Dienstleistungssektor: Beschäftigungspotenziale in der Krise nutzen

Seit Anfang der 1990er Jahre sind hier knapp 6 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden, während die Industrie etwa 3 Millionen Jobs verloren hat. Das Normalarbeitsverhältnis gerät dabei unter Druck: Flexible Beschäftigungsformen dominieren in den dynamischen Dienstleistungsbereichen, wie eine IZA-Studie zeigt.

Dies geht mit einer zunehmend polarisierten Einkommenssituation einher. Grund dafür ist auch, dass das Ausbildungssystem den Qualifikationsanforderungen oft nicht genügt. Weitere Beschäftigungspotenziale zu erschließen, wäre in der Krise wichtig, setzt aber einen Verzicht auf regulierende Eingriffe voraus.

In den letzten Jahren sind vor allem solche Bereiche des Dienstleistungssektors dynamisch gewachsen, die weniger strikt den Regeln einer unbefristeten sozialversicherten Vollzeitbeschäftigung mit tarifvertraglicher Entlohnung folgen. Das Beschäftigungswachstum hat das „Normalarbeitsverhältnis“ hier sowohl im Bereich geringer Qualifikation als auch im Segment akademischer Ausbildung stark zurückgedrängt.

Bei personenbezogenen privaten Dienstleistungen – etwa im Hotel- und Gastgewerbe, in Callcentern oder bei der Gebäudereinigung – sind Teilzeit- und Minijobs ebenso überdurchschnittlich vertreten wie Beschäftigte ohne einschlägige Ausbildung. Gleichzeitig sind dort im Mittel kürzere durchschnittliche Betriebszugehörigkeiten und ein hoher Anteil an Beschäftigten mit niedriger Entlohnung anzutreffen.

Aber auch bei hoch qualifizierten Dienstleistungen sind Normalarbeitsverhältnisse heute die Ausnahme. Das gilt in der Kreativwirtschaft, im Medien- und IT-Sektor wie auch für andere unternehmensbezogenen Dienstleistungen, die in der Regel eine akademische Ausbildung voraussetzen. Hier sind besonders viele Freiberufler, Selbstständige ohne Beschäftigte und Angestellte mit projektartiger Arbeitsweise tätig. Dies geht mit einer zunehmend polarisierten Einkommenssituation einher.

Weniger dynamisch verläuft die Entwicklung in Dienstleistungsbereichen, in denen unbefristete Voll- und Teilzeit auf der Basis von Tarifverträgen und dualer Ausbildung noch immer stärker verbreitet sind – etwa bei Banken, Versicherungen oder im öffentlichen Dienst. Langfristig deutlich rückläufig ist die Beschäftigung in der verarbeitenden Industrie und in klassischen Elektro- und Metallberufen, wo das Normalarbeitsverhältnis dominiert.

Experten des Instituts zur Zukunft der Arbeit haben soeben eine detaillierte Analyse der Entwicklungen im deutschen Dienstleistungssektor vorgelegt. Das starke Wachstum in einigen Teilbereichen des Dienstleistungssektors trägt laut der Studie zu wachsenden Unterschieden bei Arbeitsverträgen, Entlohnung und Qualifikationen innerhalb des Gesamtarbeitsmarktes bei. Die Beschäftigungspotenziale in weniger regulierten Bereichen des Arbeitsmarktes gehen mit vermehrten Risiken instabiler oder gering entlohnter Beschäftigung einher. Die Untersuchung zeigt ferner, dass die besonders dynamischen Bereiche des Dienstleistungssektors vielfach andere Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation stellen, als sie in den dualen Ausbildungsberufen bislang vermittelt werden: Im Vordergrund stehen durchweg eher generelle und übertragbare, sowohl sehr hohe als auch eher niedrige Qualifikationen. Beide sind weniger auf lange Betriebszugehörigkeit bei einem Arbeitgeber ausgerichtet und angewiesen. Auf diese Weise kann eine sich verringernde Arbeitsplatzsicherheit durch eine höhere Beschäftigungssicherheit aufgefangen werden.

Die neuen Erwerbsformen in den Wachstumsbranchen des Dienstleistungssektors bieten zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten und leisten einen wesentlichen Beitrag zu dem über die Jahre insgesamt gestiegenen Arbeitsplatzangebot in Deutschland. Angesichts der vorhandenen Potenziale für die Schaffung weiterer Arbeitsplätze in diesem Segment verbietet sich eine stärkere Regulierung von selbst. Die Wachstumsdynamik der flexiblen Segmente sollte nicht gebremst werden, da sie für die Entstehung neuer Arbeitsplätze und Tätigkeitsfelder erforderlich ist. Dies ist insbesondere in der gegenwärtigen Krise von erheblicher Bedeutung für den Arbeitsmarkt.

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Holger Hinte idw

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