Standortwahl ohne Qual

Produzieren im Ausland – ja oder nein? Vor dieser Entscheidung stehen zunehmend auch mittelständische Unternehmen, vor allem Automobilzulieferer sind hier im Zugzwang. Auch wenn gute Argumente wie Nähe zum Kunden, Markterschließung oder Kostensenkung für eine Auslandsproduktion sprechen, sollte diese schwerwiegende Entscheidung nur nach einer fundierten Analyse der Vor- und Nachteile getroffen werden. Doch daran hapert es häufig, wie Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in einem von der Hans-Boeckler-Stiftung geförderten Projekt zeigen. Insbesondere kostenorientierte Verlagerungsstrategien werden häufig nicht bis zum Ende durchkalkuliert. Erfolgskritisch sind vor allem folgende Faktoren:

– Die Anlaufzeiten einer ausländischen Produktionsstätte bis zur sicheren Produktion mit verlässlicher Qualität und Produktivität werden fast immer deutlich unterschätzt und dauern häufig mehr als doppelt so lange wie ursprünglich geplant. Dies kann den Serienstart und den Amortisationszeitraum der Auslandsinvestition empfindlich verschieben.

– Die Kosten für die laufende Betreuung und Koordination ausländischer Produktionsstandorte werden häufig nicht richtig zugewiesen. Das knappe Managementpersonal für diese kritischen Prozesse wird oft vom deutschen Stammsitz bezahlt, der dadurch künstlich verteuert wird, während der Auslandsstandort die Unterstützungsleistungen nicht tragen muss.

– Die Lieferantensuche und -entwicklung im Zielland ist für Automobilzulieferer zumeist deutlich langwieriger als gedacht. Auch nach mehreren Jahren laufender Auslandsproduktion können nur etwa 10 bis 20 Prozent der Zulieferungen lokal bezogen werden. Folglich sind an vielen Auslandsstandorten die Material- und Vorleistungskosten höher als im Inland.

– Erfolgreiche Unternehmen sind nicht nur bei Produkt-, sondern auch bei Prozessinnovationen führend. Sie schaffen alle zwei bis drei Jahre an ihren bestehenden inländischen Standorten Optimierungspotenziale von 15 bis 30 Prozent – die in Standortvergleichen aber üblicherweise nicht gebührend berücksichtigt werden.

Um die Entscheidung pro oder contra Verlagerung auf ein stabiles Fundament zu stellen, hat das Karlsruher Institut ein neues Bewertungsinstrument entwickelt. Das Softwaretool kombiniert mehrere methodische Ansätze (Kostenstrukturvergleich, Investitionsrechnung, Nutzwertanalyse) und rechnet fundierte und zukunftsorientierte Vergleiche für verschiedene Standorte durch, in die Optimierungspotenziale an bestehenden Standorten systematisch einbezogen werden. Es liefert damit facettenreiche Zukunftsbilder, wobei verschiedene Szenarien – von pessimistisch über realistisch bis optimistisch – durchgespielt werden. Das Fraunhofer ISI unterstützt Unternehmen, Berater und Betriebsräte gerne bei der Anwendung des Tools und bei der Standort-Entscheidungsfindung.

Die ausführlichen Ergebnisse der Studie zu den wesentlichen Zukunftstrends, Erfolgsmustern und Entscheidungsfaktoren für internationale Standortstrategien in der Automobilzulieferindustrie und die Grundprinzipien des entwickelten Tools hat das Fraunhofer ISI in einem Buch zusammengestellt:
Steffen Kinkel, Christoph Zanker
Globale Produktionsstrategien in der Automobilzulieferindustrie –
Erfolgsmuster und zukunftsorientierte Methoden zur Standortbewertung
Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-70795-0

Kontakt: Dr. Steffen Kinkel
Telefon: (0721) 6809 – 311
E-Mail: steffen.kinkel@isi.fraunhofer.de

Die Presseinformationen des Fraunhofer ISI finden Sie auch im Internet unter

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI untersucht Chancen technischer Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Umwelt. Die interdisziplinären Forschungsgruppen konzentrieren sich auf neue Technologien, Industrie- und Serviceinnovationen, Energiepolitik und nachhaltiges Wirtschaften sowie auf die Dynamik regionaler Märkte und die Innovationspolitik.

Media Contact

Bernd Müller idw

Weitere Informationen:

http://www.isi.fraunhofer.de

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