Hardware und -Software-Systeme. In Verbindung mit Sensor- und Aktorsystemen, die in umgebende technische Systeme eingebettet sind, übernehmen sie komplexe Steuerungs- und Datenverarbeitungsaufgaben. Sie zeichnen sich durch minimale Kosten, einen geringen Platzbedarf und Energieverbrauch (bis hin zur Energieautarkie) und einen kleinen Speicherbereich der Prozessoren aus. Eine Spezialform der Embedded Systems sind die Sensornetzwerke, in denen Knoten in einem Netzwerk miteinander kommunizieren. Sie ermöglichen eine effiziente Datenerfassung, Datenkommunikation und gezielte Aktorik bei geringem Energieverbrauch. Eingesetzt werden sie beispielsweise in ortsvariablen Netzwerken wie beispielsweise dem Auto als Netzwerkknoten in einem Car-to-Car Kommunikationssystem.

In den USA und andernorts geht man bereits einen Schritt weiter und forscht an sogenannten Cyber-Physical Systems (Cyber-Physical Systems, Executive Summary. Prepared by the CPS Steering Group, March 2008, CPS: Computer-Physikalische Systeme). Unter einem Computer-Physikalischem System wird die Integration von physikalischen Systemen und Prozessen mit vernetzten Computern beziehungsweise Prozessoren verstanden. Solche CPS können in miniaturisierter Form zum Beispiel als Implantate im Menschen im Rahmen der Medizintechnik dienen. Sie werden aber auch in national oder weltweit ausgebreiteten Systemen beispielsweise für die Energieversorgung (Smart Grid) oder für das „Internet der Dinge“ eingesetzt. In beiden Fällen nehmen sie eine Schlüsselposition für die künftige wirtschaftliche Entwicklung ein.

Aufgrund der Vielfalt und Bedeutung der Einsatzbereiche werden ES und CPS zunehmend zur treibenden Kraft der technischen Entwicklung. Sie lassen sich in der Energieversorgung für das Smart Grid nutzen. Hier können dezentral verteilte Anlagen (von Wind- und Solaranlagen bis hin zu Elektrofahrzeugen als Zwischenspeicher) mit einem zeitlich befristeten und variablen Beitrag an Leistung in ein Energieversorgungsnetz integriert werden. In Gesundheits- und Ambient Assisted Living-Systemen ermöglichen sie Telemonitoring und damit Überwachungs-, Alarmierungs- und Unterstützungssysteme sowie verbesserte Datentransfer- und Abrechnungsverfahren. Weiter sind sie ein wichtiges Element zukünftiger Transport- und Verkehrssysteme. So lassen sich bestehende Transportwege und -mittel (zum Beispiel Kfz-Verkehr, Luftverkehr, Schiffsverkehr) zu einem multimodalen System vernetzen und effektivere, sicherere, kostengünstigere und umweltschonendere Transportlösungen im Personen- und Güterverkehr entwickeln.

Auch für das Anwendungsgebiet „Smart City“, das der Bevölkerung ein breites Angebot von Informationen aus den Bereichen Verwaltung, Verkehr, Logistik, Gesundheitswesen oder Bildung zur Verfügung stellt, werden CPS benötigt. Gleiches gilt für energieeffiziente Kraftfahrzeuge, integrierte medizinische Systeme (zum Beispiel „Lab on a Chip“) und Implantate, autonome Roboter zu Unterstützung im täglichen Leben, Gebäudeautomatisierung Sensornetzwerke auf autonomer Energiebasis, das heißt ohne Batterien und Batteriewechsel (Energy

Harvesting) und viele Bereiche mehr.

Forschungsposition mit großem industriellen Anwendungspotential

Angesichts der wachsenden Bedeutung stellt sich die Frage, wo die Stärken und Schwächen, Potentiale und Risiken für den Standort Deutschland liegen. Aufgrund seiner immer noch guten Forschungslandschaft nimmt Deutschland bei „Embedded Systems“ international eine führende Position ein. Die Embedded Systems sowie ihre Weiterentwicklung zu Embedded Networks und Computer-Physikalischen Systemen treiben die Industrieentwicklung an und stärken Deutschlands Industrie im internationalen Wettbewerb. Dies ist insbesondere dem Know-how in der Systemtechnik, bei anwendungsspezifischen ASICs und der zugehörigen Software zu verdanken. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Deutschland eine starke Industrie im Bereich des Maschinenbaus und der Kraftfahrzeugtechnik aufweist. In diesem Bereich ist der Einsatz von Embedded Systems technisch wichtig und wirtschaftlich attraktiv.

