Nicht nur Qualität, sondern auch Quantität – Risikomanagement auf Finanzmärkten

Die Ursache der aktuellen Finanzkrise liegt in der Fehlbewertung von Kreditderivaten – so die Meinung von Experten. In der Regel ist es sehr schwierig, den „richtigen“ Preis für ein Finanzprodukt anzugeben. Bei den komplexen Methoden zur Preisbewertung können leicht Fehler auftreten, die dann zu einem komplett falschen Bild führen. Mathematiker entwickeln daher neue Methoden, um zu einer zuverlässigen Bewertung zu kommen. So lassen sich Risiken im Vorhinein besser abschätzen.

Denis Belomestny ist ein besonnener Mensch, er neigt nicht zum Zocken. Was in letzter Zeit auf den Finanzmärkten geschehen ist, überrascht den genauen Beobachter nicht. Schon länger entwickeln die Mathematiker des Weierstraß-Instituts für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) Modelle, mit denen sie das Risiko beim Handeln mit Derivaten genau abschätzen können. Belomestny erläutert: „Das Problem ist, dass meist eine konkrete Zahl für den Wert eines Finanzprodukts angegeben wird. Wir brauchen aber auch die Information, wie sicher diese Bewertung ist – nur so kennt man das Risiko.“

Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Ökonomisches Risiko“, der von der Humboldt-Universität koordiniert wird, beschäftigt sich Denis Belomestny mit der zuverlässigen Bewertung von verschiedenen Finanzprodukten. Solch eine Bewertung soll mit der Konstruktion einer unteren und einer oberen Schranke begleitet werden, meint er. Diese Konstruktion ist für hochdimensionale Finanzmodelle sowohl mathematisch als auch numerisch sehr anspruchsvoll, daher wurden diese Angaben bisher vernachlässigt. Liegen die untere und obere Schranke sehr weit auseinander, ist die Preisbewertung nicht sehr sicher, denn die mögliche Abweichung ist groß. Wenn jedoch die obere und untere Schranke dicht beieinander liegen, ist eine relativ sichere Preisbewertung möglich. Den Bereich zwischen den beiden Schranken nennen die Mathematiker Konfidenzintervall – innerhalb dieses Bereichs liegt der „richtige“ Preis.

Ein weiteres bislang zu wenig beachtetes Problem ist die Kalibrierung. Ein Modell kann zwar theoretisch die Realität sehr gut beschreiben; sind die Parameter jedoch nicht richtig gewählt, liefert selbst das beste Modell falsche Ergebnisse. „Es stimmt dann zwar die Qualität, es fehlt jedoch die nötige Quantität“, beschreibt Denis Belomestny das Problem. Er vergleicht sein Modell daher mit dem Markt, um möglichst realistische Werte für die Parameter zu erhalten. Das Risiko einer Fehlkalibrierung ist umso größer, je weniger Vergleichsdaten ihm zur Verfügung stehen – dies schlägt sich in einem großen Konfidenzintervall nieder.

Belomestny möchte mithilfe seiner Ergebnisse ganz konkrete Handlungsanweisungen für die Akteure auf den Finanzmärkten entwickeln. Die ermöglichen es zum Beispiel Banken, ihre Risiken genauer zu kalkulieren und sich so nicht zu verspekulieren. Dieses Potenzial haben die Banken erkannt: Das WIAS erhält regelmäßig Anfragen zur Verifizierung von Preisbewertungen.

Doch eines setzen die Modelle von Denis Belomestny voraus: Den kühlen Kopf des Mathematikers bei der Umsetzung. Wenn es auf dem Börsenparkett heiß hergeht, lassen sich Banker nur allzu leicht zum Übermut hinreißen, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat.

Kontakt:
Dr. Torsten Köhler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS)
Mohrenstraße 39
10117 Berlin
Tel.: (030) 20372 582
E-Mail: koehler@wias-berlin.de

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Gesine Wiemer idw

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