Die Mikroelektronik bildet die Basistechnologie für Eingebettete Systeme. Die zentrale Herausforderung für Deutschland liegt laut VDE-Positionspapier deshalb darin, den Mikroelektronik-Standort zu stärken. Denn wenn die Halbleiterfertigung aufgrund einer schwächeren Position im Kostenwettbewerb mit den staatlich subventionierten Standorten Ostasiens abwandert, könnten die Embedded Systems folgen – und damit ein entscheidender Anteil der Wertschöpfungskette, so die Befürchtung. Darüber hinaus bleibt die nötige anwendungs- und diensteorientierte Software aus VDE-Sicht ein wichtiger Teil des Gesamtsystems und bedarf der intensiven Pflege.

VDE empfiehlt Fokusprojekte im Automobil- und Maschinenbau

Den VDE-Experten zufolge eröffnen sich in Deutschland zwei besonders aussichtsreiche Anwendungsfelder. In der Automobiltechnik übernehmen Embedded Systems – vielfach über ein Bussystem miteinander verbunden – bereits heute die Steuerung vieler verschiedener Einrichtungen des Autos. Eine Zukunftsaufgabe besteht darin, die Zahl der bestehenden Embedded Systems zu reduzieren und das Informationssystem im Kraftfahrzeug zu vereinfachen. Neue Anwendungsfelder liegen etwa in der Fernüberwachung des Kraftfahrzeugs über ein Telematiksystem, welches das Kraftfahrzeug mit einer Wartungszentrale verbindet und den Betriebszustand des Autos laufend überwacht.

Ein zweites wichtiges Anwendungsgebiet von Embedded Systems ist die Entwicklung intelligenter Werkzeuge zur Automatisierung der Produktion. Ziel ist die Entwicklung mobiler Einrichtungen (Werkzeuge, Roboter), die ihren Einsatzort auf funkgesteuerte Zentimeter genau lokalisieren und die ihnen zugewiesenen Aufgaben im Produktionsprozess eigenständig übernehmen. Erste Ansätze für eine hochgenaue (drahtlose) Lokalisierungstechnik sind verfügbar, aber in den kommenden Jahren deutlich zu verbessern und an schwierige Umfeldbedingungen anzupassen. Die Geräte müssen im Echtzeitverfahren betrieben werden können und über eine anwendungsorientierte Software in den gesamten Produktionsprozess eingepasst werden. Hierzu gilt es, neue Standards zu entwickeln und einzuführen.

Große Hebeleffekte für die Industrie in Deutschland erwartet

Die Branche der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ist mit über 800.000 Arbeitsplätzen und einem Gesamtumsatz von circa 133 Milliarden Euro (2008) einer der größten industriellen Sektoren und ein Motor der deutschen Wirtschaft. Die Stärkung der deutschen Position bei „Embedded Systems“ hätte einen sehr positiven Effekt weit über die Elektro- und IKT-Branche hinaus. „Embedded Systems übernehmen eine Schlüsselfunktion für die gesamte deutsche Wirtschaft. Denn sie schaffen die Basis für die Herstellung intelligenter Maschinen und Einrichtungen, die für die Wertschöpfung und den Exportmarkt immer wichtiger werden. Der VDE begrüßt daher das auf dem IT-Gipfel formulierte strategische Ziel der Bundesregierung, das Thema als einen Schwerpunkt im Bereich IKT in der neuen Legislaturperiode weiter voran zu bringen. Nun sollte schnell gehandelt werden, um die Hebeleffekte von Embedded Systems zu nutzen und den Innovationsmotor auf Touren zu bringen.“

Die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (ITG) engagiert sich mit 12.000 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für die Förderung der Informationstechnik, ihrer Anwendungen und für den technisch-wissenschaftlichen Nachwuchs. Der VDE, Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik, ist mit 35.000 Mitgliedern, davon 1.300 Unternehmen, einer der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas.

Neues VDE-Positionspapier zum IKT-Standort Deutschland

IKT-Technologien entscheiden über Deutschlands Zukunftsfähigkeit
– In vielen Märkten entstehen künftig weit mehr als 50 Prozent aller neuen Produkte durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dank einer guten Forschungslandschaft und einer international ausgerichteten IKT-Industrie bei Fest- und Mobilfunknetzen und „Embedded Systems“ eröffnet sich Deutschland die Chance, dem Weltmarkt dringend benötigte IKT-Lösungen für nahezu alle Industrie- und Dienstleistungsbereiche bereitzustellen. Wo konkret liegen die Potentiale, und wie können sie effizient genutzt werden? Antworten darauf gibt das neue VDE-Positionspapier „IKT 2020: Fakten – Trends – Positionen“, das der VDE in einer Pressekonferenz am Dienstag, 02. März 2010, von 11.00 bis 12.00 Uhr, im Convention Center (CC), Saal Heidelberg, CeBIT-Messegelände, 30521 Hannover, vorstellt.

Media Contact

Melanie Mora VDE

Weitere Informationen:

http://www.vde.com

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